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Der E-Commerce-Riese Amazon tritt schon seit einiger zeit als Non-Vessel Operating Common Carrier auf – und macht das offenbar gut. Experten des digitalen Containermarktplatzes xChange zufolge dürfen die möglichen Auswirkungen auf die Zukunft der Seefracht und des E-Commerce nicht ignoriert werden.

Amazon arbeitet heute als Non-[ds_preview]Vessel Operating Common Carrier (NVOCC). Von der U.S. Federal Maritime Commission erhielt das Unternehmen 2016 die Lizenz, NVOCC für Frachtsendungen zwischen China und den Vereinigten Staaten zu fungieren. Zuvor hatte Amazon bereits eine Flotte von Flugzeugen für die Luftfracht sowie einige Fahrzeuge in Betrieb, um auch bei der Auslieferung auf der »letzten Meile« zu helfen. Die Expansion geht weiter, allein die Flugzeugflotte soll bis Ende 2021 mindestens 70 Maschinen stark sein.

Wie xChange in einem Blog-Beiutrag berichtet, hat Amazon 2018 rund 4,7 Mio. Kartons mit Konsumgütern aus China in die USA geschickt. Bis Anfang 2018 lagen die Sendungen bereits bei über 5.300 Schiffscontainern. »Obwohl 5.300 Schiffscontainer in Bezug auf die globale Logistik eine relativ kleine Menge sind, ist der Takeaway hier, dass Amazon die komplette logistische Transaktion zwischen Verkäufer und Käufer erfolgreich durchgeführt hat. Bislang ist es das einzige E-Commerce-Unternehmen, das dies tut«, heißt es.

Vorsichtiger Markt-Test vor Einstieg

Niemand sonst sei auch nur annähernd so weit gekommen, wird auch Michael Zakkour, Executive Vice President für globalen digitalen Handel bei Tompkins International, zitiert. Doch die Kontrolle über die gesamte Lieferkette sei schon immer das Ziel Amazons gewesen. So gewinne das Unternehmen Kontrolle, Konsistenz, Intelligenz, Kostensenkung und Margensteigerung. Mittlerweile habe Amazon ein gewisses Maß an Kompetenz erreicht, um die Geschäftstätigkeit weiter ausbauen zu können.

Der E-Commerce-Riese war nicht sofort nach erhalt der NVOCC-Lizenz 2016 in den Seeverkehr eingestiegen. Vielmehr begannen das Unternehmen 2017, mit einigen 40-Fuß-Containern von China nach Kalifornien den Markt zu prüfen. Diese Sendungen wurden dann vom kalifornischen Hafen zu den Amazon Fulfillment-Zentren anderswo in Kalifornien und in Indiana verschickt. Zu diesem Zeitpunkt firmierte Amazon unter dem Namen ihrer hundertprozentigen chinesischen Tochtergesellschaft mit Sitz in Peking und dem offiziellen Namen Beijing Century Joyo Courier Service Co. Erst Anfang 2019 begann Amazon mit der Vermarktung seiner Seefrachtdienste an US-Unternehmen in China unter eigenem Namen.

Alles aus einer Hand – weniger Verzögerungen

Amazons NVOCC-Dienste ermöglichen es xChange zufolge auch kleinen chinesischen Herstellern, direkt an US-Verbraucher über einen einzigen Anbieter zu verkaufen. »Für die Öffentlichkeit sind das fantastische Neuigkeiten. Die Verbraucher werden nicht mehr über Verzögerungen beim Versand verärgert sein, da Pakete aus mehreren Händen falsch behandelt werden, die für den Weg zum Endziel durchlaufen werden müssen«, sagt sie.

Es sei weniger wahrscheinlich, dass eine Sendung aus China nicht rechtzeitig angekommen sei, vielmehr müsse man davon ausgehen, das UPS, FedEx oder die Post eine Sendung nicht richtig behandelt hätten, wird Satish Jindel, Präsident der SJ Consulting Group, zitiert.

»Reedereien haben Amazon, Alibaba und Co. den Weg geebnet«

Bei xChange meint man, die Unzuverlässigkeit und die mangelnde Transparenz und Kundenorientierung der internationalen Reedereien habe Amazon und ähnlichen Unternehmen wie beispielsweise Alibaba den Weg geebnet, sich mit der Abwicklung ihrer eigenen Transporte zu befassen. Daher sollten sich Reedereien wie Maersk darauf konzentrieren, diese Bereiche neben ihren Blockchain-Entwicklungen zu verbessern, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Im Moment besteht aber noch eine gewisse Skepsis gegenüber der Nutzung der Amazon-NVOCC-Services, da Unternehmen dadurch alle Informationen über ihre Produkte und Kunden verlieren. »Es besteht die Angst, dass Produkte für die eigene Marke geklont werden, wie es Amazon in der Vergangenheit notorisch getan hat. Unternehmen macht es Sorgen, Einblicke in die Lieferketten ihrer Kunden zu gewähren, aus Angst, dass Amazon zu wertvolle Informationen sammeln könnte, mit denen sie sie aus dem Geschäft drängen könnten«, heißt es.

Allerdings habe jeder seinen Preis. Amazon berechnet dem Verkäufer wie jeder normale Spediteur Kosten pro Kilogramm, Kubikmeter oder Container (je nach Transportmittel). Nach Angaben eines Amazon-Sprechers könne der Verkäufer dann entscheiden, ob der Service und die damit verbundenen Kosten besser seien als das, was er von anderen Anbietern bekommen könnte. Ziel ist es, Verkäufern zu helfen, ihre Produkte so zeit- und kosteneffizient wie möglich in die Amazon-Fulfillment-Center auf der ganzen Welt zu liefern, und im Gegenzug dafür, dass die Verkäufer niedrigere Verkaufspreise für ihre Waren akzeptieren.

Interner Service könnte als Dienstleistung verkauft werden

Obwohl Amazon derzeit nur Logistikdienstleistungen für Amazon-Verkäufer erbringe, könne man spekulieren, dass nichts Amazon davon abhalten werde, diese in Zukunft auch Nicht-Verkäufern anzubieten. »Ein Beispiel, aus dem wir diese Schlussfolgerung ziehen können, ist die Cloud-Computing-AWS-Plattform, die mittlerweile rund 40 Prozent des weltweiten Computermarktes kontrolliert. Es wurde ursprünglich für den Eigenbedarf gebaut und wird nach erfolgreichem Einsatz an andere verkauft«, sagt xChange.

Amazon deckt die Fehler und Lücken in der fragmentierten Logistikbranche auf und schafft einen reibungslosen Versandprozess von China in die USA. Gleichzeitig hält sich das Unternehmen mit Informationen über die Entwicklung sehr zurück – xChange vermutet, dass Wettbewerber nicht »alarmiert« werden sollen. Genau das müsste aber passieren.

Der bemerkenswerteste Mehrwert von Amazon als NVOCC ist xChange zufolge die Preisgestaltung. Aufgrund seiner enormen Kaufkraft sei Amazon bereits in der Lage, die Beschaffungskosten für seine eigenen Produkte zu kontrollieren. »Wenn sie diesen Wert nutzen und ihn auch auf Speditionskunden anwenden, haben sie die Möglichkeit, ein Kraftpaket im Seefrachtbereich zu werden, das den Kunden auf oder neben ihrer E-Commerce-Plattform gleichermaßen Wert bietet. Amazon verfügt über die Reichweite und das Volumen, um die Preise in der Schifffahrtsbranche zu senken – im Guten wie im Schlechten«, heißt es.

»Traditionelle NVOCCs, Spediteure und Reedereien werden sich auf digitale Lösungen umstellen müssen«

Die Auswirkungen auf E-Commerce und Logistik könnten den Experten zufolge wegen der engen Verbindung beider Branchen »dramatisch« sein. Amazon könnte immer mehr Händler davon überzeugen, bei Amazon zu verkaufen, indem es ihnen eine umfassende Full-Service-Logistiklösung anbietet. Im Wesentlichen könnte Amazon ein durchgängiges Supply Chain Management als wesentlichen Vorteil der Nutzung seiner Merchant Services nutzen. Die Kosten für eine beispiellose Seefrachtpreisgestaltung zu tragen, wäre für den E-Commerce-Giganten kein Problem, wenn er erhebliche Marktanteile in seinem E-Commerce-Netzwerk erreicht, meint man bei xChange.

»Traditionelle NVOCCs, Spediteure und Reedereien werden sich auf digitale Lösungen umstellen müssen, um mit sinkenden Preisen und Effizienz Schritt zu halten. Darüber hinaus müssen sie das Vertrauen fördern und an Zuverlässigkeit und Sichtbarkeit arbeiten, um gegen die Amazon zu bestehen«, sagt xChange.