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Während die Buchungslage für Reparatur- und Umbauwerften in den letzten Jahren mau war, wendet sich das Blatt nun dank aktuellen Entwicklungen wie IMO 2020. Die Nachfrage ist so hoch, dass die krisengeplagten Werften teils Kapazitätsengpässe erleben, schreibt Felix Selzer

Schon 2018 hatten Marktbeobachter von einem Silberstreif am Horizont gesprochen. Je nach geographischer Lage waren Reparatur- und Umbauwerften gut gebucht[ds_preview]. Rege Aktivität am Markt für Secondhand-Tonnage hatte für außerplanmäßige Dockungen gesorgt, außerdem hatten vor allem internationale Reedereien fristgerecht Ballastwassersysteme einbauen lassen, das alles sorgte für Beschäftigung. Nach Aussage von Christof Gross, Geschäftsführer der Werftvertretung Germania Shipyard Agency, hat sich der Trend mittlerweile verstetigt: »Die massive Nachfrage nach Werftplätzen zum Einbau von Scrubbern sorgt bei den Werften vor allem in China für volle Auftragsbücher bis ins Jahr 2020. Eine ähnliche Situation hatten wir zuletzt in den Jahren 2007 und 2008. Gerade für Schiffe größer als die ›alten‹ Panamax-Abmessungen wird es zurzeit schon schwierig Dockplätze in China zu bekommen.« Laut Dieter Gast, Geschäftsführer von Peter Gast Shipping, sind für die gute die Buchungslage für 2019 und 2020 vor allem Blockbuchungen einiger Reedereien speziell aus Skandinavien und Griechenland für den Einbau von Scrubbern verantwortlich. 

Wider Erwarten sei selbst das 1. Quartal 2019 bei vielen Werften gut gewesen, berichtet Christian Schneider, Geschäftsführer der Werftvertretung Zoepffel & Schneider. Daran habe selbst die unbeliebte Periode Januar-März sowie das chinesische Neujahrsfest nichts ändern können. Normalerweise seien die chinesischen Werften in dieser Zeit bis zu sechs Wochen nicht nutzbar, weil fast alle Arbeiter in ihre Heimatstädte reisten. Zudem seien nach dem Neujahrsfest bei den meisten Werften ca. 70% der Arbeiter neu und müssten angelernt oder eingearbeitet werden.

Auslastung führt zu Verlagerung

Wegen der Situation in China beobachten die Experten bereits eine Verlagerung von Dockungen in andere Regionen wie Singapur, Persischer Golf und östliches Mittelmeer. Doch auch hier seien die Werften deutlich besser ausgelastet als noch im Vorjahr. Die Folge sind Preissteigerungen und Personalmangel. »Nach zehn Jahren im Krisenmodus fällt es den Werften zunehmend schwer den Nachfragepeak zu bedienen«, sagt Gross.

Angesichts steigender Bunkerpreise wird die ein Ausweichen in günstigere Gegenden für die Reeder zwar unattraktiver. Allerdings werde versucht, die Schiffe entsprechend zu positionieren, beispielsweise durch Zwischenreisen oder mit einer Ladung Leercontainer, berichtet Gast. Aufgrund der immer noch unbefriedigenden Einnahmesituation finden die meisten Dockungen immer noch in Fernost oder dem östlichen Mittelmeer statt. »Daran wird sich kurzfristig auch nichts ändern. Die Reeder sind versucht, durch Absprachen mit dem Charterer sicherzustellen, dass die Schiffe zur Dockung auch in diesen Regionen zurückgeliefert werden«, erklärt Gross.

Einige Reedereien oder Charterer glauben laut Schneider tatsächlich an eine so große Preisdifferenz der Treibstoffe ab 2020, dass sie auch in teurere Werften ausweichen. »Ein anderer Aspekt sind aber auch Qualität, Zuverlässigkeit und eine möglichst kurze Umbauzeit. Chinesische Werften neigen zu Überbuchungen, die oftmals zu Verzögerungen und Qualitätsproblemen führen. Erstklassige Werften kann man in China an einer Hand abzählen und alle anderen Werften, die dann noch übrig bleiben (und auch ausgebucht sind), bringen ein gewisses Risiko mit sich«, sagt Schneider.

Die Reedereien, die sich zeitig für Nachrüstungen entschieden haben, sind bewusst früh an die Werften herangetreten und haben sich Werftplätze bis März/April 2020 gesichert. »Wir erwarten aber auch seitens der Zulieferer (Scrubber-Hersteller, Design- und Engineering-Firmen) Engpässe, sodass sich einige Nachrüstungen vermutlich auch noch weiter nach hinten schieben und nicht im geplanten Zeitfenster durchgeführt werden«, berichtet Schneider.

Nichtsdestotrotz gebe es für normale Dockungen und Reparaturen, die keine Nachrüstungen erfordern, freie Dockplätze. »Man darf nicht vergessen, dass ein Scrubber-Retrofit zwischen 25 und 45 Tagen dauert, je nach System und Schiff. Die Schiffe belegen während dieser Zeit das Dock im Regelfall aber nur für sechs bis zehn Tage. Engpässe gibt es daher meistens bei den Liegeplätzen, den für solche Arbeiten geschulten Teams und den benötigten Kränen«, so der Chef von Zoepffel & Schneider. Viele Werften könnten auch nur zwei bis drei Scrubber-Projekte parallel abarbeiten, weil ihnen für mehr Projekte die notwendigen Ressourcen fehlten.

Ende der Rabattschlacht

Während die Krisenjahre von einer Rabattschlacht am Reparatur- und Umbaumarkt geprägt waren, werden die Sonderkonditionen zurzeit wieder deutlich weniger, »der Markt verschiebt sich momentan massiv zugunsten der Werften«, berichtet Christof Gross. Diese hätten allerdings mit rasant steigenden Arbeitskosten zu kämpfen. Dieter Gast erwartet, dass es in der zweiten Hälfte 2019 aufgrund der starken Auslastung der Werften speziell in der Türkei und in China Preissteigerungen geben wird. Das gilt offenbar vor allem für die boomenden Nachrüstungen bestimmter Technologien wie Scrubber. Die Werften, die in diesem Geschäft erfolgreich und praktisch ausgebucht sind, geben laut Christian Schneider momentan keine Rabatte, weil sie die »Lückenfüller« aussuchen können. »Die anderen Werften müssen sich natürlich um die normalen Projekte bemühen und geben auch – je nach Buchungslage – entsprechende Rabatte. Aber generell kann man sagen, dass sich das Preisniveau nach oben bewegt hat.«

Wegen der vielen 2015 vorgezogenen Werftaufenthalte erwartet Schneider eine große Überlappung von Dockungen, BWTS- und Scrubber-Retrofits, die zu »enormen Engpässen und Preisanstiegen« führen werden. Er rate, sich möglichst früh die Karten zu legen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt Dockplätze zu buchen oder zumindest zu reservieren. »Es wird ein noch hektischeres Jahr als wir es 2015 bereits erlebt haben. Der Run auf die Dockslots wird in Kürze beginnen.«

»Ab Juni kommt der Boom«

»Das 1. Quartal war bei fast allen Werften gut und lag über den Erwartungen. Wir können sehen, dass das 2. Quartal etwas ruhiger ist und einige Werften sehr rührig waren, um die Docks zu füllen. Andererseits ist es auch ein bisschen die Ruhe vor dem großen Sturm, denn ab Juni beginnt der große Boom mit dem Scrubber-Einbau«, sagt Schneider. Ab Mitte Juni 2019 bis Ende März 2020 seien viele Werften, insbesondere in China, fast lückenlos ausgebucht. »Es wurden angeblich ca. 1.500 Scrubber-Nachrüstungen fest platziert«, berichtet er. Als besonders schwierig sei es, die Anlieferung der Teile mit dem gebuchten Slot in den Werften zu koordinieren, sagt Dieter Gast.

Dabei war im Bereich Scrubber lange keine große Nachfrage zu verzeichnen. Erst die Entscheidung einiger großen Linienreedereien Anfang 2018 habe zu einem wahren Boom bei den Scrubber-Bestellungen geführt, sagt Christof Gross. »Die etablierten Hersteller sind bis ins Jahr 2020 ausverkauft, was neuen unerfahrenen Herstellern, in erster Linie aus Fernost, den Marktzugang ermöglicht.« Im 2. Quartal 2018 seien allein in Deutschland etwa 150 Anlagen verkauft worden. »Es ist an den Problemen in der Auftragsabarbeitung deutlich festzustellen, dass dieser unerwartete Boom die Reedereien, die Zulieferindustrie, die Werften und nicht zuletzt die benötigten Dienstleister an die Leistungsgrenze führt«, sagt Gross. Nun sehe es so aus, als würden erst einmal die bestehenden Aufträge abgearbeitet und die Entwicklung der Brennstoffpreise nach 2020 abgewartet.

Deutsche Reedereien und Manager setzen bisher nur vereinzelt auf den Einbau von Scrubbern. Dieter Gast verweist vor allem auf Hapag-Lloyd und Oldendorff Carriers, die sich beide auf zwei Werften in China konzentrieren. Christian Schneider erklärt: »Diese große Investition macht natürlich nur für Unternehmen Sinn, die auch von den möglichen Ersparnissen profitieren – und das sind bei deutschen Reedereien (mit wenigen Ausnahmen) die Charterer. Daher werden diese Nachrüstungen eigentlich nur getätigt, wenn der Charterer diese bezahlt oder es durch höhere Charterraten finanziert werden kann.« Die Meinungen zur Preisdifferenz zwischen den Kraftstoffen nach 2020 gingen weit auseinander, so Schneider. Hinzu komme, dass der Einsatz von Open-Loop-Scrubbern schon von vielen Ländern für deren Gewässer verboten worden sei. Die Investition für Hybrid- oder Closed-Loop-Scrubber sei wesentlich höher und es stelle sich die Frage, wie schnell sich diese höhere Investition zurückzahle.

»Viele Kunden, die sich bislang nicht entscheiden konnten oder wollten, kommen mittlerweile ins Zweifeln. Durch die Verunsicherung nehmen die Anfragen derzeit ein wenig ab. Wir haben auch schon von vereinzelten Stornierungen gehört. Man muss aber dabei bedenken, dass wir über Projekte ab März 2020 sprechen. Bis dahin sind die chinesischen Werften mehr oder minder mit Scrubber-Retrofits ausgebucht«, sagt Schneider. Diese Projekte sind sehr Mannstunden-intensiv und daher finden die meisten Nachrüstungen in China, im Schwarzmeerraum (Türkei, Rumänien, Bulgarien), im Nahen Osten (Dubai, Oman, Bahrain) und in der Ostsee statt. »Buchungen wurden natürlich auch in teureren Gebieten getätigt, aber diese repräsentieren wirklich nur einen kleinen Bruchteil dessen, was weltweit gebucht wurde«, erklärt er.

BWTS-Retrofit ist Tagesgeschäft

Alternative Antriebe oder LNG sind derzeit kein großes Thema für den Umbaumarkt. Laut Gross wird nur an einigen wenigen Projekten zur LNG-Umrüstung, in erster Linie bei Kreuzfahrtschiffen und Fähren, gearbeitet. Das Interesse sei im Passagiersegment sehr groß, weiß Dieter Gast. Bei Handelsschiffen gebe es nur vereinzelte Pilotprojekte. »Aufgrund der hohen Kosten, bei einem Postpanamax-Containerschiff über 30Mio. $ in Fernost, wird es bei vereinzelten Projekten bleiben. Im Neubaubereich sieht es aufgrund der vereinfachten Integration ins Schiff deutlich besser für LNG oder alternative Brennstoffe aus«, sagt Groß. Insbesondere würden hier schon oft Maschinen verbaut, die später mit wenig Aufwand auf Hybrid umgestellt werden könnten, berichtet auch Schneider.

Dagegen tut sich bei der Nachrüstung von Ballastwasseranlagen nun deutlich mehr. »Die anfänglichen Sorgen haben sich bei den meisten Reedereien gelegt. Mittlerweile gehört die Nachrüstung von Ballastwasserbehandlungsanlagen fast schon zum Tagesgeschäft. Einigen Reedereien ist die Zulassung der US Coast Guard wichtig, anderen wiederum nicht, weil deren Schiffstypen sowieso in anderen Fahrtgebieten beschäftigt sind und bleiben werden«, erklärt Schneider.

Die meisten Schiffe wurden bereits 2015 gedockt, um die Nachrüstung fünf Jahre aufschieben zu können. Daher rechnen die Experten damit, dass 2020 sehr viele Anlagen verbaut werden. »Allerdings haben viele Reedereien auch das IOPP-Zertifikat entkoppelt, Verlängerungen beantragt (und genehmigt bekommen), so dass einige Schiffe auch erst 2021-2022 nachgerüstet werden«, so Schneider. Ein paar wenige Schiffe seien dann bereits zu alt für die Nachrüstung. Installationen nähmen bei Schiffen bis zu einem Alter von zehn Jahren deutlich zu, sagt Gross: »Durch die gewonnenen Erfahrungen sind diese Projekte einfach in die normale Dockzeit zu integrieren. Die Kosten sind im Vergleich zu ersten Annahmen vor drei bis vier Jahren auch deutlich gesunken.« Wie Gast erklärt, organisieren einige Reedereien die Vorinstallationen im laufenden Betrieb und führen lediglich die finale Installation und Inbetriebnahme während des Werftaufenthalts durch. Es gebe Werften, die auch mobile Teams anböten, allerdings halte sich dies in Grenzen und es gebe Firmen, die sich auf diese Jobs spezialisierten. »Auf einigen Werften ist es auch gelungen, zusammen mit deren Neubauabteilungen, Turnkey-Pakete für größere Umbauten zu schnüren«, berichtet Gross, das gelte aber insbesondere für Scrubber und beinhalte 3D-Messungen, Erstellung der Zeichnungen, Integration in die bestehenden Schiffsysteme, die Vorfertigung der Sektion mit dem eigentlichen Scrubber, die Installation und zusammen mit dem Hersteller dann die Inbetriebnahme. Laut Schneider sind Vorarbeiten durch mitfahrende Teams insbesondere bei Ballastwasseranlagen üblich, diese kämen aber nur in den seltensten Fällen von der Werft.
Felix Selzer