Die Brücke der »Spirit of Discovery« (Foto: Meyer Werft)
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Zu den Visionen für die Schifffahrt gehören unbemannte Schiffe. Die Reedereigruppe Bernhard Schulte testet jetzt die »unbemannte« Brücke.

Zunehmende Schiffsverkehre haben[ds_preview] einen Zuwachs an gefährlichen Situationen zur Folge, bei denen Havarien oftmals durch menschliche Fehler begleitet werden, begründeten die Partner heute bei der Vorstellung des neuen Projekts.

Das Fraunhofer CML hat ein Forschungsprojekt initiiert, in dem die sogenannte »wachfreie Brücke« unter dem Namen »B Zero« entwickelt werden soll. »Im Gegensatz zu unbemannten Schiffen befinden sich zwar nautische Offiziere an Bord, jedoch soll B ZERO unter bestimmten Bedingungen für bis zu acht Stunden eine komplett unbemannte Brücke ermöglichen, sodass die Offiziere flexible Wachrhythmen realisieren oder anderweitigen Aufgaben nachgehen können«, heißt es.

Ermöglicht werden soll B ZERO durch den Einsatz von Sensorik, um das Umfeld des Schiffes aufzunehmen, Entscheidungsunterstützungssystemen, um die aufgenommenen Informationen auszuwerten und angemessene Reaktionen einzuleiten, sowie ein Dokumentationssystem, dass die wichtigsten Daten aufbereitet und speichert. Funktionieren soll die wachfreie Brücke in freiem Gewässer über einen Zeitraum von zunächst acht Stunden bei moderaten Umweltbedingungen.

137 Henrika Schulte III
Foto: Fraunhofer

Vier Bausteine seien für die Umsetzung von B ZERO erforderlich, die in den kommenden drei Jahren entwickelt werden sollen:

  • AutoLookout: ein Sensorsystem, das Objekte im Umfeld des Schiffes zuverlässig erkennt, identifiziert und beobachtet.
  • AutoOOW (OOW steht für Officer On Watch, wachhabender Offizier): ein intelligentes Navigationssystem, welches auch bestimmte Navigationsentscheidungen nach vorgegebenen »Standing Orders« ohne Anwesenheit eines Nautikers auf der Brücke umsetzt.
  • Mensch-Maschine-Schnittstelle B ZERO-HMI (HMI für Human Machine Interface): Zusammenarbeit und integrierte Prozesse zwischen dem wachfreien nautischen Offizier und dem autonomen System, auch während kritischen Situationen.
  • Performance-Standard-Entwürfe: Regeln für eine spätere Implementierung der entwickelten Technologien im industriellen Maßstab.

Das System soll von Beginn an unter Realbedingungen gestestet werden. Als Testschiff steht dabei die »Henrika Schulte« zur Verfügung, ein 5.600-TEU-Schiff, dass in Charter bei der japanischen Reederei MOL – Allianzpartner von Hapag-Lloyd – unter dem Namen »MOL GLIDE« im Atlantikverkehr fährt. Auf dem Frachter würden »regelmäßig aktuelle Prototypen installiert und getestet«, so die Mitteilung. Parallel dazu werden begleitende Sicherheits- und Human Factor-Tests im Rahmen der Schiffsführungssimulationsumgebung am Fraunhofer CML durchgeführt.

Weitere Partner in dem Konsortium sind Wärtsilä SAM für die Umgebungssensorik für den Ausguck und Hoppe Bordmesstechnik für die Entwicklung der internen Sensorik sowie der Trimmlage. Die automatische Dokumentation der Reisen während der wachfreien Zeit in B ZERO erfolgt mit dem elektronischen Logbuch von NautilusLog.

Begleitet werden die technischen Entwicklungen vom Bundesinstitut für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), das sich mit den Fragestellungen der Validierung und Verifizierung teilautonomer Brückensysteme beschäftigen soll. Die Darstellung der Navigationsinformationen für die Brücke erfolgt durch das Fraunhofer FKIE. Das CML entwickelt die nautische Entscheidungsfindung und koordiniert das Projekt.

»Fest steht bereits jetzt: Mit dem Fokus auf die Entwicklung von smarten Technologien und nautischen Assistenzsystemen für die Seeschifffahrt und die Verbesserung der Sicherheit auf See durch den Einsatz von Sensortechnologien und Datenanalysen bieten die im Rahmen von B ZERO gewonnenen Erkenntnisse Potenziale für weitere spannende Entwicklungen«, meinen die Partner.

Als Rahmen wird explizit das Förderprogramm »Maritime Technologien der nächsten Generation« des Bundeswirtschaftsministeriums genannt. Forschungsschwerpunkte dieses Programms zielen u.a. auf die maritime Digitalisierung, smarte Technologien und maritime Sicherheit ab. Die Entwicklung innovativer Lösungen bis zur Marktreife soll einen Technologievorsprung in der deutschen und europäischen maritimen Forschung sichern und ausbauen. Die Arbeiten zur Entwicklung von B ZERO beginnen bereits im Dezember. Das Projekt wird vom BMWi mit 2,7 Mio. € gefördert.