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Bis der geplante Kohleausstieg tatsächlich realisiert ist, dauert es noch einige Jahre. Auch wegen sinkender Massengutumschläge in den Häfen gibt es aber schon jetzt Überlegungen, was als Alternative taugen könnte.

Kohle gilt neben Eisenerz, Getreide und Düngemitteln als eines der Massengüter, die in großen Mengen mit Seeschiffen transportiert werden. Doch[ds_preview] in ein paar Jahren wird sich das mit hoher Wahrscheinlichkeit ändern, zumindest in Europa. Denn seitens der Politik strebt man eine Energiewende an, bei der verstärkt regenerative Energien in den Fokus rücken. Dann hat die Kohle als Rohstoff für die Energieversorgung ausgedient.

Schon jetzt geht deren Umschlagmenge in den nordeuropäischen Häfen langsam aber stetig zurück. In Antwerpen ist das nicht weiter verwunderlich, denn der größte belgische Hafen hat sich anstelle von trockenen eindeutig zu flüssigen Massengütern bekannt.

Doch auch in Rotterdam ist dies zu beobachten. Für 2019 wird im größten europäischen Seehafen ein Rückgang von etwa 3Mio.t. beim Massengutumschlag erwartet, der dann bei rund 75Mio.t liegen würde, wie Emile Hoogsteden, Director of Container, Breakbulk and Logistics beim Hafenbetrieb Rotterdam, gegenüber der HANSA sagt.

»In den kommenden Jahren ist mit einer Fortsetzung dieser Entwicklung zu rechnen«, so Hoogsteden. Ähnlich sieht es Ingo Egloff, Vorstand von Hafen Hamburg Marketing (HHM). »Auf Sicht gesehen wird der Kohleumschlag weniger werden, wenn Kraftwerke abgeschaltet werden.« Im Rotterdamer Hafen soll das im Jahr 2030 der Fall sein, während in Deutschland spätestens im Jahr 2038 kein Kohlekraftwerk mehr am Netz sein soll.

Noch macht man sich in den Häfen aber keine großen Sorgen, dass es in naher Zukunft wegen des angekündigten Kohleausstiegs starke Einschnitte im Massengutumschlag geben könnte. »Die Tendenz ist klar, aber wir sehen derzeit keinen signifikanten Einbruch«, so Egloff, der überdies nicht davon ausgeht, dass die Energiewende schnell vollzogen werden wird.

Auch die Rotterdamer sind diesbezüglich noch nicht beunruhigt. Gleichwohl gibt es aber schon jetzt Überlegungen, welche Güter anstelle der Kohle umgeschlagen werden könnten. »Biomasse ist stark im Kommen«, sagt Hoogsteden. Grund ist nach seinen Angaben die höhere Zusatzverbrennung in Kohlekraftwerken. Von Januar bis September 2019 ist der Umschlag von Biomasse um 84% gestiegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Die Herausforderung sei jedoch, dass derzeit die Flächen für Kohle und Erze ausgelastet seien. Gegenwärtig steht also nur wenig Platz für den Umschlag neuer Güter wie Biomasse zur Verfügung, entsprechend können bisher nur kleine Mengen umgeschlagen werden. Langfristig sei die Umrüstung von Liegeplätzen denkbar, blickt Hoogsteden voraus. Darüber konkret nachzudenken, sei zum jetzigen Zeitpunkt aber noch ein wenig zu früh, dennoch müsse und wolle man die Entwicklung im Blick behalten.

»Unser Ziel ist es, bei der Kraftwerkskohle den Marktanteil zu behalten, oder gar zu vergrößern, auch wenn der Markt insgesamt schrumpft«, sagt Hoogstenden. »Eisenerz, Kokskohle und Schrott werden noch lange Zeit unerlässlich für die deutsche Stahlindustrie bleiben«, daher sehe er nicht die Gefahr eines Bedeutungsverlustes von Massengütern.

Egloff bestätigt ebenfalls, dass sich die Hamburger Terminals bereits mit alternativen Gütern beschäftigen. Im Endeffekt seien dies aber Fragen, die die Umschlagbetriebe selbst für sich beantworten müssten, stellt er klar. Für den Hansaport, das größte Massengutterminal im Hamburger Hafen, könne er sich ungeachtet dessen den Umschlag von Baustoffen oder Schlacke vorstellen.

Verlust von Arbeitsplätzen droht

Auch in Wilhelmshaven wird Kohleumschlag betrieben. An der Jade macht man sich bereits Gedanken, welche Folgen der Kohleausstieg für den Hafen haben könnte. Vom Ausstieg seien hier nicht nur die beiden Kohlekraftwerke von Engie und Uniper betroffen, sondern in erheblichem Maße auch Rhenus Midgard mit der Umschlaganlage Niedersachsenbrücke am Rüstersieler Groden.

Direkt und indirekt seien mindestens 600 Arbeitsplätze gefährdet, heißt es bei der Wilhelmshavener Hafenwirtschafts-Vereinigung (WHV). Sie fordert deshalb Ausgleichsmaßnahmen der Politik. Sowohl im Strukturstärkungsgesetz als auch im Kohleausstiegsgesetz seien aber keine konkreten Fördermöglichkeiten erkennbar, kritisieren WHV-Vorstand Heiner Holzhausen und Matthias Schrell, Geschäftsführer bei Rhenus Midgard Wilhelmshaven.

Bernd Althusmann, Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung und stellvertretender Ministerpräsident, hatte jüngst bei einer Sitzung der Task Force »Wilhelmshaven« bekräftigt, dass der durch den Kohleausstieg bedingte Umstrukturierungsprozess durch die Stadt und das Land frühzeitig begleitet sowie unterstützt werden müsse. Aufgabe der Task Force ist es, wertschöpfende Konversionsprojekte, die umsetzbar und förderungswürdig sind, zu untersuchen.

Wilhelmshaven und die Region dürften beim Kohleausstieg nicht allein gelassen werden, so Althusmann. »Die Region hat das Potenzial, ihre Position als eine der großen Energiedrehscheiben im Nordwesten Europas weiter auszubauen.«

Der CDU-Politiker plant demnach ein vom Land gefördertes Regionalmanagement. So sollen beispielsweise Möglichkeiten erarbeitet werden, wie die bestehende Infrastruktur auch künftig genutzt werden kann. Die Gewerkschaften und lokalen Energieunternehmen sind nun aufgefordert, ihre Vorschläge für den anstehenden Strukturwandel vorzubringen. Diese sollen bei der nächsten Sitzung der Task Force im ersten Quartal 2020 diskutiert werden.

Durch den Kohleausstieg ist geplant, die Steinkohleverstromung am Standort Wilhelmshaven zu beenden. Mit dem aktuell im Bundesrat verhandelten Entwurf des Strukturstärkungsgesetzes soll Niedersachsen für den Standort 157Mio. € an Strukturhilfen erhalten.

Die Stromerzeugung aus Braun- und Steinkohle in Deutschland lag in den ersten drei Quartalen bei rund 125Mrd. kWh und damit fast 50% unter den erneuerbaren Energien. Im Vorjahreszeitraum lagen die Anteile der regenerativen Energien und der Kohle nach Angaben des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in Baden-Württemberg noch fast gleichauf.


Thomas Wägener