Alexander Geisler (Foto: ZVDS)
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Mit Blick auf aktuelle Entwicklungen in der Ladungssicherung auf Schiffen wirft die Gewerkschaft ver.di zahlreichen Reedern und Charterern Tarif- und Vertragsbruch vor. Aus der Branche kommt umgehend Widerspruch.

Ver.di hatte heute[ds_preview] eine Erklärung herausgegeben und Reeder sowie Charterer vorgeworfen, einen von den internationalen Sozialpartnern abgeschlossenen Tarifvertrag bislang nicht umgesetzt oder sogar erklärt zu haben, »dass sie den gültigen Vertrag nicht einhalten«.

Hintergrund ist der IBF-Tarifvertrag vom Februar 2018 zwischen internationalem Gewerkschaftsverband ITF und dem internationalem Arbeitgeberverband IMEC (International Maritime Employers Council). Dieser regelt unter anderem, dass in den Häfen weltweit Ladungssicherungsarbeiten auf Seeschiffen von Hafenbeschäftigten durchzuführen sind. Auf Wunsch der Arbeitgeber wurde eine Übergangsfrist für Europa und Kanada bis zum 1. Januar 2020 vereinbart, um dort die Umsetzung zu erleichtern, heißt es.

Seit dem 1. Januar müssen laut ver.di nun auf tarifgebundenen Schiffen in Europa und Kanada ebenfalls alle Ladungssicherungsarbeiten (Laschen) von Hafenbeschäftigten durchgeführt werden. Im Fokus stehen in Europa die Feederverkehre. »Bisher haben die Seeleute auf Feederschiffen, zusätzlich zu ihren umfangreichen Aufgaben auf See, diese körperlich anstrengenden und gefährlichen Arbeiten während ihrer Ruhezeiten übernommen, teilweise noch während der Fahrt, was in Deutschland verboten ist. Dieses Vorgehen ist gravierend sicherheits- und umweltgefährdend und steht der Arbeitssicherheit, dem Gesundheitsschutz und der Schiffssicherheit entgegen«, kritisiert die Gewerkschaft. Man fordere die Politik auf, dafür zu sorgen, dass die Hafenbehörden, die Arbeitsschutzämter und die Berufsgenossenschaften ihren Aufgaben und Pflichten nachkommen und gegen diese Verstöße vorgehen.

»Wir haben die Anregung der Politik aufgenommen, das Problem auf Ebene der Sozialpartner zu lösen und nehmen nun diesen Vertragsbruch nicht hin. Das unsoziale und gierige Verhalten der Reeder und Charterer muss gestoppt werden«, sagte Robert Hengster, bei ver.di zuständig für die maritime Wirtschaft.

Die Reeder und Charterer hätten für die Umsetzung der geänderten »Dockers‘ clause« eine fast zweijährige Übergangsfrist erhalten. Die meisten Unternehmen hätten diese Frist ungenutzt verstreichen lassen und auf Zeit gespielt oder erklärt, den bestehenden Vertrag nicht einzuhalten. Mit diesem Tarif- und Vertragsbruch würden sich die meisten Feeder-Reeder einen Kostenvorteil gegenüber den vertragstreuen Mitbewerbern verschaffen.

»Aktuell führt dieser Tarifbruch dazu, dass die Reederei Unifeeder als größter Marktteilnehmer in Europa am 22. Januar angekündigt hat, die Ladungssicherung zukünftig wieder durch Seeleute ausführen zu lassen – anscheinend unter dem Druck durch Reedereien wie X-Press, Mann Lines, Eimskip, Samskip und NCL, die sich von Anfang an nicht an die Vereinbarung gehalten haben«, schreibt ver.di weiter.

Die europäischen und kanadischen Gewerkschaften der Hafenbeschäftigten haben daher nun beschlossen, gemeinsam mit ihren Dachverbänden ITF und ETF diese Praxis zu bekämpfen.

Aus der Schifffahrt gab es umgehend Widerspruch zu der Sichtweise. Alexander Geisler, Geschäftsführer beim Verband Hamburger und Bremer Schiffsmakler (VHBS), sagte: »Es ist richtig, dass seit dem 1. Januar 2020 eine entsprechende tarifrechtliche Regelung gilt. Diese gilt aber nur zwischen den jeweiligen Tarifparteien und ist entgegen der gerne gewählten Darstellung nicht allgemein verbindlich. Daher haben wir die Versuche der Gewerkschaft, die Regelung auch auf andere Ladungsarten, z.B. Fähren, Ro-Ro und Projektladung, auszudehnen, kritisch gesehen.«

Durch diese unnötige Auseinandersetzung sei allerdings wertvolle Zeit verschwendet worden, um noch offene Fragen zu klären. So sei ist weiter ungeklärt, ob genügend qualifizierte Fachkräfte vorhanden sind und wie mit den Fällen umgegangen werden sollen, in denen dieses nicht der Fall ist. Zahlreiche Häfen insbesondere in der Ostsee hätten angekündigt, dass sie nicht über die nötigen Fachkräfte verfügen.

»Um Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Häfen zu vermeiden, wäre hier eine einheitliche Vorgehensweise zumindest wünschenswert. Zu beachten ist auch, dass der Kapitän trotz dem Einsatz von Dockern letztlich für die Ladungssicherung und damit für die Schiffssicherheit verantwortlich bleibt«, sagte Geisler. Hier wäre noch zu klären, wie eine angemessene Risikoverteilung erfolgen könne.

»Es ist nicht einzusehen, dass das alleinige Risiko bei der Schiffsführung verbleibt, obwohl ein kommerzieller Anbieter zum Einsatz kommt. Es gilt festzuhalten, dass diese Form der Dienstleistung keine neue grundsätzlich neue ist und sie bereits von Reedereien genutzt wird.« Erstaunlich sei jedoch gewesen, dass mit Inkrafttreten der genannten tarifrechtlichen Regelungen zumindest in Europa ein steiler Anstieg des Preisniveaus bei den in Frage stehenden Dienstleistungen zu beobachten war. Zudem habe es zahlreiche Beschwerden von Vertretern der Schiffsbesatzungen gegeben, die sich um diese zusätzliche Einnahmequelle gebracht sehen. »Vor diesem Hintergrund beobachten wir das in Rotterdam anhängige Kartellverfahren sehr genau und erhoffen uns davon zeitnah weitere Erkenntnisse um die genannten Themenkomplexe klären zu können und auch um in Europa einheitliche Rahmenbedingungen vorfinden zu können«, so der Verbandschef.