»Helge Ingstad«: Unfallbericht stellt Marine schlechtes Zeugnis aus

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»Fehleinschätzungen, Kommunikationsversagen, Unerfahrenheit« – der norwegische Unfallforschungsausschuss AIB hat nun Teil 1 des Berichts über die Kollision zwischen der Fregatte »Helge Ingstad« und dem Öltanker »Sola TS«veröffentlicht.

Am 8. November 2018 war [ds_preview]die Fregatte vor dem Sture Terminal im Hjeltefjord mit dem Tanker kollidiert, leckgeschlagen und später gesunken. Der Unfallforschungsausschuss Norwegen (AIBN) und der Verteidigungsunfalluntersuchungsausschuss Norwegen (DAIBN) haben zusammen mit der Marine Safety Investigation Unit of Malta und der spanischen Ständigen Kommission für Unfall- und Unfalluntersuchungen auf See (CIAIM) eine gemeinsame Untersuchung der Kollision durchgeführt. Der erste Teil des Berichts enthält die Ergebnisse der Norweger zur Untersuchung des Ablaufs der Ereignisse bis zum Zeitpunkt der Kollision.

Die Schiffe kollidierten in den frühen Morgenstunden. Die Fregatte hatte 137 Personen an Bord, mit einer Mischung aus Wehrpflichtigen und fester Besatzung. Auf der Brücke waren insgesamt sieben Mann Wachpersonal anwesend, darunter zwei Auszubildende. Der Tanker »Sola TS« wurde von der griechischen Reederei Tsakos Columbia Shipmanagement (TCM) betrieben. Insgesamt waren 24 Personen an Bord. Die Brücke war mit vier Personen besetzt, darunter auch der Lotse.

Kollision trotz Warnung

Die »Helge Ingstad« fuhr mit 17-18 kn nach Süden mit dem automatischen Identifikationssystem (AIS) im passiven Modus, d.h. ohne Übertragung des AIS-Signals. Das Brückenteam der Fregatte hatte den Fedje Vessel Traffic Service (VTS) über die Einfahrt in das Gebiet informiert und folgte der gemeldeten Route. Die »Sola TS «war am Sture Terminal mit Rohöl beladen worden und meldete Fedje VTS die Abfahrt vom Terminal. Die »Sola TS« hatte Navigationslichter an, zsätzlich wurden einige der Decklichter eingeschaltet, um das Deck für die Besatzung zu beleuchten, die die Ausrüstung sicherte.

Fedje VTS hatte vor der Kollision die Passage der Fregatte durch den Hjeltefjord nicht nach Süden verfolgt. Die Besatzung und der Lotse auf »Sola TS« hatten die »Helge Ingstad« beobachtet und versuchten, vor der Gefahr zu warnen und eine Kollision zu verhindern. Die Crew auf der Kriegsschiff wusste nicht, dass sie sich auf Kollisionskurs befand, bis es zu spät war.

Um 04:01:15 Uhr kollidierten die Schiffe. Der erste Einschlagpunkt war der Steuerbordanker der »Sola TS« und der Bereich direkt vor dem Torpedomagazin der Fregatte. Die »Helge Ingstad« erlitt auf der Steuerbordseite erhebliche Schäden. Sieben Besatzungsmitglieder erlitten leichte körperliche Verletzungen. Die »Sola TS« wurde leicht beschädigt und keines der Besatzungsmitglieder wurde verletzt. Gasöl lief in den Hjeltefjord aus.

Offiziere zu unerfahren

Die Untersuchung der AIBN hat nun ergeben, dass die »Situation im Hjeltefjord durch eine Reihe von betrieblichen, technischen, organisatorischen und systemischen Faktoren ermöglicht« wurde: Als Folge des Zulassungsprozesses, der Karriereleiter für Flottenoffiziere in der Marine und des Mangels an qualifizierten Navigatoren zur Bemannung der Fregatten, hatten die Wachoffiziere früher ein Befähigungszeugnis erhalten, hatten ein geringeres Maß an Erfahrung und weniger Fahrtzeit als früher üblich.

Dies hatte auch zur Folge, dass unerfahrenen Wachoffizieren die Verantwortung für die Ausbildung übertragen wurde. Darüber hinaus wurden mehrere Aspekte des Brückenservices nicht ausreichend beschrieben oder standardisiert.

»Nicht gelungen, personelle und technische Ressourcen zu nutzen«

In der Nacht des Unfalls stellte sich unter anderem heraus, dass es dem Brückenteam auf der »Helge Ingstad« nicht gelungen war, die personellen und technischen Ressourcen des Teams zu nutzen, um zu erkennen, dass das, was sie für ein stationäres Objekt hielten, tatsächlich ein Schiff auf Kollisionskurs war. »Organisation, Führung und Teamarbeit auf der Brücke waren in der Zeit vor der Kollision nicht sinnvoll«, so der AIB.

In Kombination mit der begrenzten Erfahrung des Wachoffiziers reduzierte das Training, das für zwei Wachstandfunktionen auf der Brücke durchgeführt wurde, die Fähigkeit des Brückenteams, die gesamte Verkehrssituation zu bewältigen. Basierend auf der festen Annahme, dass das »Objekt« stationär sei und dass man die Passage unter Kontrolle habe, wurde wenig Gebrauch von Radar und AIS zur Überwachung des Fahrwassers gemacht.

Als die Sola TS ihre nördliche Passage mit eingeschalteten, nach vorne gerichteten Decklichtern antrat, war es für das Brückenteam der Fregatte schwierig, die Navigationslichter des Tankers und das Blinken der Aldis-Lampe zu sehen und so das »Objekt« als Schiff zu identifizieren.

Die Reederei Tsakos Columbia Shipmanagement hatte keine kompensatorischen Sicherheitsmaßnahmen getroffen, falls die Sichtbarkeit der Navigationslichter durch Deckbeleuchtung zu verringert ist. »Darüber hinaus gewährleisteten Radarplotting und Kommunikation auf der Brücke nicht ausreichend die Wirkung einer aktiven Teamarbeit, um ein gemeinsames Situationsbewusstsein aufzubauen. Dies hätte das Zeitfenster für die Identifizierung und Warnung der Fregatte erhöhen können«, so der Bericht.

Keine angemessene Verkehrsüberwachung durch Behörde

Die norwegische Küstenverwaltung (NCA) hatte keine menschlichen, technischen und organisatorischen Hindernisse errichtet, um eine angemessene Verkehrsüberwachung zu gewährleisten. Die Funktionalität des Überwachungssystems in Bezug auf automatische Plot-, Warn- und Alarmfunktionen wurde nicht ausreichend an die Ausführung des Schiffsverkehrsdienstes angepasst.

Fehlende Überwachung führte dazu, dass das Lagebewusstsein des VTS-Betreibers und der Überblick über das VTS-Gebiet unzureichend waren. Fedje VTS stellte den beteiligten Schiffen daher keine relevanten und zeitnahen Informationen zur Verfügung und organisierte den Verkehr nicht, um die sichere Abfahrt des Tankschiffes vom Terminal Sture zu gewährleisten.

Auf Südkurs fuhr die »Helge Ingstad« mit AIS im passiven Modus. Das bedeutete, dass die Fregatte nicht sofort auf den Bildschirmen von Fedje VTS oder Sola TS identifiziert werden konnte. Keine der beteiligten Parteien hat die verfügbaren technischen Hilfsmittel ausreichend genutzt. »Es war eine Herausforderung für die Sicherheit im Seeverkehr, dass die Marine ohne AIS-Übertragung und ohne kompensatorische Sicherheitsmaßnahmen in einem Verkehrssystem arbeiten konnte, in dem die anderen Akteure das AIS weitgehend als ihre primäre (und teilweise einzige) Informationsquelle nutzten«, urteilt der AIB