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Schiffsgrößenwachstum vs. städtische Lebensqualität: Eine Gruppe von Kreuzfahrt-häfen will mit dem »Call for Action 2030« einen Kompromiss finden. Der Initiator zieht für die HANSA eine erste Zwischenbilanz.

Nicht nur, aber auch in der italienischen Tourismus-Hochburg Venedig sind die immer größeren Kreuzfahrtschiffe und die immer größeren Passagiermassen[ds_preview] gar nicht mehr so gern gesehen wie es noch vor einigen Jahren der Fall war. Einige Hafenstädte beziehungsweise deren Bürger klagen mittlerweile immer öfter über Umwelt- und Lärmbelastung, überlastete Verkehrs- und Infrastruktursysteme.

In Venedig gab es sogar lautstarken Protest. Hafenchef Pino Musolino sah sich daher gezwungen, aktiv zu werden. Er verfasste einen Brief mit einem »Call for Action 2030« an verschiedene Kreuzfahrthäfen Europas – darunter auch Hamburg –, um sich an einen Tisch zu setzen und Lösungen zu suchen. Darin hieß es: »Der Kreuzfahrtsektor war und ist eine großartige Einnahmequelle und eine Jobmaschine. Die daraus resultierenden Konflikte scheinen in der sehr nahen Zukunft aber nicht mehr handhabbar zu sein.«

Jetzt fand ein erstes Treffen statt. Der Einladung gefolgt waren Vertreter aus Amsterdam, Palma de Mallorca, Bergen, Cannes, Dubrovnik, Malaga und Marseille Fos. Auch ein Vertreter des Internationalen Verkehrsforums nahm teil.

»Die Kick-off-Sitzung war ein wichtiger erster Schritt in einem Prozess, der uns dazu veranlassen wird, einen Plan zur Innovation der europäischen Kreuzfahrtindustrie im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeit und soziale Akzeptanz zu erstellen«, sagte Musolino jetzt der HANSA. Es wurden Schlüsselthemen identifiziert, vor allem die Notwendigkeit, Emissionen zu reduzieren. »Alle erkennen an, dass wir einen Kompromiss zwischen der Größe der Schiffe und den physischen Eigenschaften der europäischen Stadthäfen finden müssen. Die soziale Akzeptanz gegenüber der Branche sollte verbessert werden«, so der Hafenchef weiter. Man wolle die Situation wissenschaftlich bewerten, »um Fake News zu vermeiden«.

Neue Flotte der »Europa-Klasse«?

Das Hauptziel der Initiative ist es, eine gemeinsame Plattform für maßgeschneiderte Strategien zur nachhaltigen Unterstützung der Entwicklung der Kreuzfahrtindustrie auf die Beine zu stellen, mit dem Ziel, die Bedürfnisse der Branche stärker mit den Anforderungen der Städte und Regionen in Einklang zu bringen. Man will nicht weniger als einen neuen und nachhaltigen Ansatz definieren, »mutig genug, um sogar mittelfristig die Schaffung einer kompatibleren Flotte in Betracht zu ziehen, die wir als neue ›Europa-Klasse‹ bezeichnen könnten.«

»Die Teilnehmer sind sich einig über die Bedeutung der wirtschaftlichen Aspekte der Kreuzfahrtindustrie, haben aber gleichzeitig die Notwendigkeit erkannt, koordiniert einzugreifen, um die mit der Kreuzfahrtindustrie verbundenen Auswirkungen und Belastungen zu verringern oder zu beseitigen und gemeinsam mit den Betreibern das bisher angenommene Geschäftsmodell zu überdenken«, so das Abschluss-Statement. Um ein besseres Verständnis zu entwickeln, hatte der Hafen von Venedig eine Umfrage und eine Bewertung durchgeführt, um die spezifischen Bedürfnisse und Maßnahmen zu ermitteln, die für jeden der Häfen maßgeblich sind.

Für den Moment fanden die Häfen zu einigen Zwischenergebnissen: Alle bekräftigten ihr Engagement für die Bewältigung der Umweltaspekte, wobei in den verschiedenen Häfen spezifische Lösungen entwickelt werden sollen. Es müsse ein »tragfähiger und praktikabler Kompromiss« zwischen der Größe der Schiffe und den geografischen und physischen Merkmalen der europäischen Häfen gefunden werden, von denen sich viele erheblich von den Häfen der übrigen Welt unterscheiden. Zudem sei es notwendig, den organisatorischen Aspekt der gesamten Wirtschaftskette zu verbessern, um die Auswirkungen auf die städtische Mobilität und die Lebensqualität in jedem Zielgebiet zu minimieren.

Inwieweit die Initiative zu konkreten Ergebnissen führt – das explizite Ziel ist es, solche den maßgeblichen Institutionen vorzuschlagen, bleibt abzuwarten. Das nächste Treffen ist bereits terminiert, es findet im Januar auf Mallorca statt. Für die Zwischenzeit haben sich die Teilnehmer darauf geeinigt, auf die Ausarbeitung eines Aktionsplans »hinzuarbeiten«.
Michael Meyer