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Wissenschaftler an Bord des deutschen Forschungsschiffs »Polarstern« haben einen spektakulären Fund gemacht: Er zeichnet möglicherweise ein neues Bild von der Antarktis. Damit könnte das Schiff mit einer seiner letzten Reisen endgültig in die Geschichtsbücher eingehen.

Ein internationales[ds_preview] Forscherteam unter Leitung von Geowissenschaftlern des Alfred-Wegener-Institutes, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) aus Bremerhaven habe ein neues und bislang einzigartiges Fenster in die Klimageschichte der Antarktis aufgestoßen, heißt es jetzt in einer Veröffentlichung.

Der Fund an sich liegt schon einige Zeit zurück, aber jetzt gehen die Forscher damit an die Öffentlichkeit – mittels einer Aufarbeitung einer Expedition im Wissenschaftsjournal »Nature«. In einem Sedimentbohrkern, den die Forschenden im Februar 2017 im westantarktischen Amundsenmeer geborgen haben, fanden sie nahezu ursprünglich erhaltenen Waldboden aus der Kreidezeit, einschließlich vieler Pflanzenpollen und -sporen sowie eines dichten Wurzelnetzwerkes, heißt es.

In dem Bohrkern, den die Forschenden auf einer »Polarstern«-Expedition mit dem Bremer Meeresboden-Bohrgerät »MARUM-MeBo70« vor dem westantarktischen Pine-Island-Gletscher gezogen haben, fanden sie nahezu ursprünglich erhaltenen Waldboden aus der Kreidezeit. »Erste Analysen ließen zudem vermuten, dass wir in einer Tiefe von 27 bis 30 m unter dem Meeresboden auf eine Schicht gestoßen waren, die sich einst an Land gebildet haben musste und nicht im Meer«, berichtet Johann Klages, Geologe am AWI.

Für die »Polarstern«, die aktuell im Eis eingeschlossen in arktischen Gewässern driftet, sollte es eigentlich einer der letzten Expeditionen in ihrer jetzigen Funktion gewesen sein. Die Bundesregierung plant einen Neubau. Wann genau der kommt, ist allerdings noch unklar. Erst kürzlich war die Ausschreibung gestoppt worden. Bis ein Nachfolger in Dienst gestellt wird, soll das 38 Jahre alte Schiff weiter betrieben werden.

Die Vegetationsüberreste würden belegen, dass vor etwa 90 Millionen Jahren ein gemäßigter, sumpfiger Regenwald im Küstenbereich der Westantarktis wuchs und die Jahresdurchschnittstemperatur etwa 12 ° Celsius betrug – ein für das Südpolargebiet außergewöhnlich warmes Klima, welches nach Auffassung der Wissenschaftler nur möglich wurde, weil der antarktische Eisschild fehlte und die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre deutlich höher war als Klimamodellierungen bislang vermuten ließen.

Die mittlere Kreidezeit vor circa 115 bis 80 Millionen Jahren gilt nicht nur als das Zeitalter der Dinosaurier, sie war auch die wärmste Periode der zurückliegenden 140 Millionen Jahre. Nach bisherigem Wissensstand betrug die Meeresoberflächentemperatur in den Tropen damals rund 35 ° Celsius; der Meeresspiegel lag bis zu 170 m höher als heute. Weitgehend unbekannt war bislang jedoch, wie die Umweltbedingungen zu jener Zeit südlich des damaligen Polarkreises aussahen. Aus der Antarktis gab es bis jetzt kaum aussagekräftige Klimaarchive, die so weit zurückreichen. Der neue Bohrkern bietet den Wissenschaftlern nun erstmals die Gelegenheit, anhand einzigartiger Spuren das westantarktische Klima der mittleren Kreidezeit zu rekonstruieren.

»Die vielen pflanzlichen Überreste deuten darauf hin, dass der Küstenbereich der Westantarktis vor 93 bis 83 Millionen Jahren eine Sumpf- und Moorlandschaft bildete, in der ein gemäßigter Regenwald mit vielen Nadelhölzern und Baumfarnen wuchs – so, wie man ihn heutzutage zum Beispiel noch auf der Südinsel Neuseelands findet«, sagte Ulrich Salzmann, Paläoökologe an der Northumbria University im englischen Newcastle upon Tyne.