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Die deutschen Seenotretter könnten künftig im Einsatz noch mehr Unterstützung aus der Luft bekommen. Dafür wird ein neues, unbemanntes »Luftfahrtsystem« getestet.

Über der Ostsee[ds_preview] habe man jetzt gemeinsam mit neun Partnern erfolgreich ein unbemanntes Luftfahrtsystem für den Einsatz im Seenotfall getestet, teilte die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) heute mit.

Am Ende des vor drei Jahren gestarteten Forschungsprojektes »Larus« (lat. Möwe) steht ein automatisches Starrflügelflugzeug, das bereits rund 660 sm sicher über See zurückgelegt hat. Eine weiterentwickelte Version könnte künftig auch unter erschwerten Einsatzbedingungen Kommunikation und Datenaustausch bei der Koordinierung von Such- und Rettungsmaßnahmen durch die Seenotleitung Bremen verbessern, heißt es. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat das Projekt im Rahmen des Forschungsprogramms für die zivile Sicherheit gefördert.

»Auf See wird die Rettung an sich auch künftig durch Menschen in Seenotrettungskreuzern und Hubschraubern erfolgen. Unbemannte Luftfahrtsysteme können aber – sofern sie automatisiert fliegen – zusätzliche Kommunikationskapazitäten schaffen und aktuelle Lagebilder liefern«, sagte GeschäftsführerUdo Helge Fox.

Vor der vorpommerschen Küste zwischen Rügen und Usedom wurde mit »Larus« erstmals in den deutschen Seegebieten ein unbemanntes Luftfahrtsystem in ein Szenario zur Suche und Rettung von Menschen in Seenot integriert. »Es galt, einen Dummy in der Ostsee aufzuspüren. Der Demonstrator hat das Objekt schnell gefunden, die Daten an den Seenotrettungskreuzer Berthold Beitz sowie die Seenotleitung übertragen und die Seenotretter sicher zu dem ,Schiffbrüchigen‘ geführt«, berichtete DGzRS-Projektleiter Thomas Lübcke. Bis Ende des Jahres soll LARUS fortgeführt werden, um die Ergebnisse zu sichern und auf dieser Basis konkreten weiteren Entwicklungsbedarf zu benennen, der das System langfristig zur Praxistauglichkeit führen soll.

Das LARUS-System verfügt über einen eigens modifizierten Transponder für das in der Schifffahrt übliche Automatische Identifikationssystem (AIS). Damit kann es Ortungssender lokalisieren, wie sie in modernen Rettungswesten zum Einsatz kommen. »Die AIS-Signale sind meist nur in kleinem Radius um die im Wasser befindliche Person zu empfangen. Das LARUS-System kann sie aus der Luft aufspüren und die Daten an Rettungseinheiten weiterleiten, die noch nicht vor Ort sind«, so die Beschreibung der Seenotretter.

Im Rahmen des LARUS-Projekts wurde ein vom Bremer Unternehmen Hanseatic Aviation Solutions entwickeltes, unbemanntes Starrflügelflugzeug mit 3,6 m Spannweite für die Anforderungen im Seenotrettungsdienst weiterentwickelt und durch verschiedenste Kommunikations- und Sensorik-Komponenten erweitert. Erprobt wurden verschiedene optische und sensorische Nutzlastkomponenten sowie neuartige Konzepte für eine zuverlässige Funkvernetzung. Alle Komponenten senden Live-Informationen zum Boden, von wo aus der sichere Flugbetrieb ständig überwacht werden kann. »Es geht darum, die Seenotretter mit sehr leistungsfähiger Technik für Einsätze unter besonders schwierigen Bedingungen zu unterstützen«, sagte der Koordinator des Forschungsverbundes Christian Wietfeld von der Technischen Universität Dortmund.

Neuland in vielfacher Hinsicht

Mit LARUS habe man vielfach Neuland betreten. Erstmals wurde im deutschen zivilen Luftraum über See ein unbemanntes Luftfahrtsystem mit etwa 25 kg Abfluggewicht bewegt. Es hat das Lagebild in Echtzeit gleichzeitig an verschiedene Nutzer übertragen.

Diese Daten können browserbasiert, also ohne zusätzliche Software, in einem laufenden Einsatzszenario genutzt werden. Der vom Luftfahrtsystem erfasste hochauflösende Videostream wurde in Echtzeit über einen im Projekt erforschten, neuartigen Multi-Link-Ansatz an die Bodenstation übertragen: Hierbei wurden zwei öffentliche LTE-Netze mit einem »spezifisch für das LARUS-System aufgebauten automatisiert so kombiniert, dass bei kurzzeitigen Störungen der Funkausbreitung die Daten des Luftfahrtsystems zuverlässig übertragen werden«. Störungen der Funkausbreitung entstünden beispielsweise, wenn sich Reflektionen der Funkwellen auf der Wasseroberfläche mit der direkten Funkverbindung zwischen Luftfahrtsystem und den Basisstationen überlagern.

Insgesamt ist das System in der Abschlussphase des Projektes rund 660 sm geflogen. Einen großen Teil dieser Strecke legte es außerhalb der Sichtweite der Bodenstation in Höhen von bis zu 2.500 Fuß, also bis zur Obergrenze des unkontrollierten Luftraums, zurück.

LARUS war für Sichtbarkeitstests zudem gemeinsam mit einem Such- und Rettungshubschrauber des Typs »Sea King« aus dem Marinefliegergeschwader 5 der Deutschen Marine in der Luft. Es ist bis zu 140 km/h schnell und bei Windstärken bis sieben Beaufort (mehr als 60 km/h Windgeschwindigkeit) gestartet, geflogen und wieder gelandet. Die Bundesnetzagentur hat LARUS zudem die erste deutsche Frequenz für einen automatischen Starrflügler im SAR-Dienst (SAR Fixed Wing Aircraft) zugeteilt. Fliegerisch hat das System den Angaben zufolge alle Erwartungen der Projektleitung erfüllt.

Übergreifende Zusammenarbeit

»Die für die Luftfahrt wie für die Seenotretter bedeutenden Testflüge sind bisher einzigartig. Realisiert wurden sie dank übergreifender Zusammenarbeit von Behörden und Organisationen auf Landes- wie Bundesebene«, teilte die DGzRS mit.

  • Die Landesluftfahrtbehörde Mecklenburg-Vorpommern hat das Genehmigungsverfahren frühzeitig begleitet.
  • Bundesverkehrsministerium und Deutsche Flugsicherung (DFS) haben für den Betrieb des unbemannten Fluggerätes außerhalb der Sichtweite und in Höhen oberhalb von 300 m über Grund zwei großflächige, temporäre Flugbeschränkungsgebiete eingerichtet und damit die luftverkehrsrechtliche Grundlage für die Test- und Validierungsflüge vor dem Fischland und über dem Greifswalder Bodden geschaffen.
  • Droniq, ein Gemeinschaftsunternehmen der DFS Deutsche Flugsicherung und der Deutschen Telekom, sorgte mit dem UTM (Unmanned Aircraft System Traffic Management System) für die Darstellung der Luftlage. Dafür wurde das unbemannte Fluggerät mit einem LTE-Modul mit integrierter SIM-Karte und GPS-Empfänger ausgestattet. Über Mobilfunk meldete das Modul die aktuelle Position des Fluggeräts an die Server der DFS. Von dort wurde das aktuelle Luftlagebild webbasiert bereitgestellt.