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Die maritime Industrie ist derzeit stark auf die Entwicklung und den Einsatz alternativer Kraftstoffe fokussiert. Die Tücke liegt nicht selten im technischen Detail. In Hamburg wird der Einfluss unterschiedlicher Optionen auf die Verbrennung und die Emissionen bei Dieselmotoren untersucht

Neben dem batterieelektrischen Antrieb und der Brennstoffzellentechnik gibt es einen weiteren Weg, den steigenden Bedarf nach Mobilität und Transport CO2[ds_preview]-neutral und emissionsarm zu decken: alternative Kraftstoffe. Diese eignen sich nicht nur für Neuentwicklungen, sondern ebenso für bestehende Motoren, insbesondere für schwere Fahrzeuge.

Diesen Kraftstoffe sind die synthetischen Kraftstoffe (E-Fuels), die nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren hergestellt werden, sowie Biokraftstoffe der dritten Generation zuzurechnen, welche nicht mit der Nahrungsmittelproduktion konkurrieren. Der Betrieb mit einem bestimmten Kraftstoff wird schon bei der Entwicklung des Brennverfahrens eines Motors berücksichtigt.

Hilfreich sind hierbei die normierten Kraftstoffspezifikationen, die für Europa in der DIN EN 590 für Dieselkraftstoffe festgelegt sind. Bei der Entwicklung alternativer Kraftstoffe ist man daher bemüht, sich eng an die bestehenden Spezifikationen anzulehnen, um einen freizügigen Betriebseinsatz möglichst ohne Anpassungen des Motors an den jeweiligen Kraftstoff zu gewährleisten.

Chemischer Aufbau

Grundlegend unterscheiden sich alternative Kraftstoffe in ihrem chemischen Aufbau und in ihrer Zusammensetzung als Stoffgemisch gegenüber fossilen Kraftstoffen. Das hat Einfluss auf die Verbrennung im Dieselmotor sowie auf die Emissionsbildung.

Hieraus leitet sich eines der Forschungsthemen am Institut für Fahrzeugtechnik und Antriebsystemtechnik der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg ab: Der Einfluss unterschiedlicher alternativer Kraftstoffe und deren Eigenschaften auf die Verbrennung und die Emissionen bei Dieselmotoren. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen die grundlegende Erforschung der Zusammenhänge und die Entwicklung geeigneter Methoden zum Vergleich und zur Bewertung verschiedener Kraftstoffe. Auch der Einsatz von »drop-in fuels«, Zumischkraftstoffen zu handelsüblichen Dieselkraftstoffen, soll untersucht werden.

Die hochpräzise Messung des Zylinderdruckverlaufs mit anschließender thermodynamischer Analyse des Motorprozesses steht im Mittelpunkt der Untersuchungsverfahren. Darüber hinaus werden umfangreich gasförmige und feste Emissionen gemessen.

Eine reine chemisch-physikalische Analyse des Kraftstoffs reicht nicht aus, um Kraftstoffe hinsichtlich des Verbrennungsablaufs im Motor zu beurteilen. Es finden sich darin zwar Werte zu Viskosität, Dichte, Cetanzahl und teilweise zum Siedeverlauf, diese bieten aber nur einen Hinweis darauf, ob sich ein Kraftstoff grundlegend für den Betrieb eignet. Kennzahlen wie die Cetanzahl oder der Cetanindex lassen zumindest einschätzen, ob der Kraftstoff grundsätzlich mit dem vorhandenen Brennverfahren kompatibel ist.

Motorprüfstand nötig

Aussagen über den Ablauf der Verbrennung lassen sich daraus nicht direkt ableiten, sondern erfordern zunächst die Untersuchung auf einem Motorprüfstand.

Vergleichende Verbrennungsuntersuchungen erfordern besondere Prüfstandmaßnahmen, insbesondere sind Kühl- und Schmiermedien sehr genau zu konditionieren.

Der stationäre Betriebspunkt muss mit hoher Reproduzierbarkeit gefahren werden können. Weiterhin ist eine frei programmierbare Motorsteuerung erforderlich, um etwaige Regeleingriffe einer serienmäßigen Motorsteuerung auszuschließen.

Die eingesetzte Abgasmesstechnik an einem der im Institut verwendeten Motorprüfstände ermöglicht es, neben den gesetzlich regulierten Schadstoffen auch weitere, nicht limitierte Abgasbestandteile zu ermitteln. So kommen auch Verfahren wie die Fourier-Transform-Infrarotspektrometrie (FTIR) zum Einsatz, um unerwünschte Formaldehyde oder Methan zum Beispiel im Gasbetrieb zu quantifizieren.

Zur Anwendung kommt außerdem ein hochauflösendes Indiziermesssystem, so dass der Zylinderinnendruck auf 0,1°KW aufgelöst über eine große Zahl von Arbeitsspielen gemessen wird. Dies bildet die Grundlage für die thermodynamische Analyse, welche die Wärmefreisetzung des Kraftstoffs im Motor berechnet. Die Grundlage der Berechnung ist der 1. Hauptsatz der Thermodynamik, zahlreiche Modelle und Kennwerte liefert die reale Kreisprozessrechnung.

Als Ergebnis einer thermodynamischen Analyse stehen Informationen wie der Temperaturverlauf im Brennraum und der Brennverlauf zur Verfügung. Dieser gibt die Wärmefreisetzung pro Grad Kurbelwinkel an. Die Verbrennungsanalyse startet mit dem Einspritzbeginn. Der Zündverzug gibt die Zeitdauer vom ersten Eintritt des Kraftstoffs bis zum Beginn der Wärmefreisetzung an. In dieser Phase beginnen komplexe physikalische und chemische Vorgänge. Der physikalische Teil wird durch Einspritzparameter maßgeblich beeinflusst, der chemische Anteil dagegen von den Kraftstoffeigenschaften sowie den Randbedingungen wie Temperatur und besonders Druck im Zylinder.

Diese hängen von den Einlassbedingungen, dem Verdichtungsverhältnis, dem Einspritzbeginn und den Zylinderwandtemperaturen ab. Somit ist ein direkter Einfluss auf die Verbrennung theoretisch nur über die Einspritzung, den Kraftstoff oder den Betriebspunkt möglich.

Um das Zusammenspiel zwischen Kraftstoff, Einspritzvorgang, Verbrennung und Emissionsbildung darzustellen, wird zusätzlich ein Einspritzanlagenprüfstand eingesetzt. Der gesamte Einspritzvorgang kann damit unabhängig von der motorischen Verbrennung betrachtet werden. Dort werden Einspritzinjektoren sowie die Einflüsse der Einspritzparameter vermessen. Auch verschiedene Kraftstoffeigenschaften wie die Dichte können hinsichtlich der Auswirkungen auf den Einspritzvorgang untersucht werden. Ein solcher Prüfstand steht am Institut zur Verfügung.

Das Zusammenspiel der Prüfstandtechnik ist besonders effizient, wenn wie hier identische Komponenten wie Einspritzinjektoren und deren Ansteuerungssystem gleichermaßen im Einspritz- und Motorenprüfstand zum Einsatz kommen.

In einem Versuch zum Brennverlauf als Teilergebnis einer thermodynamischen Analyse wurde die Cetanzahl mit Hilfe verschiedener Mischungsverhältnisse von Kraftstoff A mit einer Cetanzahl von CZ 55 und Kraftstoff B mit einer Cetanzahl von CZ 43 variiert. Die Messungen wurden für einen Betriebspunkt mit genau gleichgehaltenen Randbedingungen ausgeführt.

Wärmefreisetzung

Es ist zu erkennen, dass sich die Wärmefreisetzung während der Vorverbrennung mit sinkender Cetanzahl in Richtung »spät« verschiebt und gleichzeitig der Maximalwert abnimmt. Dagegen verhält sich die Wärmefreisetzung der Hauptverbrennung entgegengesetzt. Wie sensitiv das entwickelte Verfahren Unterschiede detektiert, zeigt besonders eine vergrößerte Darstellung der Vorverbrennung des zuvor dargestellten Gesamtbrennverlaufs.

Diese exemplarischen Auswertungen zeigen, dass es mit einer sinnvoll applizierten Vorentflammung gelingt, Dieselkraftstoffe mit unterschiedlichen Zündeigenschaften sicher zu entzünden und eine stabile Verbrennung sicher zu stellen.


Marcel Pietsch, Wolfgang Thiemann, Institut für Fahr­zeugtechnik und ­Antriebssystem­technik

Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg