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Trotz spektakulärer und tragischer Havarien in den vergangenen Monaten ist die Zahl der Totalverluste in der Schifffahrt auf ein historisches Tief gesunken.[ds_preview]

Im vergangenen Jahr habe es weltweit 46 Totalverluste von großen Schiffen (>100 BRZ) gegeben. Das entspricht einem Rückgang von 55 % gegenüber dem Zehnjahresdurchschnitt, schreibt die Alli[ds_preview]anz Global Corporate & Specialty SE (AGCS) in ihrem jüngsten »Safety And Shipping Review 2019«. Zu diesem Rückgang beigetragen hätten insbesondere deutlich niedrigere Verluste im globalen Unfall-Hotspot Südostasien sowie eine ruhigere Hurrikan- und Taifun-Saison.

Die Gesamtzahl der Schäden (2.698, –1%) blieb dagegen nahezu konstant. Maschinenschäden – wie jüngst beim Kreuzfahrtschiff »MSC Opera« in Venedig – führen weiterhin die Statistik an und kosteten die Schiffsversicherer in den vergangenen fünf Jahren fast 900 Mio. €. Motorenprobleme sind für mehr als ein Drittel der insgesamt über 26.000 Vorfälle des letzten Jahrzehnts verantwortlich und traten zum Beispiel mehr als doppelt so häufig auf wie Schiffskollisionen. Die Zahl von Bränden an Bord nimmt hingegen weiter zu.

»Dass wir insgesamt eine beispiellos niedrige Zahl von Schiffsverlusten zu verzeichnen hatten, ist zum einen Zufall, zum anderen zeigt es eine größere Verlässlichkeit der langfristigen Sicherheitsverbesserungen in der internationalen Schifffahrt«, sagt Volker Dierks, Head of Marine in Zentral- und Osteuropa bei AGCS. Auch Verbesserungen im Schiffsdesign, technische Vorkehrungen, strengere Vorschriften und robustere Systeme für das Sicherheitsmanagement an Bord hätten die Zahl der Pannen und Unfälle reduziert.

Süostasien bleibt der Hotspot

Die meisten Verluste treten nach wie vor in den Gewässern Südchinas, Indochinas, Indonesiens und der Philippinen auf. 2018 wurde jeder vierte Totalverlust aus dieser Weltregion gemeldet. An zweiter und dritter Stelle stehen das östliche Mittelmeer und das Schwarze Meer sowie die Gewässer rund um die Britischen Inseln.

Brände verursachen große Schäden

Brände an Bord nehmen weiter zu (174 Fälle gegenüber 164 in 2017). Dieser Trend hat sich im laufenden Jahr fortgesetzt. Zuletzt hatten unter anderem die Containerschiffe »Yantian Express« (Hapag-Lloyd) und »E.R. Kobe« (Zeaborn) Feuer gefangen, der ConRo-Carrier »Grande America« (Grimaldi) war nach einem Brand an Bord in der Biscaya gesunken, auf dem Car Carrier »Sincerity Ace« (MOL) starben vor Hawaii fünf Seeleute.

Vermutlich gehe eine Reihe von Bränden auf hoher See auf falsch deklarierte Ladung und unter anderem auf inkorrekt verpackte und etikettierte gefährliche Güter zurück, schreiben die Allianz-Experten. Zudem könne eine effektive Brandbekämpfung auf hoher See oftmals nur mithilfe umfassender Unterstützung von außen erfolgen. Bis diese eintreffe, entstehe am Schiff oft ein hoher Sachschaden.

IMO 2020 als Herausforderung

Die ab Januar 2020 geltenden neuen Obergrenzen für den Ausstoß von Schwefeldioxid (IMO 2020) dürften weitreichende Konsequenzen für Kostenstruktur, Compliance und Crews haben, heißt es bei AGCS. Die Betreiber großer Häfen in aller Welt erwägen sogar, sogenannte »Sniffer Drones«, also »fliegende Spürhunde« einzusetzen, um Umweltsünder ausfindig zu machen. Reeder, die aus Kostengründen keine schwefelarmen Kraftstoffe verwenden, haben mit empfindlichen Strafen zu rechnen.

»Bis zur Umsetzung bleibt nur noch wenig Zeit, während es gleichzeitig nach wie vor an internationalen Standards fehlt«, warnt der Allianz-Experte Justus Heinrich. Die Versicherer befürchten nun, dass durch die Einführung der neuen Kraftstoffe die Zahl der Versicherungsfälle aufgrund von Maschinenschäden ansteigen könnte. Außerdem bestehe die Gefahr, dass es im Schiffsverkehr zu Störungen und Verzögerungen kommt, wenn in den Häfen kein vorschriftenkonformer Kraftstoff zur Verfügung stehe.

Veränderte Sicherheitslage

Risiken gehen auch von einer veränderten Sicherheitslage aus: Territorialstreitigkeiten, Cyber-Angriffe, Sanktionen, Piraterie und auch Sabotage entwickelten sich zur wachsenden Bedrohung für die Seefahrt, den Handel und die Lieferketten. Der jüngste Angriff auf einen Öltanker im Hafen von Fujairah (Oman) habe dies deutlich gezeigt. Auch die steigende Zahl von Migranten auf hoher See und von blinden Passagieren auf Handelsschiffen hat schwerwiegende Konsequenzen für Schiffseigentümer. Verzögerungen, Umwege und Besatzungen unter erhöhtem Druck sind die Folgen. 2018 wurden zudem über 200 Fälle von Piraterie registriert; hier sind die Gewässer Nigerias derzeit am gefährlichsten.

Größere Gefahren bei größeren Schiffen

Die Containertransportkapazität hat sich innerhalb eines Jahrzehnts fast verdoppelt. Bei einem Worst-Case-Szenario eines Totalverlusts nach der Kollision von zwei großen Containerschiffen oder eines Containerfrachters mit einem Kreuzfahrtschiff, könnte zu einer Schadensumme  von 4 Mrd. $ führen. Daten der Nordic Association of Marine Insurers (Cefor) zeigen auf, dass schon heute nur 1% aller Vorfälle rund 30% der Schadenkosten verursachen.

Die AGCS liefert Versicherungsleistungen im Bereich der globalen Logistik und Schifffahrt für alle Arten von Seefahrtsrisiken, für einzelne Schiffe oder Frachten ebenso wie für hochkomplexe Flotten und multinationale Logistikunternehmen. 2018 deckte die Sparte Marine 11% des gesamten Prämienvolumens der AGCS in Höhe von 8,2 Mrd. € ab.