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Ein Update: Im Schatten der großen Handelsstreitigkeiten ist die »Maritime Seidenstraße« fast ein wenig in den Hintergrund gerückt. Dabei wird kräftig investiert – mittlerweile weltweit.

Über 25Mrd. $ hat Peking im Rahmen seiner umstrittenen Infrastruktur-Initiative (HANSA 01/2017) schon in den Transportsektor gesteckt. Das sind[ds_preview] wohlgemerkt lediglich die Mittel, die tatsächlich schon geflossen sind und Projekte, die bereits abgeschlossen sind – also vor allem Einstiege in weltweit verteilte Häfen und deren Aus- und Aufbau. Ein Ende ist vorerst nicht in Sicht. Thomas Eder, Analyst beim in Berlin ansässigen »Mercator Institute for China Studies« (MERICS) wagt im Gespräch mit der HANSA einen Ausblick: »Wir gehen davon aus, dass es mindestens noch einmal 25Mrd. $ werden.«

Eines der in der Schifffahrt prominentesten Beispiele ist der griechische Hafen Piräus, in den China eingestiegen ist. Er ist im Mittelmeer-Hafenwettbewerb stark gewachsen. Eders Ansicht nach ist es allerdings zu früh, von einer größeren Verschiebung von Nordeuropa auf das Mittelmeer zu sprechen, zumal sehr diversifiziert investiert wird, beispielsweise auch in Zeebrugge. Zudem bringen sich Standorte wie Antwerpen und auch Hamburg oder die Häfen Mecklenburg-Vorpommerns immer wieder selbst als Knotenpunkte für die Seidenstraße ins Gespräch, Duisburg gilt ohnehin als wichtiger Hub für Zugverbindungen von und nach China.

Auch wenn Europa nicht (mehr) der Hauptfokus aus chinesischer Sicht ist, muss sich die hiesige Hafenbranche auf weitere Investitionen einstellen, meint man beim Berliner Institut.

Es geht insgesamt um dreistellige Milliardensummen, die China in das Projekt investieren will, das neben der Infrastruktur und der Energieversorgung, dem finanziell bislang größten Segment, mittlerweile auch den Bereich Telekommunikation umfasst.

Transport bleibt zentral

Der Ausbau der Transportinfrastruktur ist und bleibt jedoch ein ganz entscheidender Punkt der Strategie. Langfristig sollen nach dem Wunsch der Staatspartei auch mittels einer »Vernetzung der Gesellschaften« neue Absatzmärkte für chinesische Produkte entstehen, die mit Transporten bedient werden müssen. Kurzfristiger werden bereits umfangreiche Rohstoff- und Anlagenverschiffungen nötig, um Industrie- und Infrastrukturprojekte überhaupt erst zu ermöglichen – mit großen Chancen für die weltweite Breakbulk-, Schwergut- und Drybulk-Schifffahrt. Die Branchen müssen für den Aufbau sorgen, danach sollen zudem Rohöltanker und nicht zuletzt Containerschiffe auf neuen oder zumindest stärker nachgefragten Routen Beschäftigung finden.

Es sollen Mauern und Handelshemmnisse abgebaut und durch ein China-zentriertes Infrastrukturnetzwerk ersetzt werden. Der neue Fokus »Telekommunikation« dürfte entsprechend nicht zu Lasten des Transports gehen: »Es sind nicht kleinere Summen geworden. Peking will – in beiden Bereichen –, dass die eigenen Unternehmen Weltmarktführer werden und hat auch ausreichend Geld dafür. Wenn man jetzt etwa Huawei stärker fördert, heißt das nicht, dass man das nicht für Cosco oder China Merchants weiter tun wird«, sagt Eder.

Für die HANSA zieht er eine kleine Zwischenbilanz für die Initiative und sieht drei Muster.

Erstens hat eine Konsolidierung stattgefunden. »Anfängliche Zweifel an der Langlebigkeit der Initiative haben sich zerstreut«, heißt es seitens des MERICS. Peking hat die Seidenstraße sogar in die Verfassung geschrieben. »Das Projekt steht somit auf stabileren Füßen«, so der Experte. Chinesische Geldgeber würden mehr Wert auf das Risikomanagement und Evaluierung legen, man gehe mit mehr Bedacht vor.

Expansion und Image

Das zweite Muster ist die Expansion. Zunächst geographisch. Es fließt nicht weniger Geld, aber es wird weiter gestreut. Mittlerweile sind nicht mehr 65 Staaten Teil des Projekts, sondern über 120. Damit ist die Seidenstraße vollends zu einem globalen Ansatz geworden, nachdem es anfänglich offiziell um eine Wiederbelebung der Land- und Seerouten nach Europa ging. Zuletzt wurden Vereinbarungen mit Ländern in Lateinamerika, der Karibik, Westafrika oder im Südpazifik geschlossen. Nicht nur im Fall von Panama führte das zu Argwohn seitens der USA.

Zudem gibt es eine thematische Expansion. Zum wirtschaftlichen Aspekt ist die Sicherheit hinzugekommen. China bietet sich als Partner an, etwa mittels eines – mit dem Beidou-Konzern entwickelten – eigenen Satellitennavigationssystems als Konkurrenz zu GPS sowie für Katastrophenhilfe oder Anti-Piraterie-Support.

Das dritte Muster ist eine in diesem Ausmaß für chinesische Verhältnisse fast schon erstaunliche Verhandlungsbereitschaft. In einigen Ländern Asiens gab es große Proteste gegen die chinesischen Investitionen – Kritikpunkte waren mangelnde Transparenz, Korruption und Nachteile für die heimischen Unternehmen. Betroffen waren beispielsweise Malaysia, Sri Lanka, die Malediven und Pakistan. »Die Kritik ähnelt der aus Europa. Das ist durchaus etwas, was China mittlerweile in die Bewertung einbinden muss«, bestätigt der MERICS-Experte. Und Peking reagiert. Auf dem zweiten Seidenstraßengipfel wurde explizit betont, dass qualitativ hochwertige Infrastruktur bereitgestellt würde, auch mit Blick auf erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit. Zudem wurde verkündet, dass die berüchtigte Anti-Korruptionskampagne der Partei auf Seidenstraßen-Aktivitäten ausgeweitet werde. »China will das Image des Projekts verbessern«, so Eder, der jedoch ein »grundsätzliches Problem« ausmacht. Das Prinzip der Initiative ist: eine chinesische Bank finanziert über Kredite und ein Staatsunternehmen bekommt den Auftrag. »Da kann man schwer ein völlig transparentes, glaubwürdig faires Ausschreibungsverfahren machen, bei dem dann auch in gleichem Maße nicht-chinesische Unternehmen zum Zug kommen. Solange sich dieser Grundansatz nicht ändert, wird es weiter Kritik geben.« Allerdings werde versucht, den Effekt abzumildern.

Peking reagiert auf Kritik

Die Kritik hat tatsächlich schon zum Abbruch von Projekten geführt, etwa in Nepal und Pakistan, auch angedachte Hafenprojekte wurden ad acta gelegt.

Ein Beispiel ist Kyaukpyu in Myanmar, es gab diverse Verhandlungsrunden, sodass zwischenzeitlich nicht klar war, wie es weitergeht. »Man muss das ernst nehmen, aber das Seidenstraßen-Projekt wird davon nicht aufgehalten. China gibt allerdings dem Druck in anderen Ländern zum Teil nach, es wird neu verhandelt, zum Teil werden die Preise reduziert«, sagt Eder. »Ich denke, das ist eine sehr positive Entwicklung, wenn Gastgeberstaaten realisieren, dass sie doch ein wenig Verhandlungsmöglichkeiten haben und nicht zu viel zahlen sollten oder Projekte realisieren, die zu groß und unwirtschaftlich sind.

Peking macht das nicht zuletzt, um das eigentliche Vorhaben – Aufträge für die eigenen Unternehmen – nicht aus den Augen zu verlieren. Lieber einen Auftrag zu geringeren Preisen als gar keinen, so die Überlegung offenbar. Die Wirtschaftlichkeit rückt dabei etwas in den Hintergrund, so lange die Beschäftigung gesichert ist. Zwei Zugänge sind möglich: Entweder geben Chinas Banken dem Gastgeberland einen Kredit, dass das staatliche Bauunternehmen damit bezahlt. Oder das Staatsunternehmen bekommt direkt den Kredit und finanziert das Projekt damit als Investment.

Damit bleibt die Kehrseite des chinesischen Geldregens für die maritime Wirtschaft bestehen. In der Schifffahrt sorgt man sich um eine strukturelle Benachteiligung, wenn durch chinesisches Geld vor allem chinesische Reedereien und Hafenunternehmen profitieren. In der Schwergutschifffahrt beispielsweise ist dieses Vorgehen als »China Inc.« bekannt und »leider üblich«, monieren Beteiligte, die angesichts der harten Wettbewerbssituation anonym bleiben wollen. Die Staatsreederei COSCO selbst will von der maritimen Seidenstraße profitieren, widersprach aber schon vor einiger Zeit gegenüber der HANSA, bei der Auftragsvergabe bevorzugt behandelt zu werden.

Unter dem Strich, meint Eder, bleibt der maritime Faktor ein ganz Entscheidender in der Strategie Pekings. China soll eine umfassende maritime Macht werden, wirtschaftlich, wissenschaftlich und militärisch. Selbst wenn das Wirtschaftswachstum der Volksrepublik abnimmt, dürfte die Maritime Seidenstraße weit oben auf der Prioritätenliste stehen bleiben.


Michael Meyer