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Die Bundeszollverwaltung rüstet ihre Flotte allein in diesem Jahr mit drei neuen Einsatzbooten auf. Die in Estland gebauten Einheiten sind auf gutes Seeverhalten und hohe Geschwindigkeit ausgelegt, schreibt Christian Eckardt

Die Ablieferung der Schiffe war ursprünglich deutlich früher vorgesehen, doch durch ein Klageverfahren und zuletzt schweren Eisgang im Rigaischen Meerbusen[ds_preview] verzögerte sich die Überführung des Typschiffs »Bremen« bis ins Frühjahr.

Neben der »Bremen« für den Unterweserraum, die zwischen Bremen und Wangerooge patrouillieren wird, kam in diesem Frühjahr auch schon die »Gelting« in Fahrt, die für den Bereich der Flensburger Förde vorgesehen ist. In den nächsten Wochen wird dann die »Darss« für Rostock-Warnemünde nach eineinhalbjähriger Bauzeit abgeliefert und somit das neue Zoll-Trio vervollständigt.

Rund 4,2Mio. € kostet jedes der vollständig aus Aluminium gefertigten 23,99m langen und 6,5m breiten Boote mit einem Tiefgang von 1,5m.

Bestimmt sind die Boote, die entsprechend der neuen gültigen nationalen Freibord-Richtlinie ausgeführt sind, für den Einsatz auf See und in Küstennähe im Rahmen der Grenzaufsicht an den nassen EU-Außengrenzen, im Kampf gegen Schmuggel aber auch illegalen Waffen- oder Drogenhandel und das bei herausfordernden Wetterbedingungen.

Dazu gehörte auch eine im Leistungsprofil geforderte hohe Geschwindigkeit der neuen Einsatzboote von mindestens 22kn. Zwei MTU-Hauptmaschinen vom Typ 8V 2000M 72 mit einer Leistung von jeweils 720 kW ermöglichen sogar 24kn. Die Abgasreinigung erfolgt über einen nachgeschalteten Dieselpartikelfilter Nauticlean von Hug Engineering.

Durch eine Optimierung der CJR-Propeller konnte im Nachgang bei dem zweiten Neubau »Gelting« sogar eine Geschwindigkeit unter Volllast von bis zu 25kn erreicht werden, sodass die noch zu liefernde »Darss« aber auch die »Bremen« mit diesen optimierten Propeller aus- bzw. noch nachgerüstet werden. Für eine Verbesserung der Manövriereigenschaften wurde ein Sleipner-Bugstrahlruder mit einer hydraulischen Leistung von 51 kW installiert.

Der maximale Treibstoffverbrauch pro Stunde beträgt unter Volllast 2.250 1/min rund 325 l. Der Antrieb erfolgt jeweils über ein ZF-Getriebe auf zwei Propellerwellen mit einer Drehzahl von 989 1/min und auf zwei, jeweils 5-flüglige Festpropeller von CJR mit einem Durchmesser von 89 cm.

Der Grundriss der »Bremen« basiert auf dem patentieren Konzept des 24m Baltic Wave Piercing Mehrzweckpatrouillenfahrzeugs, bei dem sich der Aufbau mit dem Ruderhaus mittschiffs und der Hauptarbeitsbereich auf dem Achterdeck befindet. Die Wohn- und Sanitärbereiche liegen unter Deck im vorderen Bereich des Bootes.

Einsatzboot in der Heckwanne

Durch die spezielle Bugform und den Knickspantenrumpf verfügen die neuen Zollboote den Angaben zufolge über ein hervorragendes Seeverhalten. Der Rumpf verfügt über Halbtunnel für die beiden Propeller und einen Zentralkiel, sodass auch bei schwerem Seegang die Kursstabilität gewährleistet ist. In der Heckwanne führen die Zollboote ein DSB-Survitec RIB-Boot mit, das mit einem Yamaha-Außenborder mit einer Leistung von 44 kW ausgerüstet ist.

Für die Optimierung des Seegangsverhaltens wurden die Zollboote mit dem vornehmlich aus dem Yachtbau bekannten Trimm- und Stabilisationssystem des schwedischen Herstellers Humphree ausgestattet. Hierbei handelt es sich um Trimmeinrichtungen, die am Heck im Bereich der Wasserlinie platziert sind. Darin befinden sich über elektrische Servomotoren vertikal ausfahrbare Trimmbleche, die einen geringeren hydrodynamischen Widerstand haben, aber hohe hydrodynamische Auftriebskräfte im Heckbereich des Bootes beim Fahrbetrieb erzeugen.

Enge Kurven, geringer Verbrauch

Der Einsatz dieses Systems führt zu höheren Geschwindigkeiten, einer geringeren Krängung des Schiffes, einem engeren Kurvenverhalten, einem stabilen Kurs trotz Wellen- und Stromversatz und darüber hinaus zu einem geringeren Treibstoffverbrauch. Die Performance und der Fahrkomfort des Bootes werden damit spürbar verbessert.

Der Rumpf der Boote ist durch fünf Schottwände in sechs wasserdichte Abteilungen geteilt: die Achterpiek, den Maschinenraum, den Tankraum, den Unterkunftsbereich, den Lagerraum und die Vorpiek. Im Tankraum befinden sich zwei jeweils 2000 l fassende Brennstofftanks. Zudem führen die Boote 1.000 l Frischwasser mit. Drei spezielle Entsorgungstanks stehen für Abwasser (1.100 l), Schmieröl (100 l) und Altöl (300 ) bereit, deren Inhalte an Land an zugelassene Entsorger abgegeben werden. Das Ruderhaus, das elastisch auf Federn gelagert ist, ist mit den modernsten nautischen Geräten, Überwachungseinrichtungen und Alarmsystemen sowie Kommunikationsmöglichkeiten ausgestattet. Durch die Rundumverglasung bietet sich für die Schiffsführer von hier aus eine fast hindernisfreie 360° Übersicht. Auf der Backbordseite des Ruderhauses wurde ein kleiner separater Bereich als Operationszentrale geschaffen. Großer Wert wurde unter anderem auf die Verwendung lärmmindernder Materialien gelegt. So haben die Deckenplatten gute Schallabsorptionseigenschaften, die Wandverkleidungen und Möbel sind vibrationsfrei.

Der Unterkunftsbereich für die fünf Besatzungsmitglieder verfügt unter anderem über zwei Nasszellen, eine Kombüse, eine Messe und ein Schiffsbüro, wobei hier im Bedarfsfall, zum Beispiel bei Sondereinsätzen, bis zu sieben Übernachtungsmöglichkeiten geschaffen werden können.

Nachgerüstet werden die drei Zollboote noch mit einer Multisensorplattform als taktische Komponente. Der Bremer Hersteller OptoPrecision liefert hierzu das Multisensorsystem Modar. Mit dieser schwenkbaren, kombinierten Anlage mit Kamera, Infrarot und unsichtbarer Lasertechnik ist eine optische Überwachung unter nahezu allen Wetterbedingungen bei Tag und Nacht, selbst bei Nebel, bis zu einer Distanz von mehreren Kilometern möglich. In der Vergangenheit waren bereits bei den größeren Schiffen der Bundespolizei See und des Zolls die größeren Systeme vom Typ Modar erfolgreich eingeführt und erprobt worden.

Mit der Ablieferung des dritten Schiffes in diesem Jahr ist die Modernisierung der Zoll-Flotte noch längst nicht abgeschlossen. Neben der Modernisierung der 38-m-Boote »Emden« und »Schleswig-Holstein« bei A&R in Lemwerder laufen derzeit die Ausschreibungen für zwei spezielle Watt-taugliche Boote sowie für ein 50m langes Streifenboot für die Ostsee, dass mit LNG-Antriebstechnik ausgerüstet werden soll.

Aktuell verfügt der deutsche Zoll über 30 Boote, darunter auch zwei SWATH-Schiffe. Sie sind sowohl auf der Nord- und Ostsee als auch auf Binnengewässern und Flüssen im Einsatz. Die älteren Einheiten sollen jetzt sukzessive gegen Neubauten ausgetauscht oder modernisiert werden. Insgesamt deckt der »Wasser-Zoll« 1.927km an der Küste und 33 Seehäfen ab und beschäftigt rund 430 Mitarbeiter.


Christian Eckardt