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Ein neuartiges Simulationsverfahren kann das Erosionsrisiko eines Propellerdesigns innerhalb weniger Minuten bestimmen. So gelingt die Abschätzung bereits während

des Entwurfsprozesses, sodass beim Wirkungsgrad keine Abstriche aus Sicherheitsgründen gemacht werden müssen

Beim Entwurf moderner, treibstoffsparender Propeller wie dem MAN-ES Kappel 2.0 Propeller lässt sich Kavitation nie vollständig vermeiden. Allerdings muss[ds_preview] man die unerwünschten Effekte von Kavitation wie Erosion, Unterwasserlärm und Vibrationen eindämmen. Dazu werden bei MAN-ES im Kopenhagener Hydrodynamics R&D Team zusammen mit den Propellerdesignern am Standort Frederikshavn spezielle Softwaretools und numerische Modelle entwickelt, die die Propellerströmung möglichst genau simulieren. Ein neuartiges Simulationsverfahren ist in der Lage das Erosionsrisiko eines Propellerdesigns innerhalb einiger Minuten zu bestimmen. Damit wurde eine Alternative zu CFD-basierten Berechnungsverfahren geschaffen, die es gestattet, das Erosionsrisiko bereits während des Entwurfsprozesses abzuschätzen.

Der Siedepunkt von Wasser hängt sowohl von der Temperatur als auch vom Umgebungsdruck ab – das merkt man, wenn man auf dem Mount Everest versucht Kartoffeln zu kochen: Dies wird nicht gelingen, da Wasser hier, anders als in der heimischen Küche, aufgrund des niedrigeren Umgebungsdrucks nicht heißer als 70°C wird bevor es verdampft.

An Schiffspropellern können im Betrieb sehr geringe Drücke auftreten – so niedrig, dass Wasser bereits bei einer Temperatur von 20 Grad Celsius oder weniger in die gasförmige Phase übertritt. Auf der Oberfläche des Propellers können sich dann Blasen oder auch eine Schicht dampfförmigen Wassers bilden. Dieses Phänomen bezeichnet man als Kavitation.

Steigt der Druck in der Nähe der Dampfstrukturen wieder an, fallen diese in sich zusammen. Dabei können unter ungünstigen Umständen lokal enorme Druckstöße entstehen – so groß, dass sogar Metall zerstört wird. In diesen Fällen kann es zu erheblichen Erosionsschäden am Propeller kommen.

Kavitation kann allerdings nicht nur zu Erosionsschäden führen, sondern sie trägt auch in erheblichem Maße zu Unterwasserlärm bei und kann schwerwiegende Vibrationsprobleme an Bord des Schiffes verursachen.

CFD-Verfahren zeitaufwändig

Propellerformen, die einen guten Wirkungsgrad aufweisen, begünstigen in der Regel das Auftreten heftiger Kavitation. Beim Entwurf moderner und effizienter Schiffspropeller muss der Designer daher einen guten Kompromiss zwischen Treibstoffverbrauch einerseits und dem Kavitationsverhalten andererseits finden. Kavitation lässt sich bei den heutigen Anforderungen hinsichtlich des Wirkungsgrades nie verhindern; erosive Kavitation hingegen, die zur Zerstörung des Propellers führt, wird gefürchtet und muss in jedem Fall vermieden werden.

Das Erosionsrisiko eines Propellerentwurfes kann experimentell bestimmt werden. Eine Möglichkeit ist, Farbabtragsversuche durchzuführen und so erosionsgefährdete Bereiche der Propellerflügel zu identifizieren. Darüber hinaus ist das erfahrene Personal vieler Schiffbauversuchsanstalten in der Lage, das im Rahmen von Modellversuchen beobachtete Verhalten der Propellerkavitation hinsichtlich des Erosionsrisikos zu bewerten.

Eine Alternative zur experimentellen Bestimmung des Erosionsrisikos stellen numerische Verfahren dar. Üblicherweise greift man hier auf CFD-basierte (Computational Fluid Dynamics) Verfahren zurück, die jedoch extrem aufwändig und rechenintensiv sind. So dauern entsprechende Simulationen bis zu vier Tage – je nach verfügbarer Rechenleistung. Angesichts dieses Aufwandes wurde nach einem alternativen Ansatz gesucht um das Erosionsrisiko schnell und zuverlässig zu quantifizieren.

Das beste aus zwei Welten

Die Lösung des Problems bestand darin, zwei bewährte Techniken zu einem neuen Verfahren zu kombinieren. Dabei wurde angenommen, dass die Ursache von Kavitationserosion hauptsächlich in einer ungünstigen Verteilung des Drucks auf der Propelleroberfläche liegt. Die Druckverteilung auf dem Propeller zu bestimmen ist heutzutage kein Problem – dies dauert nicht länger als ein paar Sekunden.

Nun musste eine Möglichkeit gefunden werden, ungünstige Druckverteilungen zu identifizieren und daraus Rückschlüsse auf das Erosionsrisiko zu ziehen. Dazu wurden der Propellerströmung in der Simulation Testkörper in Form kleiner Kavitationsblasen hinzugesetzt, deren Verhalten berechnet und erfasst wird. Erreichen die Blasen Gebiete niedrigen Drucks, so wachsen sie. Steigt der Druck auf der Propellerfläche wieder an, so schrumpfen sie oder kollabieren. Je heftiger die Testkörper auf der Propelleroberfläche kollabieren, desto ungünstiger ist die Druckverteilung und desto höher das Erosionsrisiko.

Eine derartige Simulation dauert ein paar Minuten und führt zu ähnlichen Ergebnissen wie die deutlich aufwändigeren bisher verwendeten Methoden, wie der Abbildung zu entnehmen ist. Anders als bei der experimentellen Bestimmung oder der CFD-basierten Berechnung des Erosionsrisikos, lässt sich durch das neu entwickelte Verfahren das Risiko für Erosion bereits zu einem frühen Entwurfsstadium berücksichtigen. Dadurch können Propeller weiter verbessert werden: Nahm man früher zugunsten einer größeren Sicherheit gegen Erosion Abstriche beim Wirkungsgrad hin, so können derartige Entwurfsreserven durch die frühzeitige Bestimmung des Erosionsrisikos gezielt reduziert werden.


Stephan Berger, Research Engineer, Hydrodynamics MAN Energy Solutions