Print Friendly, PDF & Email

Auf den heutigen Schiffen fällt immer mehr Abwasser an. Wie damit zu verfahren ist, ist im Anhang IV des MARPOL-Übereinkommens geregelt. Norwegen fordert nun eine umfangreiche Überarbeitung und Anpassung

Der Seeverkehr ist in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Durch die Transport- und Passagierschifffahrt werden aber auch Abwässer in die[ds_preview] Meeresumwelt eingetragen. Für deren Behandlung bestehen land- und seeseitig gesetzliche Regelungen. Die Meere können sich zu einem gewissen Grad selber reinigen. Diese Selbstreinigungskraft ist allerdings begrenzt, wenn große Mengen organischer Verschmutzungen und Nährstoffen ins Meer gelangen oder in Küstennähe eingeleitet werden. Kreuzfahrtschiffe mit einer Kapazität von mittlerweile bis zu 6.800 Passagieren sind von den Abwasserfrachten her vergleichbar mit Kleinstädten. Allein in der Ostsee unternahmen laut dem aktuellen Cruise Baltic Report 2018 fast 5,4Mio. Passagiere eine Kreuzfahrt.

Anforderungen an die Behandlung und Einleitung von Abwasser an Bord von Seeschiffen sind im Anhang IV des Internationalen Übereinkommens zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL 73/78) der internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) festgelegt. Zur Einleitung von Abwasser innerhalb von 12 Seemeilen zum nächsten Land muss an Bord eine zugelassene Anlage zur Abwasserbehandlung betrieben werden. Diese Zulassung basiert auf einer Typenprüfung gemäß MEPC.227(64) und beinhaltet einen praktischen Nachweis der Reinigungsleistung über einen Zeitraum von nur zehn Tagen. Die Prüfung kann mit einer Anlage an Land durchgeführt werden. Eine weitere Überwachung der Reinigungsleistung im laufenden Betrieb an Bord ist nicht vorgesehen.

Anlagen zur Abwasserreinigung an Land unterliegen hingegen strengeren Anforderungen an Zulassung und Betrieb. Selbst kleinere Anlagen für bis zu 50 Personen zur dezentralen Abwasserbehandlung müssen für eine europäische Zulassung nach EN 12566-3 die Reinigungsleistung über einen Zeitraum von 38 Wochen nachweisen. Größere Anlagen unterliegen einer ständigen Überwachung und behördlichen Kontrolle. Vergleichbare Maßnahmen gibt es in der Seeschifffahrt niergendwo anders.

Bereits 2012 informierten die Niederlande die IMO über die Ergebnisse einer durchgeführten Beprobungskampagne von 32 Ablaufproben. Die Messungen haben gezeigt, dass der Großteil der Proben die Grenzwerte nicht eingehalten hat. Bis Januar 2017 wurden insgesamt 127 Ablaufproben von Abwasserbehandlungsanlagen an Bord von Schiffen analysiert. Das Ergebnis: lediglich 3% haben alle Grenzwerte eingehalten. Dies zeigt, dass der gewünschte Beitrag zum Schutz der Meeresumwelt durch die aktuellen Regelungen nicht erreicht wird.

Überarbeitung MEPC.227(64)

Auf der 71. Sitzung des Marine Environment Protection Committee (MEPC) beantragte Norwegen die Überarbeitung der Prüfvorschrift MEPC.227(64). In eine erste Submission an das MEPC Sub-Committee Pollution Prevention and Response (PPR) fanden bereits weitergehende Anforderungen an die Typenprüfung Einzug. Neben der Verlängerung der Testphase auf 30 Tage wurden auch die Kriterien zur Einhaltung der Grenzwerte in Anlehnung an die europäischen Regelwerke für Fahrgastbinnenschiffe vorgeschlagen.

Bei der Erarbeitung wurde allerdings deutlich, dass die alleinige Überarbeitung der Prüfvorschrift nicht ausreicht und eine generelle Anpassung von MARPOL Anhang IV notwendig ist, um die dort festgelegten Umweltziele zu erreichen. Es müssen Vorkehrungen getroffen werden die sicherstellen, dass die Leistung der Anlagen zur Abwasserreinigung während ihrer gesamten Lebensdauer zufriedenstellend ist.

Submission von Norwegen

MARPOL Anhang IV trat 2003 in Kraft. Bis heute gab es keine signifikanten Aktualisierungen obwohl es technologische Weiterentwicklungen im Hinblick auf Effizienz und Umweltfreundlichkeit gab. Für eine sichere Einhaltung der Ablaufgrenzwerte sind aber zusätzliche Anforderungen notwendig und beinhalten neben einheitlichen Testbedingungen auch Kontrollmechanismen zur Überwachung der Ablaufqualität im laufenden Betrieb.

Daher beinhaltet die aktuelle Submission von Norwegen zur siebten Sitzung von PPR im Februar 2020 MARPOL Anhang IV, um Regelungen zu den folgenden Themen zu erweitern:

• Funktionsnachweis bei Inbetriebnahme der Anlage an Bord

• Funktionsnachweis der Anlage in regelmäßigen Intervallen im Betrieb

• Indikative Parameter zur Kontrolle der Ablaufqualität im Betrieb

• Erweiterte Anforderungen an Inspektionen und Zertifikatsverlängerungen

• Berücksichtigung von Speichertanks für unbehandeltes/behandeltes Abwasser

• Rückstände aus der Abwasserbehandlung

• Probenahmestellen

• Abwassermanagementpläne

• Abwassertagebücher

Die DIN-Normenstelle Schiffs- und Meerestechnik (NSMT) in Hamburg ist zuständig für die nationale Normung auf dem Gebiet der Schiffs- und Meerestechnik. Der Arbeitsausschuss »Wasserversorgung und –entsorgung« (NA 132-02-04 AA) erarbeitet aktuell eine mehrteilige nationale Norm mit dem Titel »Schiffe und Meerestechnik – Abwasserbehandlung – Prüfung und Betrieb«. Diese Arbeit ergänzt und unterstützt aktiv die auf internationaler Ebene stattfindende Überarbeitung der rechtlichen Vorschriften zum Schutz der Meeresumwelt.
Markus Joswig und Toni Rieger – Prüfinstitut f. Abwassertechnik (PIA)