Coronavirus
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Auch die Schifffahrt muss auf mögliche Einschränkungen vorbereitet sein, um die weitere Verbreitung des Coronavirus zu verhindern, rät eine führende Seerechtskanzlei.

Die Vorbereitung auf eine mögliche Eskalation sei notwendig, sagt Beth Bradley, Partnerin bei Hill Dickinson. Die Schifffahrt müsse auf die gleichen Probleme vorbereitet sein, wie sie bei früheren schweren Krankheitsausbrüchen (anderer Coronaviren oder Ebola) aufgetreten sind. Sie spricht von Infektionen von Besatzungsmitgliedern, Quarantänemaßnahmen, Schließung von Häfen und mögliche Auswirkungen auf Charterparty-Verpflichtungen.

»Auch wenn dieser Ausbruch derzeit nicht die globalen Komplikationen der Ebola- und SARS-Ausbrüche erwarten lässt, ist es für Schiffsbetreiber und Charterer klug, auf eine größere Verbreitung dieses Virus vorbereitet zu sein«, sagt sie.

Quarantäne und Deviation

Verzögerungen aufgrund von Quarantänen und Umleitungen wirken sich bei Charterparties unterschiedlich aus. In Bezug auf die Sicherheit der Besatzung haben die Arbeitgeber gemäß ihrem Arbeitsvertrag eine Fürsorgepflicht gegenüber der Besatzung, und ein Verstoß gegen diese Pflicht kann zu einer Vielzahl von Ansprüchen führen.

Wenn ein Schiff durch eine Quarantäne aufgehalten wird oder aufgrund eines infizierten Besatzungsmitglieds zum Abweichen von seiner Route gezwungen ist, kann das Schiff im Rahmen von Zeitcharterverträgen je nach Wortlaut der Charter off-hire gesetzt werden. Es gibt gängige Formulierungen in Charterparties, nach denen das Schiff aufgrund rechtlicher oder administrativer Beschränkungen off-hire gesetzt wird, wenn sie sich auf die Effizienz oder den Zustand des Schiffes oder der Besatzung auswirkt. Sollte die Verzögerung dennoch die unvermeidliche Folge von Aufträgen sein, die sich aus der Art und Weise ergeben, wie die Charterer das Schiff einsetzen, kann das Schiff dennoch on-hire bleiben. Das Ergebnis hängt in jedem Fall von den Fakten und dem Wortlaut des Chartervertrags ab.

Bei Voyage-Charterparties geht eine Deviation zur Sicherheit der Besatzung zu Lasten des Reeders, da keine zusätzliche Fracht gezahlt werden darf, es sei denn, es wird nach den Haager oder Haag-Visby-Regeln eine »angemessene Abweichung« erfolgreich geltend gemacht.

NOR und Free Pratique

Um die Liegezeit im Rahmen eines Reisechartervertrags zu beginnen, müssen die Eigner eine gültige Notice of Readiness (NOR) abgeben. Damit die Eigner dies tun können, benötigt ein Schiff eine Free Pratique. In Ermangelung gegenteiliger Formulierungen im Chartervertrag sieht die tägliche Praxis vor, dass ein Kapitän eine gültige NOR abgeben kann, ohne zuvor eine Free Pratique erhalten zu haben, vorausgesetzt, dass es keinen Grund gibt, anzunehmen, dass es sich um etwas anderes als eine reine Formalität handelt.

Im Falle eines Krankheitsausbruchs kann ein Schiff jedoch einer Quarantäneverzögerung unterliegen, so dass die Annahme, dass das Schiff ein Free Pratique nicht mehr als reine Formalität zu erachten ist. Wenn ein Schiff ein infiziertes Gebiet anläuft oder angelaufen hat, können besondere Schutzmaßnahmen zu Verzögerungen führen, bis der Gesundheitszustand der Besatzung geklärt ist. Das Risiko solcher Verzögerungen, bis ein gültiges NOR angeboten werden kann, trägt der Eigner, es sei denn, der Charterer sieht etwas anderes vor.

Garantie für sichere Häfen

Im Rahmen eines Chartervertrages seien die Charterer verpflichtet, einen sicheren Hafen zu benennen, eine Anordnung, der die Reedereien nachkommen müssen, es sei denn, es bestehe ein unannehmbares Risiko oder der Hafen ist bekanntermaßen unsicher, sagt Beth Bradley. Risiken für die Besatzung könnten einen Hafen auch dann unsicher machen, wenn keine Gefahr eines tatsächlichen Schadens am Schiff besteht. Folglich könne eine ansteckende Krankheit einen Hafen rechtlich unsicher machen.

Infografik: Neues Virus greift um sich | Statista Mehr Infografiken finden Sie bei Statista

»Die Sicherheit eines Hafens hängt in hohem Maße davon ab, ob angemessene Vorkehrungen und Schutzmaßnahmen getroffen werden, um sicherzustellen, dass ein Schiff den Hafen anlaufen kann, ohne eine Ansteckung der Besatzung zu riskieren. Solche Maßnahmen wurden sowohl während des Ebola- als auch des MERS-Ausbruchs ergriffen, und zahlreiche Häfen blieben trotz dem Ausbruch der Krankheit geöffnet«, sagt sie.

Gegenwärtig sei das Wuhan-Virus nicht in einem Stadium, in dem es einen Hafen unsicher machen könnte, und die Schwere des Ausbruchs müsste erheblich eskalieren, bevor die Eigentümer sich vernünftigerweise weigern könnten, geplante oder nominierte Häfen anzulaufen.

Höhere Gewalt

Eine Standardklausel für höhere Gewalt setzt den Vertrag bei Eintritt eines außergewöhnlichen Ereignisses, das sich der Kontrolle der Parteien entzieht und die Fähigkeit der Parteien zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen wesentlich beeinträchtigt, aus und/oder beendet ihn. Ein solches Ereignis hätte nicht vernünftigerweise vorhergesehen oder gegen ein solches Ereignis vorgesehen werden dürfen.

John Agapitos, Hill-Dickinson-Mitarbeiter, fügt hinzu: »Zur Zeit gibt es nur interne Transportverbote, die bestimmte chinesische Städte im Umkreis des Ausbruchs betreffen. Ein Reiseverbot nach China oder in andere Nachbarländer hat es bisher nicht gegeben. Es ist unwahrscheinlich, dass eine bestimmte Situation in den Anwendungsbereich einer Klausel über höhere Gewalt fällt, es sei denn, der Wortlaut einer bestimmten Klausel ist recht weit gefasst. Wenn der Ausbruch jedoch in Zukunft eskaliert und/oder Reiseverbote verhängt werden, kann die Frage, ob es sich um ein Ereignis höherer Gewalt handelt, in den Vordergrund treten.«