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Vor allem die Kreuzfahrtbranche steht vor riesigen finanziellen Schäden. Junge & Co. erwartet steigende Nachfrage nach Spezialdeckungen für Betriebsausfälle.

Wohl kein anderes Segment der Schifffahrt hat es so brutal erwischt wie die Passagierschifffahrt. Rund um den Globus werden Reisen[ds_preview] aufgrund der Pandemie abgebrochen, Flotten vorübergehend außer Dienst gestellt und Heerscharen von Passagieren in ihre Heimatländer zurückverfrachtet. Die Schäden reichen in die Milliarden, für zahlreiche Reedereien geht es jetzt ums nackte Überleben.

Royal Caribbean Cruises musste kurzfristig zusätzlich 550 Mio. $ Kredit aufnehmen und plant zudem Einsparungen von mindestens 1,7 Mrd. $. Die Carnival Corporation teilte mit, dass die Kreditkapazitäten von bis zu 3 Mrd. $ für die kommenden 6 Monate voll ausgereizt würden.

Das Vertrauen der Investoren ist schwer erschüttert: Die Aktienkurse der drei größten Player – neben Carnival und Royal Caribbean noch die Norwegian Cruise Line – brachen um über 80% ein. »Ein solches Schadensszenario für die gesamte Branche war bislang nicht vorstellbar«, konstatiert Olaf Fölsch, Geschäftsführer des Hamburger Versicherungsmaklers Junge & Co..

Das schiere Ausmaß der Krise übertrifft alle Befürchtungen. Dass sich Kreuzfahrtreedereien grundsätzlich auf Epidemie-Risiken einstellen müssen und am besten auch dagegen versichern sollten, steht für Fölsch außer Frage. Entsprechende Versicherungen für die Passagierschifffahrt gelten schon lange als Spezialität von Junge & Co.

Das maßgebliche Produkt nennt sich »Contingency Cover« und stellt eine Art »Veranstalterausfallversicherung« dar. Zu den Bestandteilen zählten Verdienstausfälle durch Störungen jeder Art im Schiffsbetrieb – so auch durch Epidemien. Kosten für die Rückführung von Passagieren ließen sich ebenfalls in die Deckung einbauen. Das Produkt sei über die Jahre weiterentwickelt worden. Als Risikoträger fungieren Lloyd’s of London, aber auch deutsche Gesellschaften wie die Ergo oder HDI Specialty. Zu einzelnen Kunden und zur Größe der Flotte will sich Fölsch nicht äußern. Fest stehe aber: Diejenigen, die den »Contingency Cover« nutzen, bekommen einen Teil ihrer Verluste ersetzt. Für den Großteil der Branche gelte das allerdings nicht. Zahlreiche Reedereien hätten eine solche Deckung aus Kostengründen bislang abgelehnt.

Mangelndes Risikomanagement

Denn die Prämie für die Ausfallversicherung bilde einen dritten, vergleichbar großen Kostenblock wie die Seekasko- und die P&I-Versicherung. Fölsch rechnet damit, dass die Unternehmen nach der Coronakrise ihr Risikomanagement erheblich verstärken werden – schon weil die Investoren das verlangen. »Ohne eine solche zusätzliche Deckung wird man in Zukunft wohl nicht mehr arbeiten können.«

Fragt sich, ob die Versicherer noch bereit sind, die Risiken zu übernehmen, nachdem das größtmögliche Schadensszenario eingetreten ist. Die Bedingungen dürften nicht mehr so großzügig sein wie vorher. »Bestimmte Risiken werden vielleicht ausgeschlossen und nur gegen Zusatzprämie wieder eingeschlossen.« Auch sei damit zu rechnen, dass das Prämienniveau für Ausfalldeckungen generell ansteigt – so wie überall in der Seekaskoversicherung seit dem vergangenem Jahr.

Im Vergleich zur Passagierschifffahrt halten sich die Ausfallschäden in der Handelsschifffahrt (noch) in Grenzen. Aber auch dort ist zunehmend von Verzögerungen aufgrund von Quarantänemaßnahmen und strengeren Kontrollen in den Häfen zu hören. Viele Staaten lassen Schiffe, die in China, Italien oder dem Iran losgefahren sind, erst nach einer Transitzeit von mindestens 14 Tagen in ihre Häfen. Laut Standard Club, der ein umfassendes »Strike & Delay Cover« anbietet, wird Schadenersatz für Verzögerungen von bis zu 20 Tagen gezahlt.

Beim für Rechtsschutz zuständigen Schutzverein Deutscher Rheder verzeichnet man seit kurzem verstärkte Anfragen zu Epidemie-Klauseln in Frachtverträgen und zur Sicherheit einzelner Häfen, wie Geschäftsführer Michael Wester berichtet. Außerdem seien weiter Streitfälle zu verzeichnen, in denen Zeitcharterer versuchten, Schiffe unter Verweis auf »Force majeure« vorzeitig zurückzuliefern. »Dabei verschiebt sich der Fokus jetzt vom asiatischen Raum auf europäische Fahrtgebiete«, beobachtet Wester.

Rechtlich gesehen befänden sich die Schiffseigner auf der sicheren Seite, sofern keine speziellen Klauseln vereinbart wurden. Das vertraglich vereinbarte Einsatzgebiet der Schiffe sei zumeist weit gefasst, so dass Charterern zuzumuten sei, die Schiffe auch außerhalb der stark betroffenen Gebiete einzusetzen. »Auf einem anderen Blatt steht, wie es um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mancher Charterer bestellt sein wird, wenn die Beschränkungen über einen längeren Zeitraum andauern«, so Wester.
Michael Hollmann