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Taufe auf der Fassmer-Werft: Mit dem LNG-Antrieb, einer verminderten Schallbelastung und modernster Labortechnik soll das neue Forschungsschiff »Atair« weltweit Maßstäbe setzen. Weitere Neubauten des Bundes sollen folgen.

Die »Atair« wird das neue Flaggschiff des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg. Der 75m lange Neubau kostet[ds_preview] knapp 114Mio. €. Bis zum Frühjahr 2020 soll das Schiff komplettiert und dann offiziell an das BSH übergeben werden.

Es ist das weltweit erste mit LNG betriebene Vermessungsschiff und soll künftig zur Wracksuche und Unterwasservermessung eingesetzt werden. Als Taufpatin fungierte Elke Ferlemann, Ehefrau des Parlamentarischen Staatssekretärs im Verkehrsministerium, Enak Ferlemann.

Der CDU-Politiker sieht das Schiff als einen »Beleg für die Kompetenz der deutschen Werften, Spezialschiffe zu bauen.« Auch Werftchef Harald Fassmer betonte: »Mit dem Neubau konnten wir einmal mehr unsere Kompetenz im Bereich komplexer Vermessungs- und Forschungsschiffe unter Beweis stellen.«

Fassmer hatte 2016 vom BSH den Zuschlag für den Bau eines gleichnamigen Nachfolgers der »Atair« von 1987 erhalten. Mit 2.775 t Verdrängung war der Schiffsrumpf für die Werft in Berne zu groß. Deshalb kam der Rumpf von der Partnerwerft German Naval Yards in Kiel. Im März dieses Jahres war das halbfertige Schiff zur Komplettierung nach Berne verlegt worden.

Die »Atair« besitzt ein komplexes diesel-gas-elektrisches Antriebssystem. Für die Stromerzeugung stehen zwei Sechszylinder-Dual-Fuel-Motoren von Wärtsilä (6L20 DF) mit jeweils 960 kW Leistung zur Verfügung. Die beiden Motoren können mit umweltfreundlichem Erdgas, aber auch mit Dieselkraftstoff betrieben werden. Zusätzlich steht ein reiner Dieselmotor vom Typ Wärtsilä 6L20 mit 1.200 kW Leistung zur Verfügung.

Die Motoren sind elastisch gelagert, um die Lärmemission im Wasser zu minimieren. Auch der siebenblättrige Propeller des Herstellers Schaffran soll die Schallemissionen eindämmen. Er wird von einem Elektromotor mit 1.600 kW Leistung angetrieben. Das Schiff ist außerdem mit jeweils einem elektrisch angetriebenen Bugstrahlruder mit 330 kW, einem Heckstrahlruder mit 200 kW sowie einem Schottel-Pumpjet ausgestattet. Erstmals wurde auf einem Schiff des Bundes ein DP-System installiert.

Mit einem 130m³ großen LNG-Tank kann das Schiff zehn Tage allein im Gas-Betrieb fahren. Damit ist die »Atair« das erste deutsche Behördenschiff mit einem Antriebssystem, das Gas als Kraftstoff nutzt. Für den ebenfalls möglichen Dieselbetrieb ist ein 200-t-Tank installiert, verwendet wird ausschließlich hochwertiges Gasöl mit einem Schwefelgehalt von 0,1%. Damit erhöht sich die Einsatzzeit auf 30 Tage. Eine spätere Umstellung auf den synthetischen und emissionsärmeren Dieselkraftstoff GtL (Gas-to-Liquid) ist bereits eingeplant.

Aber auch so werden mit diesen Motoren die Abgasvorschriften gemäß Tier III sowie der EPA Tier IV sowie die Anforderungen des Umweltsiegels »Blauer Engel« erfüllt. Im Diesel-Betrieb ist eine Abgasnachbehandlung mit SCR-Katalysatoren und Rußpartikelfilter vorgesehen. Bei der Verwendung von Erdgas ist keine Abgasnachbehandlung erforderlich. »Wir sind für die Überwachung der Meeresumweltschutzvorschriften verantwortlich«, sagte BSH-Präsidentin Karin Kammann-Klippstein. »Da müssen wir mit gutem Beispiel vorangehen.«

Die »Atair« erreicht eine Geschwindigkeit von rund 13kn und wird künftig in der Nord- und Ostsee sowie im Nordostatlantik unterwegs sein. Zusätzlich wird sie meereskundliche Messfahrten unternehmen. Auch neue Technologien zum Beispiel im Bereich der E-Navigation und »smart shipping« sollen an Bord entwickelt und erprobt werden.

Das Deckshaus befindet sich im mittleren Bereich des Schiffes mit einer davor liegenden, hohen Back. Hinter dem Deckshaus befindet sich ein 200m² großes, offenes Arbeitsdeck. An Bord sind zwei Nasslabore, ein Trockenlabor und ein Ozeanographie- und Hydrographielabor untergebracht. An Deck können fünf 20-Fuß-Container sowie zwei 10-Fuß-Container mitgeführt werden. Am Heck befindet sich zudem ein schwenkbarer Heckgalgen und auf der Steuerbordseite ein Arbeitskran.

Zur Ausrüstung des Schiffes gehören auch verschiedene Sonar- und Echolotgeräte, eine Einrichtung zur Luftschadstoffmessung, eine umfangreiche Tauchausrüstung einschließlich Taucherdruckkammer sowie zwei Vermessungsboote.

Weitere Schiffsprojekte sind beim Bund bereits in Planung, auch sie sollen für den LNG-Betrieb ausgelegt werden. So sollen neben zwei Mehrzweckschiffen für die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (GDWS) auch zwei weitere Vermessungsschiffe als Ersatz für die beiden BSH-Schiffe »Deneb« und »Wega« gebaut werden.

Ferlemann zeigte sich optimistisch, dass das Geld in Berlin bewilligt werde. Auch erste Gespräche mit der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) über die technischen Anforderungen an die Neubauten seien bereits geführt worden. Die dem Bundesverkehrsministerium zugeordnete Behörde ist zuständig für den Neubau von Spezialschiffen des Bundes – von der ersten Konzeption bis zur Übergabe an den Betreiber. Auch Fassmer darf sich Hoffnungen machen. »Ich bin sicher, dass wieder eine familiengeführte Werft den Zuschlag erhält«, so Ferlemann.


Krischan Förster