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Die Azubi-Zahlen für Schiffsmechaniker erholen sich langsam wieder. Die Verantwortlichen sehen eine steigende Nachfrage nach den Fachkräften, auch an Land. Gleichzeitig erkennt man ein Problem in der öffentlichen Wahrnehmung des Berufsbildes.

Die Kurve zeige wieder nach oben, allerdings gebe es weiterhin einen Fachkräftemangel, sagt Sabine Zeller, Geschäftsführerin der Berufsbildungsstelle Seeschifffahrt (BBS[ds_preview]). »Dieses Jahr hatte ich schon zum Halbjahr so viele Verträge wie zum Ende des Jahres 2018.« Derzeit bestehen 352 Ausbildungsverhältnisse zum Schiffsmechaniker, 122 davon sind neu hinzugekommen. 2018 waren es zum Jahresende 349 Ausbildungsverhältnisse mit insgesamt 108 neuen Verträgen. Die aktuellen Zahlen seien noch mit Vorsicht zu genießen, sagt Zeller, man müsse die Evaluation am Jahresende abwarten, eine Verbesserung sei jedoch sichtbar. »Aber wir haben noch viel Arbeit vor uns«, fügt sie hinzu. Es würden jedenfalls Auszubildende gesucht, genauso wie fertige Schiffsmechaniker – vor allem in der nationalen Fahrt und auf dem Sekundärmarkt (also Schifffahrtsverwaltung, Lotsbetriebsvereine, Technikbetriebe etc.),, der ebenso wie die aktive Schifffahrt auf die Fachkräfte angewiesen ist. Auch in der Schifffahrt selbst bessert sich die Arbeitsmarktsituation. So bekommen die jungen Techniker (und Nautiker) heute eher wieder eine Stelle. Insbesondere im Tanker- und im Kreuzfahrtmarkt besteht ein Interesse an deutschen Seeleuten, vor allem an Offizieren.

Zum allgemeinen Fachkräftemangel in technischen Berufen kommt bei Schiffsmechanikern hinzu, dass sich trotz den gestiegenen Azubi-Zahlen nicht nur die Ansprüche der Arbeitnehmer ändern, sondern auch die Verweildauer in der aktiven Seefahrt verkürzt. »Viele wollen heute nicht mehr ganz so lange fahren und durch die Familienplanung oder ähnliches entsteht dann irgendwann der Wunsch, länger oder grundsätzlich an Land zu bleiben«, sagt Zeller. Dies sei aber ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. »Man bleibt nicht mehr von der Lehrlingszeit bis zur Rente in einem Beruf. Darauf wird teilweise ja auch Wert gelegt im Lebenslauf. Insofern ist die Schiffsmechanikerausbildung eine tolle Sache, weil eine einzige Ausbildung so viele Wege eröffnet. Man kann beispielsweise noch ein Studium dranhängen und Nautiker oder Techniker werden – im Moment würde ich eher empfehlen, Techniker zu werden. In den Studiengängen gibt es immer mehr Nautiker, Techniker werden entsprechend aber auch mehr gesucht – es gibt weniger Nachwuchs und mehr freie Stellen.«

Die vielseitige Einsetzbarkeit der Schiffsmechaniker und Technischen Offiziere erweist sich so als Fluch und Segen zugleich. Der Schiffsmechaniker kann als »Facharbeiter Deck« und »Facharbeiter Maschine« innerhalb der Bereiche an Bord wechseln, kann zudem auf verschiedenen Schiffstypen, in der weltweiten Fahrt oder in der küstennahen Fahrt, auf Fähren, Schleppern oder Offshore-Versorgern arbeiten. Und auch an Land gibt es viele interessante – und interessierte – Bereiche, in der Schifffahrtsverwaltung genauso wie bei den Lotsen, bei der Wasserschutzpolizei oder in anderen Bereichen. »Der ganze Sekundärmarkt sucht händeringend«, sagt Zeller.

Wahrnehmung vs. Realität

Die Nachwuchssituation im technischen Bereich treibt auch Richard von Berlepsch um, Managing Director Fleet Management bei Hapag-Lloyd. Neben seiner Tätigkeit bei der Hamburger Linienreederei ist von Berlepsch 1. Vorsitzender der Stiftung Deutsche Seemannsschule Hamburg. »Wir hören immer wieder, dass der Kampf um Talente trotz der sehr attraktiven Ausbildung von Jahr zu Jahr schwieriger wird. Genau beziffern lässt sich dies jedoch nur schwer, da sich die Ausbildungsstandards und Einstellungsvoraussetzungen für Auszubildende von Unternehmen zu Unternehmen deutlich unterscheiden können. Bei Hapag-Lloyd erfolgt die Ausbildung zum Schiffsmechaniker in der Regel vorbereitend zu einem Studium. Nachdem die Auszubildenden dann ihr Studium der Nautik oder Schiffsbetriebstechnik abgeschlossen haben, werden diese in der Regel als technischer Offizier oder Wachoffizier übernommen«, sagt er.

Allerdings bedarf es seiner Ansicht nach einer Veränderung in der öffentlichen Wahrnehmung des Berufsbildes und der Ausbildungsinhalte. »Wir merken schon, dass sehr oft noch das Bild vom ölverschmierten Mechaniker, der tagelang in einem dunklen Maschinenraum arbeitet, die Wahrnehmung dieses Berufsbildes bestimmt. Dies hat sich aber sehr stark gewandelt und neben rein mechanischen Themen kommen zudem zunehmend zahlreiche digitale Aspekte hinzu. Schaut man sich heute beispielsweise die Technik auf einem neuen Containerschiff an, dann setzt diese oft Meilensteine in der Schifffahrt. Dort erhalten Schiffsmechaniker-Auszubildende eine tolle Gelegenheit, einen technisch sehr anspruchsvollen Beruf in einem modernen, internationalen und abwechslungsreichen Umfeld zu erlernen.«

Antwort auf Automatisierung

Um der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung an Bord Rechnung tragen, gibt es zusätzlich zum Nautischen Offiziersassistenten (NOA) und zum Technischen Offiziersassistenten (TOA) seit Neuestem den Elektrotechnischen Offiziersassistenten (ETOA). »Man braucht Personal, das sich nicht nur oberflächlich mit Elektrotechnik als Anwender auskennt. Das Programm läuft im Moment an und wird schon von einigen Reedereien angenommen. Es ist gut, dass man jetzt damit anfängt und nicht erst in zehn Jahren«, sagt Zeller. Es sei zwar keine internationale Anforderung, einen ETO an Bord zu haben, aber der Bedarf sei schon da.

Auch Zeller stellt sich die Frage, wie man jungen Leuten die Attraktivität des Berufs besser vermitteln kann. »An der Stimme der BBS müssen wir noch arbeiten«, sagt sie. Nächstes Jahr soll die neue BBS-Website an den Start gehen. Im Rahmen des Maritimen Bündnisses und in Kooperation mit der Gewerkschaft Verdi entsteht eine gemeinsame Ausbildungswebsite, in der die Web-Präsenz der Berufsbildungsstelle sowie der Ausbildungsbereich der Website des Verbands Deutscher Reeder (VDR) aufgehen soll. »Das wird die zentrale Anlaufstelle im Netz für die Ausbildung in der Schifffahrt«, sagt Zeller. Vertreter der BBS seien außerdem regelmäßig auf Messen unterwegs, um Schüler über die Ausbildung zu informieren.

Zudem werden die Auszubildenden während der Schulzeitblöcke besucht und auch auf Schiffen beraten, ebenso die ausbildenden Reedereien. »Wir beraten auch Reedereien, die wieder neu in die Ausbildung einsteigen. Einige zögern noch, da müssen wir noch sehen, woran das liegt und was man tun kann«, sagt Zeller. Trotz dem Wegfall von Hamburg Süd mit der Übernahme durch Maersk gebe es nach wie vor einige sehr große Ausbilder und es kämen immer wieder kleine hinzu. Dazu kommen die staatlichen Einrichtungen wie Wasserstraßen- und Schifffahrtsämter, die »unablässigen Bedarf haben und ausbilden«.

Tatsächlich ist die Zahl der ausbildenden Reedereien 2018 gegenüber dem Vorjahr stabil bei 58 geblieben. Während es bei den ausbildenden Behörden über die letzten vier Jahre einen leichten Rückgang gab, konnte die internationale Seeschifffahrt – mit 36 Unternehmen größte Gruppe in der Statistik –, wie auch die Bäderschifffahrt, in dem Zeitraum leicht zulegen.

Wer in der Ausbildung zum Schiffsmechaniker besondere Leistungen zeigt, dem winkt nicht nur ein spannender Arbeitsplatz, sondern auch eine Förderung durch die Stiftung Deutsche Seemansschule Hamburg, die jedes Jahr »Stipendien« an die drei besten ausgelernten Schiffsmechaniker vergibt. Die jeweils mit 3.000 € dotierten Stipendien gingen dieses Mal an Julia Scholten (22), die ihre Ausbildung beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Bremerhaven absolviert hat, und an Lukas Eller (23) und Carl Mennerich (23), die beide bei Hamburg Süd gelernt haben. Zweck der seit einigen Jahren vergebenen Auszeichnung ist die gezielte Förderung des deutschen maritimen Nachwuchses – ein Ziel, dem sich die Hamburger Institution bereits seit 157 Jahren verpflichtet fühlt. Die Stiftung wählt, unterstützt von der BBS, die besten Ausbildungsabsolventen, wobei die praktischen Ausbildungsnoten etwas schwerer gewichtet werden als die theoretischen. Wer das Rennen macht, wird angeschrieben und kann sich um ein »Stipendium« bewerben. Alle drei diesjährigen Absolventen sehen ihre Zukunft klar in der Schifffahrt und studieren nun in Rostock bzw. Flensburg Schiffsbetriebstechnik.

»Mit unserer Stiftungsarbeit wollen wir junge und besonders ambitionierte Menschen fördern und davon profitieren letztlich alle. Fakt ist auch, dass so ein soziales Engagement nur durch regelmäßige gesellschaftliche Beiträge in Form von Spenden funktioniert. Hier wünschen wir uns generell mehr Unterstützung – ganz gleich ob von privater Seite oder aus dem Unternehmenssektor«, sagt von Berlepsch. Ein Problem sei neben dem Image der Seefahrt in der Öffentlichkeit die zu geringe Sichtbarkeit der Stiftungsarbeit, sagt er. Das will er verbessern. Im vergangenen Jahr war die Stiftung Deutsche Seemannsschule Hamburg erstmals mit einer Präsenz auf der Schiffstechnikmesse SMM vertreten.


Felix Selzer