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Steigende Schiffsgrößen stellen die Häfen vor immer größere Herausforderungen. Rotterdam und Antwerpen befinden sich fortlaufend im Wettbewerb, auch um neue Unternehmen.

Der Umweltfaktor bekommt hier eine zunehmende Bedeutung.

Ende Juli hat der Antwerpener Hafen angekündigt, dass das damals größte Schiff, die »MSC Isabella« (23.656TEU) zum ersten Mal im[ds_preview] Oktober im Hafen eintreffen wird. Bereits am 3. September machte die noch etwas größere »MSC Gülsün« (23.756TEU), während ihrer Jungfernfahrt in Rotterdam fest. Die Beispiele zeigen: beide Häfen sind für die Abfertigung der heutigen Schiffsgrößen gerüstet.

Doch wo endet dieser Wettlauf zwischen dem Rotterdamer und Antwerpener Hafen, um immer größere Containerschiffe? »Mit unseren Häfen direkt am Meer erreichen wir einen Tiefgang von 20m. Wir können in der Zukunft auch Schiffe von 30.000TEU empfangen«, sagt Hans Nagtegaal, Direktor Container der Hafenbehörde Rotterdam. Solche Einheiten seien freilich noch nicht geplant, schränkt er ein, aber möglich wäre deren Abfertigung in Rotterdam. Die Kais hingegen seien solide genug, um nach Bedarf auch größeren Krane zu installieren.

Schiffe werden länger, nicht breiter

Nagtegaal glaubt, dass die Erweiterung im Containerbereich gut ist für die Wirtschaft und die Umwelt, da die neuen Schiffe mit Scrubbern ausgestattet sind und, die »MSC Gülsün« zum Beispiel, auch mit Gasantrieb (LNG) fahren könnte. Deswegen hat er kein Verständnis für die Aussage von Gunther Bonz, Vorsitzender des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH), der für eine Begrenzung der Größe der Containerschiffe plädiert. Die EU solle, laut Bonz, bei der Verlängerung der Block Exemption Regulation im nächsten Jahr ein Maximum von 18.000TEU festlegen, wie die USA.

Nagtegaal geht davon aus, dass die Schiffe auf der Strecke von China nach Europa auf jeden Fall nicht breiter werden. Der Grund: die zulässige Höchstbreite im Suezkanal beträgt 62,10m, »MSC Gülsün« ist 61,40m breit. Nagtegaal: »Ich erwarte, dass die Schiffe länger werden – für Rotterdam kein Problem. Wir haben noch ausreichende Möglichkeiten, um Kais zu verlängern.«

Das gilt momentan nicht für Antwerpen. Hier wird mehr Fläche für den Containerumschlag benötigt. Die flämischen Landesregierung hat die Erlaubnis erteilt, die Umschlagkapazität um mehr als 7Mio.TEU zu erweitern (siehe Artikel auf S. 72). Mehr als 3Mio. TEU sollen durch den Bau eines neuen Hafenbeckens für den Containerumschlag erreicht, die übrige Menge durch den Ausbau existierender Anlagen realisiert werden.

Der Bau des neuen Hafens hat zu vielen Diskussionen geführt. Die Unternehmer wollten mehr, die Umweltschützer wollten weniger Hafenflächen. Schließlich erreichte die flämische Landesregierung einen Kompromiss, mit dem niemand wirklich zufrieden ist. Dazu kommt, dass die Möglichkeiten für Antwerpen den Hafen zu erweitern, ohnehin begrenzt sind. Grund ist die belgisch-niederländische Staatsgrenze, die im Norden in einer Entfernung von höchstens 20km liegt.

Die niederländische Provinz Zeeland hat sich schon bei der flämischen Regierung darüber beklagt, dass die erwartete Zunahme von Containerschiffen wegen der Erweiterung des Antwerpener Hafens die Sicherheit auf der Westerschelde, die zum niederländischen Hoheitsgebiet gehört, gefährden könnte.

Problem ist auch, dass die flämische Regierung zu dieser Zeit keine Entscheidung treffen kann. Am 26. Mai gab es in Belgien National- und Landeswahlen. Weil die Landes- und nationale Politik in Belgien eng miteinander verflochten sind, nehmen Koalitionsverhandlungen immer eine gewisse Zeit in Anspruch. Eine Entscheidung über eine mögliche Erweiterung des Hafens von Antwerpen ist deshalb noch nicht getroffen. Dem Antwerpener Hafen-CEO Jacques Vandermeiren geht das alles viel zu langsam, obwohl er diplomatisch bleibt. »Wir werden es zwar gerne sehen, dass es schneller vorangeht, aber wir finden es auch wichtig, dass alle Interessengruppen einbezogen werden. Die Regierung hat im Mai eine vorläufige Entscheidung getroffen. Dazu wurden viele Einwände erhoben, die nun geprüft werden. Wir gehen davon aus, dass die Regierung um Neujahr herum eine endgültige Entscheidung trifft.«

Chemie bevorzugt Antwerpen

Sein Rotterdamer Kollege Allard Castelein hat ganz andere Probleme. Die niederländische Regierung hat die Ziele der Pariser Klimakonferenz in ein ehrgeiziges nationales Klimaprogramm umgesetzt. Im Jahr 2030 müssen die CO2-Emissionen in den Niederlanden gegenüber 1990 halbiert werden, während die EU und Belgien nicht über 40% hinausgehen.

Laut der Unternehmensverbände beeinträchtigen die strengeren niederländischen Anforderungen die Konkurrenzfähigkeit des Hafens. Unterschiedliche Chemieunternehmen planen neue Investitionen in Antwerpen statt in Rotterdam. Ein Sprecher der Hafenbehörde sagte dazu: »Wir stellen bei Kontakten mit ausländischen Industrieunternehmen fest, dass sie durch die möglichen strengeren Umweltanforderungen der niederländischen Regierung zögern sich hier niederzulassen. Die Ungewissheit darüber verursacht Unbehagen und Unruhe.«

Der niederländische Wirtschaftsminister Eric Wiebes erklärte im August, dass BP eine Investition von 1Mrd. € in seiner Raffinerie im Rotterdamer Hafen zwei Jahren hinausschiebt (von 2020 auf 2022) wegen der Unsicherheit in Bezug auf die Klimamaßnahmen.

Die Unruhe erreichte einen Höhepunkt als der Chemiekonzern Ineos entschied, für rund 2,7Mrd.€ zwei neue Fabriken in Antwerpen zu bauen. Ineos-CEO Jim Ratcliffe behauptete zwar, dass die strengeren niederländische Umweltanforderungen nicht dafür entscheidend waren, sondern vielmehr das Vorhandensein der notwendigen Pipelines in Antwerpen. Trotzdem sorgte die Entscheidung beim wichtigsten niederländischen Arbeitgeberverband für Unbehagen: »Die Regierung jagt potenziellen Investoren Schrecken ein. Dadurch verlieren wir ausländische Investitionen.«

Die Kritik der Arbeitgeber ist bemerkenswert, weil Hafen-CEO Castelein an einer Arbeitsgruppe teilnahm, in der Arbeitgeber, Gewerkschaften und Umweltschützer die Regierung berieten, wie die Klimaziele umgesetzt werden könnten. Er sah sich daher zu Abstrichen gezwungen.
Adrie Boxmeer