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Shipmanagement-Marktführer V.Group hat eine Expansionstour und den Ausbau

einer »neuen« Plattform hinter sich. Nach diversen CEO-Wechseln soll der neue Chef Graham Westgarth nun (wieder) den Fokus auf das operative Geschäft verstärken. Von Michael Meyer

Im Gespräch mit der HANSA betont der Nachfolger von Ian El-Mokadem wiederholt das Operative als Schwerpunkt seiner Tätigkeit. Angesichts[ds_preview] seiner bisherigen Karriere sehen er selbst und die Eigner – Anfang 2017 hatte der US-Investor Advent die Mehrheit an V.Group von Omers Private Equity übernommen – das als eine seiner Stärken an, deswegen wurde er geholt. Die Integration der Digitalisierung in das Alltagsgeschäft gilt unter Shipmanagern als die große Herausforderung dieser Zeit.

Bevor er zur 1984 gegründeten V.Group kam, war Westgarth schon knapp 50 Jahre in der Branche aktiv, unter anderem bei GasLog, Teekay und Maersk. Seit September 2018 saß er zudem im Aufsichtsrat der Londoner V.Group.

Der CEO-Wechsel Ende April hatte in der Branche für Aufsehen gesorgt, denn Vorgänger Ian El-Mokadem war erst Ende 2017 vom Prüfunternehmen Exova zur V.Group gestoßen. Der langjährige CEO Clive Richardson hatte seinen Posten kurzfristig geräumt – offiziell im Einvernehmen –, mit Hanne Sorensen wurde eine Interim-Chefin eingesetzt. Westgarth soll nun wieder für mehr Kontinuität auf der Spitzenposition sorgen.

»Waren schneller als gedacht«

Die Aufgabe von El-Mokadem bestand vor allem darin, die Transformation der Gruppe voranzutreiben und eine umfassende Business-Plattform aufzubauen, eine Weiterentwicklung von »ShipSure« (HANSA 04/2019). Das sei erfolgreich gelungen, heißt es offiziell. Weil El-Mokadem aber nicht über ausreichend maritime Expertise verfügte, musste erneut ein neuer CEO her. Auch Westgarth wurde immer wieder auf die kurze Amtszeit seines Vorgängers angesprochen; er hat eine relativ banale Erklärung: »Die Entwicklung der Plattform ging eben schneller, als wir alle dachten.«

Deshalb steht nun das Operative wieder im Zentrum. Daher die Besetzung mit Westgarth, der lange an der anderen Tischseite saß und als Reedereivertreter mit Shipmanagern verhandelte. Er verfolgte den nicht gerade unerheblichen Wachstumskurs. »Irgendwann kommt man zu der Frage, wie stellt man bei solch einer Größe die Service-Kontinuität sicher?« Die Antwort sei ShipSure 2.0. Allerdings: »Der Fokus lag lange auf internen Prozessen, jetzt müssen wir die Plattform operationalisieren.« Er will einen Schritt weiter denken: »Es reicht nicht, unsere Kunden zu kennen. Wir müssen auch die Kunden unserer Kunden besser kennen.« Reeder verchartern ihre Schiffe, die Anforderungen der Charterparties treiben den Alltag. Kennt man diese Bedürfnisse der Kunden-Kunden, kann man bessere Services anbieten, so die Überlegung.

Kurzfristig bedeutet das für Westgarth eine weltweite Besuchstour, 50 Kunden will er bis Ende August getroffen haben. »Sie sollen wissen, dass wir wissen wollen, was ihre kommerziellen Treiber sind«, sagt er.

Gleichzeitig sollen die eigenen Mitarbeiter noch tiefer in die Materie eintauchen, die Charterparties der verschiedenen Schifffahrtssegmente besser verstehen. Je nach Segment ergeben sich unterschiedliche Anforderungen, bei Tankern ist es das Vetting, bei Containerschiffen vor allem der Verbrauch.

»Das habe ich mein Leben lang gemacht und hoffe, der Organisation damit helfen zu können«, so der neue Chef. Er will den Kunden klarmachen, dass die V.Group mithilfe der Plattform diese Aspekte verstehen und einen zugeschnittenen Service bieten kann. Der Schifffahrtsveteran ist sich bewusst, dass er bei weitem nicht der Einzige ist, der so vorgeht, meint aber, ein sehr wettbewerbsfähiges Angebot zu haben.

Expansion in MPP-Markt?

Übersetzt in das Alltagsgeschäft heißt das: verschiedene Angebote für verschiedene Segmente. Gleichzeitig heißt das nach Lesart Westgarths aber auch: Wenn die Kompetenz für ein Segment vorhanden ist, kann expandiert werden.

Schon heute ist der Branchenprimus mit 650 Schiffen im Voll- und weiteren rund 300 im Crew-Management in einer breiten Palette an Teilbranchen aktiv, selbst in der Kreuzfahrt. »Alle« Segmente sind aber nicht unbedingt das Ziel: »Es geht nicht darum, alles für jeden anzubieten.« Vorstellen kann sich der neue Chef ein größeres Engagement im MPP-Markt, die internen Kompetenzen dafür will er schon ausgemacht haben.

Denkbar ist die Knowhow-Bündelung an bestimmten Standorten. Regional beschränken will er sich nicht. Wenn in einer Region neue Reeder-Communities entstehen oder aktiver werden, wolle man diesen potenziellen Kunden folgen.

Das erinnert stark an den jüngsten großen Expansionsschritt, als man im Herbst 2018 die Norddeutsche Reederei H. Schuldt mit 47 Schiffen vom Hamburger Reeder Bernd Kortüm übernahm und dafür eine neue Container-Zentrale in Hamburg schuf, unter der Leitung von Nils Aden, dem ehemaligem CEO von Zeaborn Shipmanagement und E.R.-Schiffahrt, den Westgarth zu schätzen scheint. Aden hatte bereits im Frühjahr erklärt, dass die Übernahme lediglich ein Zwischenschritt beim Wachstum in Deutschland sein könnte.

Die Transaktion war durch die Entwicklung der Kreditportfolios deutscher Banken wie der ehemaligen HSH Nordbank geprägt. Unter anderem in der MPP-Schifffahrt halten die Banken noch einige Kredite, auch das 2,7 Mrd. € schwere Portfolio, das der Investor Cerberus von der NordLB übernommen hat, gilt als interessant. Kreditinstitute suchen entweder nach Shipmanagern, wenn die eigentlichen Reeder ihre Geschäfte zurückbauen oder aufgeben (müssen). Oder sie verkaufen an Investoren, die dann ebenfalls das Management auslagern. Für Westgarth ist das »absolut eine interessante Option«.

Zu beobachten waren auch Verkäufe ganzer Einheiten, wie im Fall Norddeutsche Reederei H. Schuldt. Große Player wie die V.Group haben dann eine gute Position. Der CEO will sich nicht zu tief in die Karten schauen lassen, ob er im MPP-Markt Schiff für Schiff oder in Paket-Deals aktiv werden will, sagt lediglich: »Beides macht Sinn.«

M&A-Hunger gestillt?

Insgesamt aber scheint es, als wäre der Hunger nach größeren Übernahmeprojekten vorübergehend eher gestillt. Dafür spricht zum einen der Fokus auf das operative Geschäft unter der Ägide Westgarths. Auch wenn er deutlich macht, dass man sich dem Trend zu One-Stop-Shops nicht verschließen wolle und könne – nicht zuletzt weil Banken und Investoren als Schiffseigner das einforderten. Shipmanagement sei und bleibe, neben technischen Dienstleistungen und dem »sehr, sehr wichtigen« Crewing, das Kerngeschäft. Es macht 75% des Umsatzes aus.

Zum anderen betont Westgarth auf die Frage nach weiteren M&A-Aktivitäten explizit: »Man darf nie stillstehen. Wenn wir Möglichkeiten sehen, die zu unseren Ambitionen passen, werden wir uns das anschauen. Ich denke aber, aktuell benötigen wir kein weiteres externes Knowhow.« Es gehe um Qualität, dann komme der Rest von alleine.

Für den gesamten Shipmanagement-Markt (siehe Bericht auf den folgenden Seiten) erwartet er jedoch weitere Kosolidierungsprojekte.


Michael Meyer