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Im Juli ist die fünfjährige Übergangsfrist für Reeder abgelaufen, ihre Seitenboote zu modifizieren, um die Sicherheit an Bord zu erhöhen. Von Thomas Wägener

In der Vergangenheit ist es zu zahlreichen Unfällen mit Seitenbooten gekommen, bei denen Personen verletzt, manche sogar getötet wurden. Probleme[ds_preview] gab es insbesondere beim Aussetzen und Einholen der Rettungsmittel. So löste eine fehlerhafte Bedienung, die häufig auf eine unzureichende Befestigung zurückzuführen war, Unfälle aus. Teilweise waren die Materialien der Befestigungshaken (Stahl) zu schwach, sodass sie brachen oder sich öffneten. Mangelnde oder falsche Wartung durch die Crew, die die Haken trotz Warnungen einfetten oder übermalen, waren weitere Ursachen der Probleme. Vielfach war die Verbindung zwischen Davit und Haken schlicht nicht so wie sie sein sollte. Probleme gab es insbesondere mit der Verriegelung. Dies führte vor allem beim Einholvorgang der Boote dazu, dass sie unkontrolliert herunterstürzten.

Nach Angaben der Internationale Maritime Organization (IMO) gibt es rund 160 Haken auf dem Markt. Nur etwa die Hälfte davon habe den Vorschriften entsprochen. Durch die neuen Bestimmungen würden weitere 30% nach der Modifikation Konformität erlangen, heißt es. Einige Hersteller seien aufgrund der angepassten Vorgaben inzwischen vom Markt verschwunden.

Eine der größten Herausforderungen sei die Korrosion, berichten Davit-Hersteller. Eine weitere Schwierigkeit könne darin bestehen, dass die beweglichen Teile – bei ungenügender Pflege – blockiert seien. Das könne auch die Auslösekabel betreffen, wenn beispielsweise der Bautenzug von innen korrodiert sei.

Zusätzliche Sicherungen

Wegen der Zwischenfälle in der Vergangenheit hat die IMO im Juli 2011 Änderungen am sogenannten LSA Code (Life Saving Appliances) beschlossen, mit denen die Sicherheit der Aussetz- und Einholvorrichtungen der Seitenboote zu erhöhen. Eine Vorgabe sind nun unter anderem zusätzliche Sicherungen, wie etwa Safety-Pins, deren genaue Position farblich gekennzeichnet ist. Sie befinden sich an den Stellen, an denen die Seitenboote mit dem Davit verbunden sind – also vorne und hinten. Sie blockieren den Aussetz- und Einholmechanismus, wenn die Boote nicht vorschriftsmäßig befestigt sind. Ein Herunterfallen der Rettungsboote könne somit ausgeschlossen werden, heißt es. Darüber hinaus sollen die Haken nun aus Edelstahl gefertigt sein.

Der Hersteller Viking bietet als Sicherung das sogenannte Drop-In-Ball-Hakensystem an. Die patentierte Technik stellt nach eigenen Angaben sicher, dass kein Rettungsboot unbeabsichtigt hoch über dem Meeresspiegel freigegeben werden kann. Dadurch würden Unfallrisiken bei Notfällen, Rettungsbootübungen, Schulungen und Wartungsarbeiten minimiert.

Das System für Rettungsboote mit einer Kapazität für bis zu 150 Personen ist in drei Varianten erhältlich. Viking zufolge lässt es sich bei den meisten Rettungsbooten nachrüsten und auf spezifische Anforderungen zuschneiden.

Die Entriegelung erfolgt hydraulisch, Gravitationskräfte halten den Haken geschlossen. Die Auslösung des Systems geschieht per Druckknopf und kann an beiden Enden von einer Person zurückgesetzt werden. Der kugelförmige Haken ermögliche ein einfaches und schnelles Zurücksetzen mit wenigen Handgriffen, so das Unternehmen. Das Wiedereinhängen der Boote erfolgt mit einem Einrastsystem.

Auch di-davit International-Hische hat ein neues Hakensystem im Portfolio, welches unter dem Namen Modell OHL25 läuft. Nach Angaben des Unternehmens wird es nach den neuesten SOLAS und MED-Anforderungen gefertigt. Es ist für Rettungsboote vorgesehen, die mit Hilfe von Davits auf- und abgelassen werden, sowie für Arbeitsboote und ähnliche Einheiten. Die Haken können Lasten von 2,5t (25 kN) tragen. Für eine maximale Wartungsfreundlichkeit seien Teile der Haken aus korrosionsbeständigen Materialien gefertigt, so der Hersteller.

Übergangsfrist ist abgelaufen

Von Juli 2014 bis Juli dieses Jahres hatten Reedereien insgesamt fünf Jahre Zeit, ihre Systeme zu prüfen und gegebenenfalls den Austausch aller Haken vorzunehmen, damit sie den neuen Vorgaben entsprechen. In den meisten Fällen erfolgte die Prüfung beziehungsweise der Austausch während der Trockendockung.

Der Vorgang sei durchaus mit einem gewissen Aufwand verbunden, berichten die Davit-Hersteller. In einem ersten Schritt wird die Struktur des Hakensystems begutachtet und bewertet. Im ungünstigsten Fall muss es komplett getauscht werden. In einem solchen Szenario werden die Seitenboote mit einem Kran von Bord gebracht, auf einen Lkw verladen und an Land ausgewechselt. »Dieser Vorgang kann bis zu einer Woche dauern«, sagt Maik Schmitz von VFR Safety aus Hamburg. Während dieser Zeit darf das Schiff nicht bewegt werden.

Für Reeder, die nicht so lange warten konnten oder wollten, gab es die Möglichkeit, bei ihrem Flaggenstaat eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen. Voraussetzung dafür waren dann zusätzliche Rettungsmittel wie beispielsweise Rettungsinseln, die so lange an Bord mitgeführt werden mussten, bis die neuen Hakensysteme von der Klassifikationsgesellschaft abgenommen und die Seitenboote wieder an ihren vorgesehenen Platz zurückgekehrt waren.

Da die Frist mittlerweile verstrichen ist, müssen nun alle Modifikationen erfolgt sein. »Die technischen Verbesserungen sind sinnvoll«, sagt Sascha Wöll, Managing Director von Woell Marine, einem unabhängigen Unternehmen aus Hamburg, das Rettungssysteme auf Schiffen inspiziert. Dennoch sei die Vertrautheit der Crew mit dem System unerlässlich, bekräftigt er und macht zugleich deutlich, dass Unfälle auch trotz der verbesserten Sicherheit »nie ganz ausgeschlossen werden können.«

Um für den Ernstfall vorbereitet zu sein, empfehlen sich regelmäßige Trainings. Auch eine externe Schulung, wie sie beispielsweise Vestdavit am Hauptsitz im norwegischen Bergen anbietet, kann helfen. Der dreitägige Trainingskurs, der Theorie mit praktische Übungen verbindet, fand erstmals im Februar statt. Das skalierbare Schulungsprogramm wurde entwickelt, um den Anforderungen aller Kursteilnehmer gerecht zu werden, einschließlich Davit-Betreiber, Schiffbesatzungen, Schifftechniker und Servicepartner. In diesem Fall umfasste das Trainingsprogramm die HSE-, IMO- und SOLAS-Sicherheitsvorschriften für den Betrieb von Marine-Davits auf See, aber auch einen ausführlichen Theorieteil mit den Ingenieuren von Vestdavit über die praktischen Aspekte des Betriebs, der Wartung und des Services von Davits.

Um die Systeme auf den neuesten Stand zu bringen, entstand für die meisten Reeder ein zusätzlicher finanzieller Aufwand, je nach dem Umfang der notwendigen Arbeiten. Muss das gesamte Hakensystem erneuter werden, können dem Vernehmen nach durchaus 50.000€ fällig werden. Die Inspektionen werden zumeist in Häfen durchgeführt, entweder von Technikern vor Ort, manchmal werden auch Begutachtungsteams eingeflogen.

Eine Vielzahl der Dockvorgänge gibt es in Asien und im Mittleren Osten. Der Rettungsmittelhersteller Survitec spricht von 60% aller Trockendockungen, die dort erfolgen, hauptsächlich in China und Singapur. Entsprechend groß sei die Nachfrage in diesen Regionen gewesen. Einige Reeder hätten sich aber auch erst auf den »letzten Drücker« dazu durchgerungen, ihre Systeme auf den neuesten Stand zu bringen, damit sie den künftigen Anforderungen entsprechen, wie mehrere Rettungsmittelhersteller berichten.

»Die Anfragen für den Austausch der Hakensysteme sind mit dem Näherrücken der Frist gestiegen«, sagt Robert Wallace, Global Technical Sales Manager bei Survitec. Einige Kunden hätten Schwierigkeiten gehabt, einen Anbieter zu finden, der nicht nur die Haken liefere, sondern auch in der Lage sei, die ausgetauschten Produkte rechtzeitig wieder einzubauen.

»Um Engpässe zu vermeiden, treten wir nach Möglichkeit frühzeitig in Gespräche mit unseren Kunden, um deren Bedürfnisse zu verstehen und mit ihnen zusammenzuarbeiten, damit die Einhaltung der Frist sichergestellt ist«, so Wallace.


Thomas Wägener