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Die Bremer Tankerreederei Carl Büttner erneuert ihre Flotte mit vier Neubauten aus China. Bis Mitte 2020 sollen alle vier Einheiten abgeliefert sein.

Neubauserien sind in der deutschen Schifffahrt seit Jahren eine Rarität. Verengt man den Blick auf kleine Reedereien mit bis zu[ds_preview] zehn Schiffen, kann man die Zahl an ein bis zwei Händen abzählen. Umso größer war das Erstaunen, als die Bremer Tankerreederei Carl Büttner 2017 gleich ein Quartett von Öl- und Chemikalientankern der Handymax-Klasse (38.000 tdw) in China bestellte.

Gut zweieinhalb Jahre später wurde Ende Oktober mit »CB Adriatic« der erste Neubau von der New Hantong Werft in Yangzhong abgeliefert. Nach Aufnahme mehrerer Ladungen in Südostasien trat das 183 m lange und 32 m breite Schiff die Reise Richtung Europa an. Erste Stationen westlich von Suez sind fünf Löschhäfen in Italien und Algerien. Danach soll es in die Ostsee gehen – dem eigentlich vorgesehenen Fahrtgebiet für die »CB Adriatic« und ihre Schwestern, die allesamt mit Eisklasse 1B ausgestattet sind.

»Wir wollen zurück in unseren angestammten Home Trade«, umreißt Büttner-Geschäftsführer Thorsten Mackenthun die Zielsetzung des Neubauprogramms. Die Rede ist von den Öl- und Produktenverschiffungen aus dem Raum Primorsk in der Ostsee zu Abnehmern in Nordwesteuropa bis hinunter zur Iberischen Halbinsel. Von dieser Rennstrecke musste sich die Reederei in den vergangenen Jahren verabschieden, nachdem die russischen Terminals unerwartet die Mindestgrößen für Ladungspartien angehoben hatten. Einst waren rund 22.000t der Standard, wofür Carl Büttner mit seinen vier 24.000-Tonnern aus den Jahren 2002-2006 gut gerüstet war. Heute werden Mackenthun zufolge nur noch Partien von mindestens 30.000t in Primorsk verladen. Für ihn liegt es daher auf der Hand, sich das Geschäft zurückzuerobern. »Wir hatten das genau analysiert. Die übrige Tonnage, die für diesen Trade zur Verfügung steht, ist überaltert.«

Nur ein Wettbewerber in der Ölproduktenschifffahrt hat in neue, für dieses Fahrtgebiet geeignete Handy-Tanker investiert – Scorpio Tankers. Mit den eigenen Neubauten – die in Zusammenarbeit mit dem Shanghai Merchant Ship Design & Research Institute (SDARI) am Reißbrett entstanden – glaubt die Bremer Reederei, das Maximum an Effizienz und Flexibilität herausgeholt zu haben.

Der Hauptvorteil: Die neuen Tanker sind breiter und haben weniger Tiefgang, könnten bis zu 3.000 t mehr an Ladung in wichtige Häfen mit flachen Zufahrten in Nordeuropa bringen als vergleichbare Handymaxe, erläutert Mackenthun.

Neben einem Verstellpropeller (CPP) und Bugstrahlruder für gute Manövrierbarkeit sind die Schwestern mit Abgasreinigungsanlagen (Hybrid-Scrubber) ausgerüstet. So können sie durchgehend mit konventionellem, höherschwefeligem Schweröl fahren. Der Preis für den Brennstoff liegt deutlich niedriger als für Gasöl (MGO) oder Very Low Sulphur Fuel Oil (VLSFO), das ab 2020 auf Schiffen ohne »Scrubber« zum Einsatz kommen muss.

Gleichzeitig ist das Einsatzspektrum der Neubauten, die mit etwas Verzögerung allesamt bis Mitte 2020 abgeliefert sein sollen, nicht auf die Ostsee begrenzt. »Wenn es in der Ostsee nicht klappt, können wir sie auch in der weltweiten Fahrt einsetzen«, so Mackenthun.

Die Namensgebung deutet es an: So werden die Baunummern 3 und 4 der Serie auf die Namen »CB Caribic« und »CB Pacific« getauft. »Damit untermauern wir unsere neuen Ziele in der weltweiten Fahrt.« Ölmultis und Händler zeigten bereits reges Interesse, jetzt werde der Markt sondiert. Wobei das Timing der Ablieferungen mit Blick auf die Ratenentwicklung günstig erscheint.

Zwar hatte es für kleinere Produktentanker zuletzt keine so atemberaubende Rally am Spotmarkt gegeben wie für Supertanker (VLCC). Doch der Trend zeigt nach oben: Laut Clarksons Platou liegt das Ratenniveau für die etwas größeren MR-Tanker im Jahresverlauf bei 15.600 $/Tag, gegenüber 11.200$/Tag im Jahr 2018.

Mit den neuen Schiffen baut Carl Büttner die Kapazität wieder deutlich aus. Seit 2015 war die Flotte durch vier Abverkäufe auf derzeit sechs Einheiten geschrumpft. Wenn alle Neubauten abgeliefert sind, liegt man mit der Anzahl der Schiffe wieder in der Bandbreite von acht bis zwölf Schiffen, die für die Reederei immer typisch gewesen sei, so Mackenthun. Dabei hatten sich in der Frühphase des Neubauprogramms gewaltige Hindernisse aufgetürmt. Als kurz vor Beauftragung der New Hantong Werft der potenzielle Leasing-Finanzierer absprang, musste die Reederei noch einmal von vorn anfangen. Immerhin ging es, Schätzungen zufolge, um rund 33 Mio. $ pro Schiff, was Mackenthun selbst nicht kommentieren möchte. Um Banken für das Projekt zu gewinnen, blieb dem Unternehmen keine andere Wahl, als die Strukturen komplett auf den Kopf zu stellen.

Das Problem: Wie die meisten Reedereien hatte Carl Büttner auf Holding-Ebene nicht genug haftendes Kapital vorzuweisen, da die Schiffe der Flotte auf Einschiffsgesellschaften (»non-recourse«) aufgeteilt waren. »Alle Banken bescheinigten Carl Büttner zwar eine hervorragende Performance, sowohl finanziell als auch technisch. Aber sie fanden unser Corporate zu klein«, so Mackenthun.

Um dem Sicherheitsbedürfnis der Banken zu entsprechen, wurden alle Assets bis Mitte 2017 in einer Finanzholding zusammengeführt. Wobei der Zeitdruck immens gewesen sei, weil der Vorvertrag mit der Werft der Reederei nur fünf Monate Zeit für den Abschluss der Finanzierung einräumte. »Die Wirtschaftsprüfer kamen teilweise um 5 Uhr morgens ins Büro. Die ganze Organisation ist da über sich hinausgewachsen«, sagt Mackenthun. »Erst drei Tage vor Frist­ablauf konnten wir die Aufträge endgültig fix machen.«

Zwei Banken – eine deutsche und eine niederländische – sind jetzt mit im Boot. Der Aufwand hat sich gelohnt. Sollte es in ein paar Jahren um die nächsten Neubauten oder Zukäufe gehen, dürften die Prozesse weitaus reibungsloser verlaufen, sagt Mackenthun.


Michael Hollmann