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Erneut haben westafrikanische Piraten ein Schiff geentert. Und erneut geht es um die Gewässer von Benin. Der jüngste Fall betrifft eine deutsche Reederei.

[ds_preview] Der Branchendienst Dryad berichtet von einem Angriff auf das 2014 gebaute Containerschiff »Tommi Ritscher« der in Jork ansässigen Reederei Gerd Ritscher.

Das 255 m lange Schiff mit Platz für 4.957 TEU soll am Sonntag auf Reede vor der Hafenstadt Cotonou in den Gewässern von Benin geentert worden sein. Der Meldung zufolge kam eine unbekannte Anzahl an Piraten mit einem Schnellboot auf das Containerschiff zu und ging schließlich an Bord. Weil ein Einsatzboot der Marine von Benin den Vorgang beobachtete und sich auf den Weg zum Ort des Geschehens machte, zog das Schnellboot wieder ab, nachdem es einige Männer auf die »Tommi Ritscher« geschafft hatten.

Elf Besatzungsmitglieder seien in der Zitadelle eingeschlossen. »Die übrigen acht Besatzungsmitglieder werden derzeit vermutlich an Bord des Schiffes festgehalten«, heißt es weiter.

Mit dem jüngsten Überfall entwickelt sich Benin – neben vor allem Nigeria – immer mehr zu einem echten Hotspot der Piraterie. »Dies ist der zweite Vorfall innerhalb des Ankerplatzes von Cotonou innerhalb des Jahres 2020 und der fünfte Vorfall an diesem Ort innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten«, heißt es beim Sicherheitsdienst Dryad. Ob es zu einer Lösegeldforderung oder ähnlichem kommt, ist unklar. »Während die vollständigen Einzelheiten des Vorfalls unbekannt seien, beschränken sich die Vorfälle innerhalb des Ankerplatzes überwiegend allerdings auf verdächtige Annäherungen und Einsteigen zum Zwecke des Bagatelldiebstahls«, so die Meldung. Allerdings wird auch deutlich gemacht: »In den Gewässern vor Cotonou und im benachbarten Lomé gab es eine Reihe schwerwiegenderer Vorfälle, bei denen Besatzungsmitglieder in einer Entfernung von 40 bis 150 sm entführt wurden«.

Ausgangspunkt der Piraterie-Entwicklung in der Region ist Nigeria, wo sich »normale« Piraterie mit politischen und zum teil terroristischen Aktivitäten vermischt. Auch die Nachbarstaaten von Nigeria sind jedoch von dem Problem betroffen, weil die Piraten immer wieder auf deren Gewässer ausweichen, wenn Nigeria seine Bemühungen – meist nur zwischenzeitlich – intensiviert.

In Westafrika nehmen Entführungen von Seeleuten durch Piraten immer mehr zu. Während die Angreifer es früher zumeist auf die (Öl-)Ladung von attackierten Tankern abgesehen hatte, ist ein Wechsel in der Strategie zu beobachten. Dabei handelte es sich – zumindest in der Vergangenheit – nicht selten um Aktionen von Rebellen, die gegen die Ölindustrie und deren Auswirkungen für die Gesellschaft sowie die grassierende Korruption vorgehen wollen. Es wird festgestellt, »dass diese Gruppe die Grenzen der Überwachung durch nationale Sicherheitsbehörden kennt«. Die Piraten hätten es auf Transporte für und von der Ölindustrie in der Region abgesehen.

Zuletzt gab es wiederholt Forderungen nach einer internationalen Militäroperation zum Schutz der Handelsschifffahrt. Von politischer Seite wird auch immer wieder beteuert, das man sich des Problems bewusst ist. Allerdings gilt der Einsatz von Kriegsschiffen oder eine internationale Militärallianz, wie sie etwa vor Somalia sehr erfolgreich im Kampf gegen Piraten war und ist, als wenig realistisch. Im Unterschied zu Somalia handelt es sich bei den westafrikanischen Ländern wie Nigeria, Benin, Togo oder Kamerun nicht um sogenannte »failed states«. Es gibt Regierungen und staatliche Strukturen. Auch wenn diese zu oft mit der eigentlich nötigen Arbeit überfordert sind und die zum Teil grassierende Korruption die Piraterie weiter befeuert, handelt es sich um souveräne Staaten. Ein Einsatz von ausländischen Marine-Einheiten wird von den dortigen Regierungen mitunter als Einmischung in innere Angelegenheiten empfunden und daher prinzipiell abgelehnt.