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Erstmals seit Jahren hat die Mehrzahl der P&I Clubs wieder allgemeine Beitragsanhebungen für die »Renewals« angesetzt. Steht den Reedern über Jahre ein harter Markt bevor?

Vor einem Jahr war es nur der West of England Club, der sich mit einer Prämienerhöhung von 5% für alle[ds_preview] Mitglieder aus der Deckung wagte. Alle übrigen 12 Clubs der International Group – mit Ausnahme des norwegischen Versicherers Skuld, der seit einigen Jahren nur noch individuelle Prämienanpassungen vornimmt – hielten offiziell an der Nullrunde fest.

Das Prämienniveau gab angesichts des scharfen Wettbewerbs am Ende sogar spürbar nach. Ob sich Manager und Underwriter von West of England in ihrer Sonderrolle wohl fühlten, sei dahingestellt. Im Nachhinein betrachtet waren sie Vorreiter. Denn dieses Jahr sind es schon neun der 13 großen Schiffshaftpflichtversicherer, die den gleichen Kurs eingeschlagen und ihren Mitgliedern für das Jahr 2020/21 (per 20.02.) generelle Prämienerhöhungen verordnet haben.

Sechs der Clubs fordern +7,5%, zwei +5% und einer +2,5%. Das ist zwar nicht mit den teilweise zweistelligen Anhebungen der Jahre 2012/13 und 2013/14 vergleichbar. Es markiert aber ein Ende des mindestens drei Jahre währenden »weichen« Marktes mit tendenziell sinkenden, bestenfalls stagnierenden Prämien.

Minus von 300 Mio. $

Ausschlaggebend für den Umschwung waren die verschlechterten wirtschaftlichen Ergebnisse der P&I Clubs im vergangenen Jahr (2018/19). Zusammen verzeichneten die 13 Mitglieder der International Group einen Fehlbetrag in Höhe von rund 300Mio.$. Entsprechend schrumpften die freien Reserven aller Clubs auf gut 5,3Mrd.$.

Der finanzielle Druck hat im bisherigen Jahresverlauf nicht nachgelassen. Im Kerngeschäft des Underwritings fahren die meisten weiterhin Verluste ein. Die Schadensquoten sind laut Zwischenberichten der Clubs sogar weiter angestiegen – das Resultat aus dem Zusammenwirken sinkender Prämien bei gleichzeitig wieder ansteigenden Großschäden.

Der North P&I Club – die Nummer 2 der Branche – warnt seine Mitglieder vor einem Gesamtverlust im laufenden Jahr. Die kombinierte Schaden-Kosten-Quote (Schäden und operative Kosten gegenüber Prämieneinnahmen) werde noch über den Vorjahresstand von 105% klettern und wohl nicht durch positive Kapitalerträge voll ausgeglichen werden können.

Wie ihre Kollegen bei anderen Clubs weisen die Manager von North auf einen Anstieg der schweren Schäden von je mehr als 10 Mio. $ seit dem vergangenen Jahr hin, die innerhalb der International Group gepoolt werden und somit alle Mitglieder treffen. Im eigenen Buch habe man dieses Jahr zwei schwere Fälle verzeichnet – die Untergänge des ConRo-Schiffs »Grande America« sowie des Autotransporters »Golden Ray« – die sich zu »Pool Claims« entwickeln dürften.

Auch die Nummer 3, der UK P&I Club, stimmt die Mitglieder in seinem Herbst-Zwischenbericht darauf ein, dass die Schaden-Kosten-Quote das Vorjahresniveau von 114% überflügeln könnte. Der Standard Club – viertgrößter Anbieter – warnt ebenso vor einem erneuten Fehlbetrag, der aus den Rücklagen zu decken sein wird.

Bei Britannia lautet die Prognose für die Schaden-Kosten-Quote 108% und damit unverändert zum Vorjahr. Trotzdem sieht sich Britannia aufgrund seiner starken Kapitalisierung abermals in der Lage, 15 Mio. $ aus den Reserven an seine Mitglieder auszuschütten. Der Club sorgte zudem mit der Ankündigung für Aufsehen, dass es künftig keine generellen Beitragsanhebungen mehr geben werde, sondern nur noch individuell verhandelbare Prämienanpassungen.

Gard sticht heraus

Britannia folgt damit dem Modell des norwegischen Wettbewerbers Skuld. Dies stelle jedoch keine Absage per se an Prämienanhebungen auf breiter Front dar, nur die Taktik sei künftig eine andere, wie Versicherungsmakler betonen.

Beim Steamship Mutual heißt es, dass die Schäden im laufenden Jahr höher als im vergangenen Jahr wie auch im Durchschnitt der vergangenen sechs Jahre lägen. Die Schaden-Kosten-Quote werde sich bei über 100% einpendeln. Prämientechnisch schlägt das Management einen ungewöhnlichen Kurs ein: Für 2020 wird eine allgemeine Beitragsanhebung von 7,5% angestrebt – gleichzeitig soll es einen Rabatt von 7,5% auf die 2019er Prämie für alle Flotten geben, die ihre Deckung bei Steamship verlängern.

Der Aufwärtstrend bei den Kosten wird somit noch einmal abgefedert, was sich positiv auf die Loyalität der Mitglieder bei den bevorstehenden Renewals auswirken dürfte. Dahinter steht wohl die Sorge, dass eine zu aggressive Preispolitik zu Lasten der Marktanteile gehen könnte.

Positiv sticht mit Blick auf die finanziellen Ergebnisse der Marktführer Gard heraus, der seinen Überschuss in den ersten sechs Monaten auf 65 Mio. $ mehr als verdoppeln konnte. Die Schaden-Kosten-Quote stieg zwar deutlich an – auf 96% über alle Segmente (Vorjahr: 78%) – liegt aber immer noch im positiven Bereich. Damit stellt Gard eine Ausnahme dar.

Vor allem profitierte der Club von einer rasanten Erholung der Kapitalerträge auf 58Mio.$ im bisherigen Jahresverlauf. Auch allen anderen P&I-Versicherern spült der Aufwärtstrend an den Börsen dieses Jahr ordentlich Geld in die Kasse.

Für Skuld, den Swedish Club und den Shipowners’ Club reichten die Investmentgewinne den Zwischenberichten zufolge dicke aus, um die Verluste im Underwriting zu decken. Vor allem der Swedish und der Shipowners‘ Club legten dadurch gegenüber dem Vorjahr einen spektakulären Turnaround hin: von -0,2 Mio. $ auf +16,9 Mio. $ (Swedish) und von -26 Mio. $ auf +27 Mio. $. Trotzdem will sich keiner der Clubs darauf verlassen, dass die Kapitalerträge ewig sprudeln und die Verluste im Underwriting ausgleichen. Sowohl die Schweden als auch der Shipowners‘ Club haben ihren Mitgliedern für 2020 eine Beitragsanhebung von mindestens 5% verordnet.

Es herrsche Konsens unter allen Clubs, dass man in Zukunft ein ausgeglichenes Underwriting-Ergebnis erzielen müsse, kommentiert der italienische P&I-Broker P. L. Ferrari in seinem jüngsten Marktbericht. »Das alte Sicherheitsnetz der Kapitalerträge hat wohl ausgedient.« Angesichts des Aufholbedarfs bei den Schaden-Kosten-Quoten dürfte der Aufwärtstrend der Prämien gerade erst begonnen haben, so P. L. Ferrari. Den P&I-Versicherungsnehmern stünden mehrere Jahre strenger Finanz- und Prämiendisziplin seitens der Club-Manager bevor, bis die Prämieneinnahmen auf einem nachhaltigen Niveau angekommen seien. »Das Ziel lässt sich nicht durch eine Prolongation erreichen.«

Zweite Seite der Medaille

Prämienanhebungen sind dabei nur die eine Seite der Medaille. Zusätzlich heben die Clubs die Franchisen (Selbstbehalte) weiter an und wälzen damit einen wachsenden Anteil der Claims-Kosten auf die Mitglieder ab. Der UK P&I Club setzt die Standard-Franchise von 12.000 auf 15.000$ hoch, bei anderen Clubs wie Skuld, Standard, Steamship und North werden die alle noch bestehenden Franchisen unter 20.000 bzw. 25.000 $ pro Schaden um 1.000 bis 2.500 $ angehoben.

Für ein weiteres wichtiges Element der P&I-Prämie sind die Würfel noch nicht gefallen: den Zuschlag für die Rückversicherungskosten der P&I-Clubs. In den vergangenen Jahren sind die Kosten hierfür stets gefallen, was sich positiv in der Bruttoprämie niederschlug. Ob die P&I Clubs den Rückversicherern ein weiteres Mal Zugeständnisse abringen können, ist fraglich. Denn der Anstieg der Großschäden seit vergangenem Jahr – sowohl bei P&I als auch bei Seekasko – wird sich in den Büchern der Rückversicherer noch deutlich drastischer niedergeschlagen haben. Der Appetit auf Risiken wird ihnen ein Stückweit vergangen sein.
Michael Hollmann