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Die Digitalisierung jahrhundertealter Systeme wie Bills of Lading bleibt eine Herausforderung. Trotz zahlreichen Aktivitäten dürfte bis zu einer global einheitlichen Regelung noch etwas Zeit vergehen.

Konnossemente zu digitalisieren, ist seit Jahrzehnten ein Anliegen vieler Akteure in der Schifffahrt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Transaktionen[ds_preview] können dadurch deutlich schneller und effizienter werden. Daher hat das Comité Maritime International (CMI) bereits 1990 ein entsprechendes Regelwerk erarbeitet. Die Anwendung der Bestimmungen muss allerdings von den Vertragsparteien vereinbart werden und hat sich bislang nicht durchgesetzt. Zudem gibt es mit Unternehmen wie Bolero (Bill of Lading Electronic Registry Organisation), ESS (Electronic Shipping Solutions) und E-Title sowie edoxOnline, WAVE und CargoX inzwischen diverse Anbieter.

Sowohl Bolero als auch ESS sind beispielsweise bei Hapag–Lloyd seit Jahren bekannt und mit beiden Portalen wurden auf Kundenwunsch bereits verschiedene Pilotprojekte durchgeführt. Im Containergeschäft sei die Nachfrage am Markt nach eOBLs jedoch sehr gering gewesen, so die Hamburger Reederei. Ein Problem hierbei sei die notwendige Teilnahme aller Beteiligten am eOBL-Prozess: Sobald ein Consignee oder eine Bank nicht mitspielt, muss daher auf den manuellen Prozess zurückgestellt werden. Darüber hinaus gestaltete sich die Einbindung der Portale in den Prozess und Dokumentenfluss von Hapag-Lloyd als schwierig. Entsprechend bleibe abzuwarten, wie sich die Plattformen TradeLens und GSBN bei den Marktteilnehmern durchsetzen werden.

»Bei Bolero und ESS, um zwei Beispiele zu nennen, handelt es sich um private Anbieter, die in geschlossenen Systemen arbeiten«, erläutert Tim Schommer, auf das Seehandelsrecht spezialisierter Rechtsanwalt und Partner der Hamburger Kanzlei Clyde & Co, und ergänzt: »Wer diese E-B/Ls nutzt, unterwirft sich den entsprechenden Regelungen der Unternehmen, die auf dem englischen Recht basieren und nicht in jeder Hinsicht im Einklang mit dem deutschen Recht stehen. Dies führt zumindest in Bezug auf die nicht abdingbaren Regelungen des Handelsgesetzbuchs zu nicht unerheblichen Problemen.«

HGB regelt Gleichstellung

Die Regelungen zum Konnossement befinden sich in den §§513ff. des Handelsgesetzbuches (HGB). Hier wurde mit der Reform des Seehandelsrechts im Jahr 2013 auch §516 eingefügt. Absatz 2 dieser Norm besagt, dass dem Konnossement eine elektronische Aufzeichnung gleichgestellt ist, »die dieselben Funktionen erfüllt wie das Konnossement, sofern sichergestellt ist, dass die Authentizität und die Integrität der Aufzeichnung gewahrt bleiben (elektronisches Konnossement)«. In §516 Absatz 3 HGB wird das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zudem ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Einzelheiten der Ausstellung, Vorlage, Rückgabe und Übertragung eines elektronischen Konnossements sowie zum Verfahrens einer nachträglichen Eintragung in ein elektronisches Konnossement zu regeln.

Von einer zu detaillierten Regelung wurde dabei abgesehen, heißt es auf Nachfrage der HANSA seitens des Bundesjustizministeriums. »Denn die betroffenen Wirtschaftskreise sollten für die Umsetzung in der Praxis ausreichend Flexibilität erhalten, um zunächst Erfahrungen mit der Verwendung elektronischer Konnossemente zu sammeln.«

Entsprechend beabsichtige das Bundesjustizministerium derzeit nicht, von der Verordnungsermächtigung Gebrauch zu machen: Eine zusätzliche Ausgestaltung im Verordnungswege könnte zu Vorgaben führen, die sich möglicherweise schnell überholen würden.

»Ob der Gesetzgeber hier zum Erlass einer Verordnung verpflichtet ist oder nicht, ist in der juristischen Fachliteratur umstritten«, berichtet Schommer. Zieht man jedoch in der Auslegung die Gesetzesbegründung hinzu, ist die Auslegung des Bundesjustizministeriums zumindest nachvollziehbar: »Von einer weiter gehenden, detaillierten Regelung des elektronischen Konnossements soll abgesehen werden, da ausreichende Erfahrungen mit der Verwendung elektronischer Konnossemente in der Praxis noch fehlen. Die Erstellung elektronischer Konnossemente soll jedoch zumindest ermöglicht werden. Auf Grund der in Absatz 3 vorgesehenen Verordnungsermächtigung kann jedoch das Bundesministerium der Justiz ergänzende Regelungen erlassen«, heißt es dort.

Forschungsprojekt in Oldenburg

Um mehr rechtliche Klarheit herbeizuführen, gibt es seit Januar 2019 ein Verbundprojekt unter Leitung des Zentrums für Recht der Informationsgesellschaft (ZRI) der Universität Oldenburg. Im Rahmen des vom Bundeswirtschaftsministeriums mit 1,4Mio. € geförderten Vorhabens mit dem Titel »Handelbarkeit physikalischer Güter durch digitale Token in Konsortialnetzwerken« , kurz »Haptik«, wird noch bis Ende 2021 daran gearbeitet, ladungsspezifische Transportpapiere durch elektronische Äquivalente zu ersetzen. Die Wissenschaftler wollen diese Aufgabe mit der Blockchain-Technologie lösen. Schommer begrüßt dieses Vorhaben: »Hier wird, anders als bei den privaten Anbietern, ein neutraler und nicht profitorientierter Ansatz verfolgt.« Zudem stünde ein solches System im Einklang mit dem deutschen Recht. »Ein weiterer Vorteil ist, dass ein solches elektronisches Konnossement auch wieder nicht-elektronisch werden kann, das System ist also auch in dieser Hinsicht nicht geschlossen.«

Digital Standards Initiative

Das Ziel einer international einheitlichen Regelung liegt jedoch noch in der Ferne. »Sehr wahrscheinlich wird die Implementierung einer vollständig digitalen Umgebung in der Handelswirtschaft noch etwas Zeit brauchen«, erwartet Olivier Paul, Director Finance for Development der Internationalen Handelskammer (ICC). Allerdings: »Wenngleich es noch eine große Kluft bei der Rechtsvereinheitlichung gibt, ist der Druck aus dem Markt in diese Richtung sehr stark.«

So steht die ICC kurz davor, mit einem neuen Projekt in Singapur zu starten. Hier soll künftig die neue Digital Standards Initiative (DSI) dafür verantwortlich sein, Standards für die Interoperabilität von verschiedenen Plattformen auf Basis der Distributed-Ledger-Technologien zu etablieren. »Noch im zweiten Quartal dieses Jahres soll die DSI arbeitsfähig sein. Es wird ein Lenkungsausschuss aufgesetzt mit allen Akteuren der Branche, also Banken, Unternehmen und Versicherer sowie Logistikdienstleister, Händler, Kanzleien und FinTechs«, berichtet Paul. Ziel ist keine eigene Blockchain-Plattform, sondern das Schaffen von Instrumenten zur Vernetzung, die es unterschiedlichen Technologien ermöglicht, miteinander zu kommunizieren – ein weiterer Schritt auf dem Weg zum E-B/L also.


Claudia Behrend