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Nicht-tarifäre Maßnahmen (NTM) könnten die Handelsbeziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich (UK) und der Europäischen Union (EU) nach dem Brexit zu erheblichen Brüchen führen, die laut einer neuen UNCTAD-Studie bis zu 32 Mrd. $ oder 14% der britischen Exporte in die EU ausmachen.

NTM sind andere politische Maßnahmen als die üblichen Zolltarife, die potenziell wirtschaftliche Auswirkungen auf den[ds_preview] internationalen Warenhandel haben können, indem sie die gehandelten Mengen, die Preise oder beides verändern. Sie sind die Schlüsselfaktoren, die den Marktzugang in der Weltwirtschaft regeln. Zu den NTM gehören regulatorische Maßnahmen zum Schutz der Gesundheitssicherheit und der Umwelt ebenso wie traditionelle handelspolitische Maßnahmen wie Quoten und nichtautomatische Lizenzen.

Die potenziellen Verluste durch Zölle infolge eines »No-Deal«-Brexits, die von den jeweiligen Parteien auferlegt werden können, werden auf 11,4 bis 16 Mrd. $ oder 5-7% der derzeitigen Exporte geschätzt. Die neue Studie »Brexit jenseits von Zöllen: Die Rolle nichttarifärer Maßnahmen und die Auswirkungen auf die Entwicklungsländer« der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) besagt, dass NTMs diese Verluste verdoppeln würden.

Die Studie geht auch davon aus, dass selbst wenn die Parteien ein »Standard«-Freihandelsabkommen unterzeichnen würden, die britischen Exporte immer noch um 9% sinken könnten.

Die Verluste würden der britischen Wirtschaft einen schweren Schlag versetzen, da der EU-Markt 46% der britischen Exporte ausmacht. Steigende Handelskosten aufgrund nichttarifärer Maßnahmen und potenziell steigender Zölle würden die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen für das Vereinigte Königreich, die EU und die Entwicklungsländer mehr als verdoppeln, so die Studie.

»Die EU-Mitgliedschaft hat ihre Vorteile im Umgang mit nicht-tarifären Maßnahmen, die selbst das umfassendste Abkommen nicht replizieren kann. Daraus können andere Regionen, die versuchen, mit solchen nichttarifären Maßnahmen wirksamer umzugehen, wichtige Lehren ziehen«, sagt die Direktorin für internationalen Handel der UNCTAD, Pamela Coke-Hamilton.

Potentieller Segen für Entwicklungsländer

Auf der anderen Seite könnten die Exporte aus den Entwicklungsländern nach Großbritannien und in geringerem Maße auch in die EU zunehmen, wenn erstere die Zölle für Drittländer nicht erhöhen.

Ein »No-Deal-Brexit« könnte den Entwicklungsländern demnach einige Möglichkeiten bieten, da Handelsbeschränkungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU den Lieferanten aus Drittländern zugute kämen. Im Gegensatz dazu schlösse ein Abkommen zwischen ihnen den Anreiz aus, sich an Drittländer zu wenden, so die Studie.

Allerdings könnte der positive Drittlandeffekt durch eine zunehmende regulatorische Divergenz geschmälert werden. Wenn die Vorschriften des Vereinigten Königreichs im Laufe der Zeit von denen der EU abweichen, würden die Handelskosten für Drittländer aufgrund der Kosten für die Anpassung des Produktionsprozesses und der möglichen Verdoppelung der Konformitätsnachweise steigen. Dies würde kleinere und ärmere Länder sowie kleine und mittlere Unternehmen unverhältnismäßig stark treffen.

Auswirkungen auf die Entwicklungsländer nach Sektoren

Die Studie untersucht quantitativ die Rolle von NTMs nach dem Brexit und die Konsequenzen für Entwicklungsländer, indem mögliche Auswirkungen mit Hilfe eines Paneldaten-Gravitationsmodells simuliert werden.

In einem reinen Zollszenario würden die Exporte der Entwicklungsländer nach Großbritannien um 1,3 bis 1,5 % steigen, während sie in einem Szenario mit Zöllen und NTM laut der Studie um 3,5 bis 4 % zunähmen.

Die positiven Auswirkungen wären am stärksten ausgeprägt in den Bereichen Landwirtschaft, Nahrungsmittel und Getränke, Holz und Papier und am schwächsten in den Bereichen Elektrotechnik und Maschinen, Metallprodukte, Chemikalien sowie Textil- und Bekleidungsindustrie.

»Harte« und »weiche« Ausstiegsszenarien

Großbritannien hat die EU im Januar verlassen. Die beiden Parteien wollen ihre künftigen Handelsbeziehungen während einer Übergangszeit bis Ende dieses Jahres festlegen.

Während ein »hartes« Ausstiegsszenario zu den Projektionen der Studie führen würde, hängen die wirtschaftlichen Auswirkungen eines »weichen« Ausstiegs, bei dem der Status quo bis zur Aushandlung einer künftigen Handelsbeziehung weitgehend beibehalten wird, von den Einzelheiten dieser Beziehung ab.

»Ausgehend von den Ergebnissen der Studie sollte diese Beziehung die NTMs umfassender behandeln als typische Freihandelsabkommen (FTAs) und Zollunionen, die in anderen Teilen der Welt beobachtet werden, um mögliche negative Auswirkungen zu minimieren«, so die Autoren. Etwa ein Drittel der gesamten handelsfördernden Wirkung der EU unter ihren Mitgliedern sei auf die Art und Weise zurückzuführen, wie sie mit NTM umgeht.

Standard-FTAs und Zollunionen entfalten ihre handelsfördernde Wirkung vor allem durch Zollsenkungen. Obwohl Zölle auch im EU-Kontext wichtig sind, gibt es dennoch substanzielle Hinweise auf eine Wirkung der EU auf den Handel, die über die Wirkung von Nullzöllen hinausgeht, was vor allem auf die Wirksamkeit ihres Ansatzes im Umgang mit NTMs zurückzuführen ist.