Print Friendly, PDF & Email

Da die Bedeutung gekühlter Fracht stetig zunimmt, bauen Häfen die Kapazitäten aus.


Reedereien führen immer neue Linien­verbindungen ein.

Wer in der heutigen Zeit ein herkömmliches Kühlschiff zu sehen bekommt, kann zweifelsohne von einem seltenen Anblick sprechen. Denn die[ds_preview] Zahl dieser Schiffe geht weiter zurück. Einst wurden diese Spezialschiffe gebaut, um verderbliche Ware schnell von A nach B zu befördern. Mit Einführung des Kühlcontainers ist ihre Bedeutung jedoch stetig zurückgegangen. Heute gibt es nur noch wenige Reedereien, die im Besitz reiner Kühlschiffe sind.

Ein Hafen, an dem die im Volksmund als »Bananenjäger« bezeichneten Schiffe regelmäßig Station machen, ist das russische St. Petersburg. Einheiten des 1999 gegründeten Unternehmens Baltic Shipping laufen den russischen Hafen regelmäßig an. Seit mehr als 20 Jahren ist die Reederei auf den Transport von Ladung mit konventionellen Kühlschiffen spezialisiert. Um ganzjährig zu Häfen wie St. Petersburg zu gelangen, ist die gesamte Flotte mit Eisklasse ausgestattet.

Maersk hat in St.Petersburg Mitte 2019 mit dem Bau eines Kühlhauses begonnen. 30.000 Palettenstellplätze stehen hier nach Fertigung zur Verfügung, 200 Lkw können dann bedient werden. Die Lagerkapazität beträgt 50.000t.

Laut Maersk ist Russland seit 2017 der zweitgrößte Bananenimporteur der Welt und die Obstimporte nehmen weiter zu. Die Einfuhr von Bananen stieg 2018 um 1%, die von Zitrusfrüchten um 7,4% und die von Äpfeln um 13,5%.

Zudem verfügt das 1998 in Betrieb gegangene First Container Terminal (FCT) in St. Petersburg über 2.905 Steckplätze für Kühlcontainer und ist damit eine der größten Umschlaganlagen für Reeferboxen in Europa.

Neuer Umschlagplatz in Dover

Wegen der erhöhten Nachfrage nach Perishables sind die Kapazitäten für den Umschlag von Kühlladung an anderen Orten schon an ihre Grenze gestoßen.

Bedarf für neue Flächen gab es beispielsweise in der am Ärmelkanal gelegenen Hafenstadt Dover. Im Dezember 2019 ist dort das neue Dover Cargo Terminal West in Betrieb gegangen. Erstes Schiff an dem Mehrzweckterminal war die 143m lange und 22m breite »Lady Rosebay«, ein konventionelles Kühlschiff, das 2010 auf der japanischen Werft Kitanihon Shipbuilding in Hachinohe gebaut wurde.

Das neue Terminal verfügt über zwei Liegeplätze mit 340m und 240m Länge. Die Wassertiefe beträgt 10m. Als Umschlagwerkzeuge stehen zwei 125-t-Hafenmobilkrane des Gottwald Model 5 mit der Bezeichnung G HMK 5506 des finnischen Unternehmens Konecranes bereit. Die Länge ihrer Ausleger beträgt bis zu 51m. Sie werden hybrid betrieben, um effizienteren Verbrauch, weniger Schadstoffemissionen sowie geräuschärmeren Umschlag zu gewährleisten. Überdies gibt es drei Reachstacker sowie einen Leercontainerstapler. Ferner wurde auf dem Gelände ein neues, 10.000 m2 großes temperaturgeregeltes Lagerhaus errichtet. Darüber hinaus stehen umfangreiche Freilagerflächen zur Verfügung.

Ein weiterer wichtiger Hafen für Tiefkühlwaren in Großbritannien ist Portsmouth. Den Handel dort wickelt Portico ab. Das Unternehmen betreibt zwei Liegeplätze, einen 285m langen, wovon 240m eine Wassertiefe von 7,30m haben, und einen 190m langen, mit 8,30m Wassertiefe, an dem bis zu 164m lange Schiffe festmachen können.

Frischware ist das Kerngeschäft von Portico, das Spektrum reicht von Ananas, Süßkartoffeln und Zitrusfrüchten bis hin zu Tomaten. Zudem wird hier die Mehrheit der Bananen angeliefert, die in Großbritannien verzehrt werden. Die Früchte kommen aus Afrika, Südamerika und der Karibik. Weiter sorgt das Unternehmen auch für die Versorgung des Landes mit Avocados. Bei unterschiedlichen Temperaturen kann eine Vielzahl von Waren in den Tiefkühlhäusern gelagert werden.

Geest bedient Portsmouth wieder

Kürzlich ist die Reederei Geest Line nach Portsmouth zurückgekehrt. Der erste Frachter, die »Luzon Strait«, brachte Anfang Dezember vergangenen Jahres Bananen aus der Karibik, insgesamt waren 9.000 Paletten an Bord. Auch bei dieser Einheit handelt es sich um ein konventionelles Kühlschiff.

Die Entscheidung von Geest Line den Hafen Portsmouth wieder zu bedienen, sei sowohl von Bananen- als auch von Stückgutkunden positiv aufgefasst worden, so der Hafen. »Es ist großartig, dass wir unser erstes Schiff wieder in Portsmouth willkommen heißen konnten. Wir haben fünf Frachter, die künftig jeden Freitag nach einer Fahrt von 4.000 Meilen von der Karibik aus wöchentlich hier anlegen werden«, sagt Kapitän Peter Dixon, Geschäftsführer der Geest Line. Sein Unternehmen bedient mit seinen Schiffen seit mehr als 60 Jahren Europa mit Gütern aus der Karibik und umgekehrt.

Vlissingen wird zum Tiefkühl-Hub

Der Hafen Vlissingen, der zum niederländisch-belgischen Hafenverbund North Sea Port gehört, hat sich zu einem Umschlagzentrum für Tiefkühlcontainer entwickelt. Seit neuestem gibt es dort wieder eine direkte, wöchentliche Verbindung zu den Niederländischen Antillen. Der Liniendienst wird von Streamlines betrieben, einem Partnerunternehmen von Seatrade, das sich auf den Containertransport zwischen Europa und den Antillen spezialisiert hat. Die Fahrzeit zwischen Vlissingen und dem ersten Antillenhafen Willemstad beträgt elf Tage, 13 Tage sind es bis Bonaire, dem letzten Ziel auf den Antillen. Die Schiffe werden in Vlissingen am Terminal von Kloosterboer abgefertigt.

Diese Umschlageinrichtung wird seit September 2019 auch von MSC bedient, der weltweit zweitgrößten Linienreederei im Containertransport. Erstes MSC-Schiff dort war die 3.400TEU große »MSC Alabama«. Die 242m lange Einheit wurde 1996 gebaut und fährt unter der Flagge Panamas. Der Frachter wird im Angola Express Service eingesetzt, der Nordeuropa mit Westafrika verbindet.

Westafrika, mit Senegal an der Spitze, sei ein wichtiger Abnehmer von Zwiebeln aus der Region Zeeland, zu der auch Vlissingen zählt, heißt es. Die Entscheidung von MSC den Schelde-Hafen direkt per Schiff anzulaufen ziehe auch andere Geschäfte an, sagt Gerben Paauwe, Standortleiter von Kloosterboer in Vlissingen.

Auch die französische Reederei CMA CGM bedient die Umschlageinrichtung von Kloosterboer in Vlissingen seit einiger Zeit mit einem Afrika-Dienst. Wie bei den MSC-Frachtern werden auch hier hauptsächlich Kühlcontainer umgeschlagen.

Seit etwa einem Jahr wird der niederländische Hafen von einem Containerliniendienst angelaufen, den Chiquita Brands International von Mittelamerika nach Europa eingerichtet hat. Fünf Vollcontainerschiffe werden eingesetzt. Diese Linienverbindung ermögliche frischere Bananen und eine längere Haltbarkeit von den Tropen bis zu den Verbrauchern, so Chiquita. Der Transport in Kühlcontainern wirke sich auch positiv auf die Qualität der Früchte aus. Durch die Schiffe erhöht Chiquita die Staukapazität um 12,5%. Vlissingen sei ein modernes Drehkreuz, von hier könnten alle nordeuropäischen Ziele mit der besten Transitzeit bedient werden, sagt der Fruchthändler.

Weil das Tiefkühlgeschäft so gut funktioniert – jährlich werden bis zu 1,7Mio. t umgeschlagen – plant North Sea Port einen Ausbau der bestehenden Anlagen in Zusammenarbeit mit den vorhandenen Partnern. Zur Zeit werden noch Mobilkrane eingesetzt, Ziel sei es aber, künftig ein Terminal mit Portalkranen zu haben, die das Be- und Entladen beschleunigen. Dadurch sollen mehr Importeure angezogen werden. Der nötige Platz sei vorhanden, heißt es: »Der Hafen macht große Schritte in der Entwicklung der Containerisierung.«

Container- statt Kühlschiffe

In den großen Seehäfen der Nordrange gibt es dagegen kaum noch herkömmliche Kühlschiffe. Wie Ingo Egloff, Vorstand von Hafen Hamburg Marketing (HHM), mitteilt, hat im Hamburger Hafen Anfang vergangenen Jahres das letzte konventionelle Kühlschiff festgemacht. Gleichwohl hat sich die Menge ungeschlagener Kühlgüter nach Auskunft von HHM von 2010 bis 2018 um 27% erhöht. Die Bedeutung der Frischewaren für den Hafen ist also gestiegen, jedoch werden sie nicht mehr mit herkömmlichen Kühlfrachtern angeliefert, sondern von Containerschiffen.

Ähnliche Trends sind auch anderswo in Europa zu beobachten. Auch im Hafen Antwerpen, der viele Jahre lang von Kühlschiffen zahlreicher Reedereien bedient worden ist, sind diese Schiffe beinahe gänzlich verschwunden. Außnahmen sind das zu Siem Shipping gehörende Unternehmen Star Reefers und Dole, die noch regelmäßig mit Kühlschiffen kommen.

Rotterdam baut neuen Food-Hub

In Rotterdam hat die Tiefkühlware ebenfalls eine hohe Bedeutung. Nach Auskunft des Hafenbetriebs sind etwa 12,5% der jährlich umgeschlagenen Boxen Kühlcontainer. Das entspricht in etwa einer Menge von 1,8Mio. TEU.

Wie hoch die Bedeutung der Frischware in Europas größtem Seehafen ist, lässt sich auch dadurch ablesen, dass gegenwärtig auf einer Fläche von rund 60 ha der sogenannte Rotterdam Food Hub gebaut wird. Bisher lieferten die herkömmlichen Kühlschiffe die Frischeprodukte in den Eemhaven. Dieser befindet sich mitsamt des Cool Port und den großen Kühllagern unweit des Stadtzentrums.

Der Rotterdam Food Hub dient als Ergänzung, er liegt deutlich weiter entfernt vom Stadtkern in unmittelbarer Nähe zu den großen Containerterminals auf der Maasvlakte. Die Rotterdamer sehen in Agrarlebensmitteln einen Wachstumsmarkt. Nach den USA sind die Niederlande die weltweit zweitgrößte Exportnation für landwirtschaftliche Erzeugnisse. 2017 betrug das Handelsvolumen fast 92Mrd. €. Dies trug dazu bei, dass der Rotterdamer Hafen mit einem Umschlag von 16Mio.t jährlich nach eigenen Angaben in Westeuropa Marktführer ist.

»Wir möchten das Wachstum unserer Kunden im Agrarlebensmittelbereich gerne weiter unterstützen«, sagt Emile Hoogsteden, Geschäftsführer für Container, Breakbulk & Logistics des Hafenbetriebs Rotterdam. Der Rotterdam Food Hub biete dafür ideale Voraussetzungen.

Mehrere Liegeplätze für Seeschiffe sind geplant, die speziell für gekühlte Ladung vorgesehen sind. Außerdem werden Liegeplätze für Binnenschiffe eingerichtet. Die Warenlager befinden sich in unmittelbarer Nähe zur Kaje, sodass gekühlte und gefrorene Ladung schnell gelagert, bearbeitet oder weiter transportiert werden kann. Von den 60ha stehen ca. 45ha für die Ansiedlung von Unternehmen zur Verfügung. Vorbereitende Arbeiten wie Bodenuntersuchungen haben bereits im Frühjahr 2019 stattgefunden und der Bau einer provisorischen Straße sowie der Versorgungseinrichtungen für die Bauarbeiten wurde im Juni begonnen. Ende 2020 sollen die ersten Unternehmen ihre Arbeit aufnehmen.

Bei den Importen sind die Top drei nacheinander Zitrusfrüchte, Bananen und Trauben. Auch viele Fruchtsäfte finden über Rotterdam ihren Weg zum Verbraucher. Gemüse, Zwiebeln und Kartoffeln sind die größten Exportgüter, gefolgt von Schweinefleisch, Geflügelprodukten, Käse, Freilandpflanzen und Hering. Nach China werden von Rotterdam aus die meisten Agrarlebensmittel exportiert, während die meisten Importe aus Südafrika, Brasilien und Costa Rica kommen.

Nordfrost erhöht Kapazitäten

Am JadeWeserPort in Wilhelmshaven baut der Tiefkühlspezialist Nordfrost die Kapazitäten aus. Am bestehenden Tiefkühlhaus wird ein vollautomatisches 40m hohes Tiefkühl-Hochregallager mit angeschlossenen Hygienebereichen für Verarbeitungslinien angebaut. Zudem entsteht eine Schwerlasthalle für Projektverladungen mit eigenem Bahnanschluss, in der auch die seemäßige Verpackung von Maschinenteilen und Komponenten angesiedelt wird. Die Kosten liegen nach Unternehmensangaben bei 66Mio. €.

Die Hygienebereiche für die Lebensmittelverarbeitung sollen im November 2020 in Betrieb gehen, das Hochregallager im Mai 2021. Der Bau der Schwerlasthalle hat im Sommer 2019 begonnen und soll elf Monate dauern, »zeitlich etwas nachlaufend« werde die Bahnanbindung fertiggestellt, heißt es.

Nordfrost war 2012 der erste Ansiedler in der an den Hafen angrenzende Logistikzone. Seither ist das damals 23.000m2 große Logistikzentrum beinahe um die dreifache Größe gewachsen. 104Mio. € hat Nordfrost bisher in den Standort investiert. Das 33ha große Gelände des Nordfrost Seehafen-Terminals ist aktuell zu rund 50% durch 70.000m2 Hallenflächen und 90.000m2 befestigte Außenanlagen bebaut. Zu etwa je einem Drittel befinden sich in den 18m hohen Lagerhallen Tiefkühlwaren, Frischeerzeugnisse und Trockenprodukte wie Möbel, Haushaltswaren und Spielsachen. Auf den Außenflächen gibt es ein stetig wachsendes Containerdepot. Hier können die Boxen auch repariert und gewaschen werden. Ebenso erfolgt hier der Umschlag von Importholz aus Containern auf Lkw.

Nach Fertigstellung der Arbeiten stehen noch rund 11ha zur weiteren Bebauung zur Verfügung. An der Planung für weitere Projekte am Terminal werde bereits »intensiv gearbeitet«, so Nordfrost.

Zusätzlich siedelt sich die Firma im Rheinhafen Wesel an. Dort investiert sie an einer Kaianlage in eigene Containerbrücken und Lagerkapazitäten. Von dort aus soll es per Binnenschiff Verbindungen nach Rotterdam und Antwerpen geben. Durch den Ausbau des Bereichs Hafenlogistik sollen den Verladern größere Alternativen geboten werden.


Thomas Wägener