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Nach »IMO 2020« und der Schwefelobergrenze liegt der Fokus vor allem auf CO2-Emissionen. Bei DNV GL sieht man in der Kraftstoff-Flexibilität einen Schlüssel

In der jüngst vorgestellten dritten Auflage des »Maritime Forecast to 2050« untersucht die norwegisch-deutsche Klassifikationsgesellschaft die Zukunft der Schifffahrtsindustrie[ds_preview] in einer sich schnell verändernden globalen Energielandschaft. Es geht vor allem um die Verringerung der CO2-Intensität der weltweiten Flotte, um die von der Weltschifffahrtsorganisation IMO 2018 gesetzten Ziele zur Senkung der Treibhausgasemissionen (GHG) zu erreichen.

»Die vorhandene Technologie kann uns in die angestrebte Zukunft führen, zu der auch das Erreichen der im Übereinkommen von Paris festgesetzten Zielsetzung von maximal 1,5°C Erwärmung gehört«, erklärte Group President und CEO Remi Eriksen. Seiner Ansicht nach wurde die Energiewende bislang aber viel zu sporadisch umgesetzt.

Bei DNV GL sieht man nicht nur die Industrie in der Bringschuld. Anlässlich der Veröffentlichung des Berichts wurde der Bedarf auch an politischer Aktivität betont. »Wir benötigen eine breite abgestimmte politische Agenda, die neue Technologien gleich bei ihrem Entstehen unterstützt und diese Förderung auch in der Ausbauphase aufrechterhält«, sagte Eriksen. Mechanismen, die die beschleunigte Einführung teurer Technologien fördern, sollten von öffentlichen und privaten Akteuren in Partnerschaft entwickelt und gefördert werden, heißt es im Report.

»Flexibilität ist der Schlüssel«

Knut Ørbeck-Nilssen, CEO von DNV GL – Maritime benannte die Brennstoffflexibilität anlässlich der Veröffentlichung als entscheidende Komponente.

Allein Anpassungen im Schiffsbetrieb, -design und bei der Motorentechnik reichen mit einem Einsparpotenzial von 20%, 10 bis 15% und 5 bis 20% demnach nicht aus. Lediglich der Aspekt Kraftstoff könne entscheidende Impulse setzen.

CO2-neutrale Brennstoffe müssten bis zum Jahr 2050 ca. 30–40 % der Gesamtenergie der globalen Flotte bereitstellen. Denn selbst lange protegierte Technologien wie LNG-Antriebe haben keinen ausreichenden Effekt auf die CO2-Reduzierung. Das neu eingeführte CO2-Barometer zeigt, dass der Gesamtemissionsgrad trotz Effizienzsteigerung weiter steigt und die Ziele mit der derzeitigen Entwicklung nicht erreicht werden dürften. Daher ist es nach Ansicht der Experten wichtig, die Umstellung an Bord in »naher Zukunft« zu beginnen.

Flüssigmethan werde 2050 Flüssigmethan einen großen Teil (40–80 %) des Brennstoffmixes ausmachen. Im Überseeverkehr seien Ammoniak, Biodiesel, Flüssigbiogas und Elektrobrennstoffe vielversprechende Optionen.

Pierre Sames, Group Technology & Research Director, bestätigte auf HANSA-Anfrage, dass beispielsweise Ammoniak einen weitaus größeren Anteil an Brennstoffmix einnehmen dürfte als bislang angenommen. Seitens der Klassifikationsgesellschaft soll es dazu noch in diesem Jahre weitere Untersuchungen und Analysen geben. Ein Vorteil sei die im Vergleich zu Wasserstoff leichtere Handhabung insbesondere bei der Lagerung, da dies bei nahezu Raumtemperatur und normalen Druckverhältnissen möglich sei. Ammoniak wird entsprechend als »die vielversprechendste klimaneutrale Kraftstoffoption für Neubauten« bezeichnet.

In einer »Übergangsphase« können dem Report zufolge insbesondere im Überseeverkehr Dual-Fuel-Antriebe mit alternativen Brennstoffen sowie Möglichkeiten zur Technologienachrüstung (wie etwa »LNG ready«) eine Rolle spielen. Zusammen mit Brückentechnologien wie anpassungsfähigen Lagertanks, Bordsystemen und landseitigen Brennstoffinfrastrukturen könnten sich der Branche so mehr Optionen bieten, wenn neue Brennstoffe und Technologien auf den Markt kommen, heißt es. So könnten heutige »LNG-Schiffe« verhältnismäßig unkompliziert auf synthetische Gase umgestellt werden, ebenso wie LPG-Systeme auf die Nutzung von Ammoniak. Ein alternativer Energieträger ist Wasserstoff (H2), der aus klimaneutralen Energieressourcen, Kernenergie oder mit CO2-Speicherung aus Erdgas gewonnen wird. Der Einsatz von komprimiertem oder verflüssigtem H2 in Brennstoffzellen wird wie Batterie- oder Hybridlösungen als mittelfristig realistische Option für den Shortsea-Verkehr beschrieben.

Es bleiben Hürden

Bei der Klasse ist man der Ansicht, dass es zwar bereits Technologien und Kraftstoffe gibt, mit denen die Emissionslücke geschlossen werden kann, die Lösungen seien jedoch noch nicht bereit für eine flächendeckende Umsetzung. Bei den »Erneuerbaren« oder Biokraftstoffen stehen dem etwa die mangelnde Infrastruktur und die zum Teil hohen Umsetzungskosten im Wege, bei Batterien ist es nicht zuletzt die Reichweite, »deshalb dürfte es absehbar eine Nischenlösung bleiben«, so Sames.

Die Bemühungen, fossile Brennstoffe durch klimaneutrale Brennstoffe zu ersetzen, würden stark vom Zugang zu entsprechenden Energiequellen abhängen. Neben Biokraftstoffen sei Strom aus erneuerbaren Energien – oder aus kohlenstofffreien Quellen wie der Kernenergie –, der in maritimen Batterieanwendungen verwendet wird, derzeit die einzige kommerziell verfügbare Alternative für den kohlenstofffreien Schiffsverkehr.

Mit Blick auf die Reedereien und ihre eigenen Herausforderungen schreibt die Klasse im »Maritime Forecast«: »Es ist wichtig, technisch machbare und kostengünstige Lösungen für die Hochsee-Schifffahrt zu finden, die mehr als 80% der CO2-Emissionen der Weltflotte verursacht.«