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Der deutsche Hersteller Becker Marine Systems will mit seinem Batteriesystem »Cobra«

am Elektro-Schub in der Schifffahrt teilhaben. Ein wichtiges Zwischenziel steht kurz bevor. Von Michael Meyer

Die Batterie-Sparte soll neben den Rudern, »Mewis Duct«-Propellerdüsen und LNG-Modulen ein weiteres wichtiges Standbein des in Harburg[ds_preview] ansässigen Unternehmens werden. »Cobra« war dafür bereits vor einigen Jahren entwickelt und vorgestellt worden.

Seit eineinhalb Jahren fährt das Wattentaxi »Liinsand« mit der Cobra-Technologie, auch in den »PowerPacs« von Becker ist es integriert.

Der ganz große Durchbruch blieb bislang allerdings aus, und das nicht nur angesichts der Konkurrenz von Branchengrößen wie Corvus Energy aus Kanada. Ein wichtiger Schritt fehlte, soll nun aber kurzfristig getan werden, wie Geschäftsführer Dirk Lehmann der HANSA bestätigt: »Wir warten noch auf eine Zulassung, arbeiten aber derzeit mit zwei Klassifikationsgesellschaften intensiv daran.« Schon im Sommer, nach der Branchenmesse »Electric & Hybrid Marine World Expo«, soll es soweit sein.

Die Vorbereitungen für das Type Approval nahmen einige Zeit in Anspruch, laut Lehmann vor allem wegen neuer regulatorischer Anforderungen für alle Hersteller. So hatte die norwegische Schifffahrtsbehörde NMA die Brandschutzbestimmungen geändert. »Das ist gut für die Technologie, aber dadurch mussten auch wir nochmal nachlegen«, so Lehmann. Nach der Zulassung sei man dann aber auf dem neuestem Stand.

Fokus auf passiven Brandschutz

Bislang gibt es meist eine Kombination aus passivem und aktivem Brandschutz, sprich das Hinzuführen von Löschwasser. Durch die neuen Anforderungen setzen die Harburger nun stärker auf den passiven Brandschutz, also die Vermeidung von Bränden. Dabei wird der sogenannte »Thermal Runaway« verhindert, die Batteriezelle geht nicht durch und kann entsprechend keine anderen Zellen »anstecken«. Es gibt Schutzvorkehrungen innerhalb der Konfiguration, mit denen die Energie, die eine solche Zelle mitbringt, absorbieren.

Lehmann sieht Cobra damit auf einem innovativen Weg, weil eine andere Zelltechnologie verwendet und vergleichsweise weniger und leichteres Material um die Zellen gelegt wird. Mit Partner-Instituten wurde dieses System neu entwickelt.

Produziert werden die Cobra-Elemente in einer eigens gebauten Fabrik in Winsen an der Luhe. Die Zellen kommen aus Garching, wo eine Serienfertigung für Straßenfahrzeuge läuft. Die »Marinisierung« soll mittelfristig jedoch im Norden stattfinden.

Als Einstieg haben Lehmann und seine Partner den Um- und Neubaumarkt für kleine Schiffe im Blick, also küstennahe oder Hafenprojekte sowie Binnenschiffe: »Wir sind noch nicht so weit, dass wir im Megawattstunden-Bereich sehr große Fährprojekte ausrollen können«. Chancen dürften sich auch durch lokale oder regionale Entwicklungen ergeben, wie Emissionsvorgaben in den norwegischen Fjorden, in US-Gewässern oder in speziellen Schutzzonen in China.

Zudem setzt der Geschäftsführer große Hoffnungen in das Thema »Hybrid«. In den nächsten fünf Jahren werden seiner Meinung nach immer irgendwo Batterien verbaut werden, sei es für Peak Shaving, die Regelleistung (Spinning Reserve) oder den Bugstrahler-Antrieb. »Das wird in verschiedenen Anwendungen mehr und mehr Standard werden. Nicht unbedingt für die Hauptpropulsion, aber für Hilfsanlagen, und immer in Kombination mit anderen Elementen«, so Lehmann.

Er sieht Batterien als Teil von Hybrid-Lösungen und arbeitet nach eigener Aussage mit Partnern bereits daran, ein integriertes System zu entwickeln, bestehend aus Batterien und einem »grünen Kraftstoff«. Eine Möglichkeit sei der Schritt zur Integration von Brennstoffzellen, er hat Erfahrungen im Lkw-Markt gesammelt: »Da wird man noch von uns hören in den nächsten Jahren.«

Gesamtkonzept vor Aktionismus

In welcher Konstellation welche Technologien kombiniert werden, hängt immer vom Einzelfall ab. Dieser sollte im Vorfeld einer Entscheidung genau geprüft werden. Über den Gesamtumweltaspekt müsse man sich ebenfalls Gedanken machen: »Welchen Umweltaspekt haben Schiffe wirklich, von der Erzeugung bis zur Entsorgung? Batterien sind ein Speicher von elektrischer Energie, kein Erzeuger. Das heißt, irgendwie muss die Energie rein und sie kommt leider mit Verlusten wieder raus. Zudem haben sie lediglich eine begrenzte Haltbarkeit von zehn Jahren, wenn es gut läuft. Darüber muss man sich Gedanken machen und in die Kostenstruktur einbeziehen. Dann wird man merken, dass das emissionsfreie Fahren nicht billiger sein kann als das emittierende«, sagt der Chef von Becker Marine Systems.

An ein reines Batterieschiff glaubt er nicht, weil es an Bord immer thermischen Bedarf gibt, zum klimatisieren oder heizen: »Diesen Bedarf elektrisch abzudecken ist sehr teuer. Das sieht man bei E-Fahrzeugen, die Reichweite steht und fällt ganz enorm mit der Heiz- und Kühlleistung. Wie stelle ich das also an Bord dar? Das sollte man nicht mit Strom machen, sondern dafür sollte man sich einen sauberen Kraftstoff nehmen.« Peak Shaving kann seiner Ansicht nach interessant sein, je nachdem, wie die Rechnung aufgeht.

Lehmann rechnet nicht mit, dass sich Batterien gegenüber der momentan verfügbaren Lithium-Ionen-Technik drastisch vergünstigen werden: »Die Kosten für einzelne Zellen werden runtergehen. Aber das gesamte System – also das Zusammenführen von Zellen, verknüpft mit Batteriemanagementsystemen, Kühlung, Lüftung etc. – wird nicht viel billiger werden.« Zudem gebe es gerade im maritimen Markt hohe Sicherheitsanforderungen, deren Einhaltung Kosten verursacht: »Im Moment können Sie eine KWh Lithium-Ionen-Energie als reine Zelle für rund 250€ in guter Qualität kaufen. Verknüpft zu einem maritimen System mit all den Sicherheitsanforderungen, wie Vibration, Brandschutz etc., kommt man schnell auf 800€. Dieser Zusatzaufwand bleibt auch dann gleich, wenn die Zellen günstiger werden.«

Kooperationen denkbar

Eine Option zur Weiterentwicklung ist für viele Unternehmen eine Form der Kooperation. Auch bei Becker Marine Systems will man sich dem nicht verschließen. Man rede mit Wettbewerbern und sei offen für alles, sieht sich aber mit der kompakten Lösung und anderen Zelltechnologien prinzipiell gut aufgestellt. »Aber wir verwehren uns keiner Kooperation. Denn ganz alleine auf der Welt kann man heute nicht mehr arbeiten.« Das müsse man auch nicht, es gebe schließlich viele interessante Ansätze, über die man sprechen könne, egal »ob projektbezogen oder generell, da sind wir immer offen«, so Lehmann.


Michael Meyer