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Mit einem radikalen Sparkurs will die NordLB aus ihrer Krise finden. Bei dem neuen Geschäftsmodell ist für die Schiffsfinanzierung künftig kein Platz mehr. 7,7 Mrd. € an Krediten stehen bis 2021 zum Verkauf. Von Krischan Förster

Binnen eines Jahres hat sich die Einschätzung im Vorstand der NordLB radikal geändert. Während Bankchef Thomas Bürkle vor Jahresfrist noch[ds_preview] beteuert hatte, sein Geldinstitut werde an der Schiffsfinanzierung festhalten und glaube an dieses Geschäftsfeld, war im April dieses Jahres davon keine Rede mehr.

Nicht nur die fehlende Kapitalausstattung, sondern auch ein Rekordverlust haben das Umdenken ausgelöst. Ende 2018 stand die NordLB mit sagenhaften –2,35 Mrd. € in der Kreide. Der Grund war in Hannover schnell ausgemacht: die Schiffsfinanzierung. Und so wurde beschlossen, dem Ganzen ein Ende zu bereiten. »Es wird die letzte Bilanz sein, bei der die Schiffsfinanzierung derart im Fokus steht«, sagt Bürkle.

Landesbank auf Schrumpfkurs

Wohl auch eine Voraussetzung, um sich von den eigenen Gesellschaftern retten lassen zu können. Die Bank soll, so die Vorgaben der Länder Niedersachsen (rund 60 % der Anteile) und Sachsen-Anhalt (knapp 6 %) sowie seitens der Sparkassen (rund 25 %), ihre Risiken begrenzen und sich gesund »schrumpfen«. Kern des neuen Geschäftsmodells werden das Firmen- und Privatkundengeschäft, die Finanzierung von Immobilien und Erneuerbaren Energien sowie das Agrar-Banking. Die Flugzeugfinanzierung wird kräftig abgespeckt, bleibt aber erhalten. Im Gegenzug gibt es die benötigte Finanzspritze von gut 3,6 Mrd. €, um die von der europäischen Bankenaufsicht und der EU geforderte harte Kapitalquote zu erreichen.

Mit 20 Mrd. € im Portfolio (2010) gehörte die niedersächsische Landesbank in ihren Spitzenzeiten auch international zu den Großen des Metiers. Größer waren damals nur die HSH Nordbank (32,5 Mrd. €) und die Commerzbank (22,4 Mrd. €) nach der Übernahme von Dresdner Bank und Schiffsbank. Das ist gerade einmal neun Jahre her. Vor Beginn der Finanzkrise, aber auch noch danach habe in Hannover die Devise gegolten, den Abstand zur HSH Nordbank auf gar keinen Fall größer werden zu lassen. So wird es erzählt. Genutzt hat es keiner der drei Banken.

Die HSH Nordbank wurde bekanntlich an private Investoren verkauft und hat sich nebenbei ihrer Altlasten entledigt. Das Portfolio der heutigen Hamburg Commercial Bank steht bei gerade noch 5Mrd. €. Die Commerzbank verkündete 2012 (18,9 Mrd. €) ihren Ausstieg aus der Schifffahrt und steht kurz vor dem Ziel. In ihren Büchern hat sie nach einem forcierten Abbau der Kredite nur noch knapp 60 Schiffe für rund 400 Mio. €. Auf diesem »Weg ohne Wiederkehr« folgt ihr jetzt die NordLB.

10,3 Mrd. € an Schiffskrediten standen Ende 2018 noch in den Büchern. Gegenüber Ende 2016 wurde der Forderungsbestand von damals 16,9 Mrd. € bereits um fast 40% reduziert. Doch habe dieser Geschäftsbereich im vergangenen Jahr fast ganz allein für den Verlust von –2,35 Mrd. € (Konzernergebnis) gesorgt, vor Steuern waren es –2,05 Mrd. €. Im Jahr 2017 konnte dagegen noch ein Gewinn von 195 Mio. € ausgewiesen werden. »Der hohe Verlust ist für uns äußerst schmerzhaft«, kommentierte Vorstandschef Thomas Bürkle die Zahlen.

Das Ende der Schiffsfinanzierung, von der HANSA bereits vor Wochen exklusiv vermeldet, war damit besiegelt: Das gesamte Portfolio soll in den kommenden zwei bis drei Jahren abgebaut werden. Denn für den geplanten Neustart sei eine »Befreiung von den Altlasten« nötig. Das betrifft nicht nur »faule« Kredite. Auch rund 2.250 von heute 5.500 Stellen sollen abgebaut werden, bis Ende 2020 sind zunächst 1.250 Mitarbeiter betroffen.

Abwicklungseinheit geplant

In einem ersten Schritt gingen 263 Schiffe aus dem Paket »Big Ben« im Wert von 2,6 Mrd. € an den US-Finanzinvestor Cerberus. Das Closing dieser Transaktion erfolgte nur wenige Tage nach der Vorstellung der Bilanz. Die verbleibenden 4,9 Mrd. € an NPLs sollen vornehmlich durch Einzelverkäufe über eine »bankinterne Abwicklungseinheit« bei der NordLB abgewickelt werden. Das Land Niedersachsen werde die damit verbundenen Risiken mit Garantien absichern, heißt es.

Den »gesunden« Teil des Portfolios will man über die Tilgung der Darlehen auslaufen lassen, so Dieng. Das gesamte Kreditvolumen sei »komfortabel« abgesichert, für die Schiffe sei eine Risikoabsicherung von 4,9 Mrd. € aufgebaut worden. Das ergebe eine Abdeckungsquote von 65%. Rechne man den Marktwert der verbliebenen 1.024 Schiffe (784 ohne das »Big Ben«-Portfolio) hinzu, lag die Core-Risk-Coverage sogar bei 123%.

Der Verkauf eines zweiten NPL-Pakets von gut 4 Mrd. € (»Tower Bridge«) an Cerberus ist damit vom Tisch. Auch eine im Vorfeld diskutierte Übertragung der Altlasten an die HSH Portfoliomanagement AöR in Kiel findet nun nicht statt. »Das machen wir in der Bank selbst«, so Bürkle. Rund 100 Mitarbeiter werden an die Abwicklungseinheit abgestellt, die im Wesentlichen aus der bisherigen Abteilung für »Portfolio-Optimierung« besteht. Dort waren bislang schon alle NPL-Fälle bearbeitet worden.

Bei größeren Portfolien müssten in der Regel auch große Abschläge in Kauf genommen werden. Deswegen habe man sich dagegen entschieden, sagt Risiko-Vorstand Christoph Dieng. »Im besten Fall verkaufen wir Schiff für Schiff und im Einvernehmen mit den Reedern.« Das dürfte für viele Kreditnehmer der knapp 800 betroffenen Schiffe, darunter zu 80–90% deutsche Reeder, eine gute Nachricht sein.

Deutsche Reeder in Sorge

Zuletzt hatten deren Verbände an Ems, Dollart und Unterelbe von der Landesregierung in Hannover und der Bank Auffanglösungen statt eines Ausverkaufs gefordert. Andernfalls drohe ein Niedergang der maritimen Wirtschaft in Niedersachsen mit etwa 30.000 Beschäftigten und einer Wertschöpfung von insgesamt rund 10 Mrd. €, hieß es.

Vor allem wünschen sich die Reeder Hilfe des Landes Niedersachsen in Form von Landesbürgschaften für Anschlussfinanzierungen, um eine Ablösung ihrer gestörten Kredite zu marktüblichen Konditionen auf die Beine stellen zu können.

Künftig soll die NordLB kleiner und regionaler agieren. Die Bilanzsumme soll von jetzt 154 Mrd. € um mehr als ein Drittel auf nur noch 95 Mrd. € schrumpfen.

Nach der Einigung mit dem Sparkassen-Dachverband ist die Kapitalausstattung der Landesbank gesichert. Insgesamt erhält die Bank eine Finanzspritze von 3,64 Mrd. €, darunter 2,835 Mrd. € an Barkapital vom Hauptgesellschafter Niedersachsen (1,5 Mrd. €), aus Sachsen-Anhalt (200 Mio. €) sowie von der Sparkassen-Finanzgruppe DSGV (1,135 Mrd. €). Zusätzlich gibt es vom Land Niedersachsen sogenannte »kapitalentlastende« Hilfen in Höhe von weiteren 800 Mio. €. Dieser Kapitalplan unterliegt allerdings noch einer beihilferechtlichen Prüfung durch die EU-Kommission.


Krischan Förster