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Die deutschen Werften sehen sich trotz einigen Herausforderungen »auf Kurs«. Im harten Wettbewerb mit China fordern die Schiffbauer mehr politisches Engagement und einen europäischen Kurs

Der deutschen Schiffbauindustrie gelingt es großteils Teil gut, sich von den schwierigen Bedingungen im Weltmarkt mit schrumpfender Auftragsdecke durch Konzentration[ds_preview] auf High-End-Nischenmärkte abzukoppeln. In sieben der letzten acht Jahre wurden laut aktueller Zahlen des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) in Deutschland mehr Aufträge akquiriert als abgeliefert.

Das Auftragsbuch hat sich dem VSM-Jahresbericht zufolge seit 2010 fast verdreifacht und steht nach 19 Neubestellungen im Jahr 2018 nun bei 58 Seeschiffen bei einem Wert von 20Mrd. € (Vorjahr 17,7Mrd. €). Order aus dem Ausland haben daran mit einem Wert von 19,75Mrd. € einen Anteil von 98,1%, deutsche Bestellungen belaufen sich auf 378Mio. €.

Die Auftragseingänge beinhalten Kreuzfahrtschiffe und Megayachten, sowie Fähren und Spezialschiffe. Das Auftragsbuch wird außerdem ergänzt durch RoRo-Schiffe sowie Arbeits- und Behördenschiffe. Die Bestellungen kamen auch 2018 überwiegend von ausländischen Kunden, neu gebucht wurden von diesen Aufträge im Wert von 4,39Mrd. €, aus dem Inland gab es Bestellungen über 51Mio. €.

Inlandsbestellungen an kommerziellen Seeschiffen machten, wie auch schon in den vergangenen Jahren, nur einen geringen Anteil von weniger als 2% aus. 2018 wurden zwölf Schiffe abgeliefert, 2016 waren es 13, 2017 22 Einheiten – alles kein Vergleich zu 2008, als 85 Schiffe abgeliefert worden waren.

Die Werften haben angesichts der guten Auftragslage ihre Belegschaften um insgesamt 8% aufgestockt. Einige Unternehmen seien gar an der Kapazitätsgrenze, was Fachkräfte bei Werften und Zulieferern angehe, so VSM-Präsident Harald Fassmer. Auch der VSM beobachtet einen Mangel an Fachkräften, schon heute könne man beobachten, dass bei Werften und Zulieferern teil über 50% der Mitarbeiter aus Osteuropa kämen. »Das ist schon extrem, trotzdem reicht es nicht«, so die VSM-Spitze.

Dank der guten Nachfrage und den anhaltenden Neubestellungen in spezialisierten Nischenmärkten wächst der europäische Auftragsbestand laut VSM zum sechsten Mal in Folge und erreichte Ende 2018 12,3Mio. CGT. Insgesamt 187 Schiffe mit 3,6Mio. CGT wurden 2018 bei europäischen Werften bestellt, während der Gesamtinvestitionswert der neuen Aufträge in diesem Zeitraum rund 20% der globalen Investitionen ausmachte. Das europäische Produktionsvolumen ist im mehrjährigen Durchschnitt heute allerdings nur noch halb so groß wie vor zehn Jahren.

Damit stehen die deutschen Werften im Vergleich mit dem Weltweiten Lagebild gut da. Denn insgesamt wird global derzeit weniger bestellt als produziert, die Produktion liegt um 40% unter dem Spitzenwert von 2010. Die globalen Auftragseingänge 2018 überstiegen mit 29Mio. CGT zwar das 30-jährige Rekordtief von 2016 um ein Vielfaches, trotzdem bleiben sie immer noch rund 10% hinter den weltweiten Ablieferungen von 32Mio. CGT

Die Zahl der aktiven Werften hat sich global seit 2009 von 1.000 auf 330 verringert, »einige Arbeiten an den letzten Aufträgen,« sagt Fassmer. 127 der noch aktiven Werften konnten in 24 Monaten keinen Auftragseingang verzeichnen, 150 steht die Ablieferung ihres bisher letzten Auftrags bis Ende 2019 bevor. Unter den großen Schiffbaunationen nahm die Zahl aktiver chinesischer Werften am stärksten ab. Dabei traf es vorwiegend unabhängige Werften, die weniger Unterstützung von staatlichen Eigentümern erhielten. Nun konzentriere sich das meiste auf Großkonzerne, wobei die asiatischen Wettbewerber den Markt teils mit Dumping-Preisen attackierten, sagt Fassmer. So lag der Newbuilding-Price-Index von Clarkson Research Ende 2018 bei 130 Punkten (178 Punkte im Jahr 2008) und verharrt damit das zehnte Jahr infolge auf dem niedrigen Niveau von 2003. »Der Druck im Kessel steigt«, umschreibt der VSM-Präsident die Situation.

Zur zunehmenden Herausforderung werden die Aktivitäten asiatischer Wettbewerber, die aus dem Containerschiffbau kommen und nun in Nischen- und Spezialschiffsmärkte vorstoßen, in denen viele deutschen Werften aktiv sind. Hier fordert der Verband mehr politisches Engagement, auch auf europäischer Ebene. »Es ist gut, dass jetzt endlich nicht nur über die Chancen in China geredet wird, sondern auch von dem Systemrivalen. Neue Fährschiffe für die Ostsee werden zurzeit nur noch in China bestellt, weil dort dank großzügiger Unterstützung der Regierung mal wieder Fantasiepreise angeboten werden. Seit Jahrzehnten erleben wir solche Marktverzerrungen ohne Gegenmittel. Das muss sich ändern«, sagt VSM-Hauptgeschäftsführer Reinhard Lüken.

Es gebe je nach Situation und Auftrag Preisunterschiede von bis zu 30% zwischen den deutschen und chinesischen Werften, dazu spiele die Finanzierung eine immer größere Rolle, so Lüken. »Die Chinesen machen attraktive Angebote, teilweise mit 100-%- Finanzierung. Das kann in Europa niemand darstellen.« Die unterschiedlichen Lohnkosten seien im Wettbewerb mit China heute nicht mehr das große Thema, politische Entscheidungen seien viel wichtiger.

Angesichts des gescheiterten Versuchs der OECD, ein Schiffbauabkommen auf den Weg zu bringen, und weil sich die Instrumente der WTO aufgrund sektorspezifischer Bedingungen als ungeeignet erwiesen haben, wird der VSM nicht müde, die zentrale Bedeutung europäischer Politik für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Schiffbauindustrie hinzuweisen. Es sei an der Zeit, dass Europa auch beim Rest der Welt konsequent auftrete, so VSM-Präsident Fassmer. Hinsichtlich der als notwendig erachteten Strategie im Umgang mit China ist an beim VSM auf einer Linie mit den europäischen Wettbewerbern. »In der Industrie passt kein Blatt zwischen uns«, sagt Lüken. Dabei seien beispielsweise die Italiener in ihrer Sicht der Dinge noch deutlich strenger als die deutschen Schiffbauer.

Sorgen bereiten den deutschen Schiffbauern die nach wie vor bestehenden Werftüberkapazitäten im Weltmarkt. Zwar hat in Deutschland und Europa die Branche den Strukturwandel aus Fassmers Sicht bereits »erfolgreich bewältigt«. Ab jetzt heiße es, wertvolle Fähigkeiten nicht weiter zu verlieren.

Wenn nun andere unter Zuhilfenahme staatlicher Möglichkeiten in die »gesunden Nischen« der Europäer drängten, hätten mittelständische Privatunternehmen in Deutschland keine Chance. Dafür gebe es durchaus Instrumente wie Förderprogramme, nur müsse sichergestellt sein, dass beispielsweise ein gefördertes LNG-Bauprojekt dann nicht an eine ausländische Werft und ausländische Zulieferer gehe. »Es gibt viele Hausarbeiten, die wir in Berlin zu erledigen haben, aber keine der zentralen Fragen schaffen wir langfristig allein. Dafür müssen wir gemeinsam an einem Strang ziehen«, so Fassmer weiter.

Um im internationalen Wettbewerb wieder zu normalen Verhältnissen zu gelangen, sei aber die Preisdisziplin noch viel wichtiger als die Subventionsdisziplin. Asiatische Großwerften hätten teils über zehn oder gar 15 Jahre nicht kostendeckend gewirtschaftet und einen Schuldenberg aufgehäuft, der sie dann »too big to fail« gemacht habe.

Was den Marineschiffbau angeht, wünscht sich der Verband eine bessere Zusammenarbeit zwischen Beschaffer und Industrie. »Geostrategisch nimmt die maritime Dimension an Bedeutung zu, ich weiß aber nicht, ob das schon zu allen durchgedrungen ist«, sagt Lüken. Zwar gebe es bei der deutschen Marine großen Erneuerungsbedarf in der Flotte, aber die langfristige Flottenplanung nütze nichts, weil keine Finanzierung dahinter stehe. Auch die Beschaffungsverfahren kritisiert er. Die Entscheidungswege seien zu lang, der Apparat ausufernd, es mangele an Vertrauen. »Wir brauchen ein Miteinander und kein Gegeneinander«, so Lüken. Im jetzigen System herrsche viel Misstrauen und die Rüstungsindustrie stehe in öffentlichen Debatten oft als »Inkarnation des Bösen« da. In diesem Zusammenhang sieht der Verband auch die Notwendigkeit einer europäischen Linie in Sachen Rüstungsexportkontrolle. Es könne nicht sein, dass eine deutsche Sonderposition bedeute, dass Deutschland als Partner bei Kooperationsprojekten als nicht mehr zuverlässig angesehen werde. »Wir brauchen europäische Prozesse«, so Lüken.

Während die deutschen Schiffbauer für das laufende Jahr und die Zukunft durchaus positive Signale sehen, gibt die Lage des Welthandels dennoch Grund, mit insgesamt niedrigeren Wachstumsraten zu rechnen, so Fassmer: »Die Globalisierung verliert an Schwung, Warenströme verändern sich und der Schiffbau muss sich darauf einstellen.« Es gehe bei diesem Ausblick nicht um aktuelle Entwicklungen wie etwa die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA, China und Europa, sondern um strukturelle Veränderungen. Zudem habe die Schifffahrt Jahrzehnte lang von immer weiter sinkenden Transportkosten profitiert. »Nun ist der Peak erreicht. 2020 steigen die Kraftstoffkosten und die Seetransportkosten werden künftig eher steigen als fallen«, sagt Fassmer. Das geschehe zu Recht, die maritime Branche habe hier technisch einigen Nachholbedarf. Dazu komme die Tonnageüberkapazität in den meisten Schifffahrtssegmenten.