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In der Mehrzweck- und Schwergut-Flotte schlummert angesichts jahrelang geringer Neubau-Aktivität großes Innovationspotenzial. Gänzlich neue Schiffstypen sind allerdings unwahrscheinlich. Immer wichtiger wird die differenzierte Betrachtung von Fahrtgebieten und Ladungsarten.

Der MPP-Flotte würde eine Modernisierung durchaus gut zu Gesicht stehen. Manch meiner hält es bereits für zwingend und dringend[ds_preview] erforderlich, weil einerseits die umweltpolitischen Regulierungen auch auf dieser Branche lasten und andererseits effizientere Schiffe den bisweilen darbenden Reedern und Carriern ökonomische Vorteile bescheren sollen.

Doch die Neubau-Aktivitäten der vergangenen Jahre lassen sich eher als »zurückhaltend« beschreiben. Wenige Projekte wurden zuletzt beauftragt und tatsächlich umgesetzt, etwa von den Unternehmen Briese und dship aus Deutschland oder Spliethoff aus den Niederlanden, ganz abgesehen von der Serie für die chinesische Cosco-Gruppe. Ansonsten dominiert der Secondhand-Markt die Aktivitäten.

Das schlägt sich in der Altersstruktur der Flotte wieder. Die norwegisch-deutsche Klassifikationsgesellschaft DNV GL taxiert den Anteil von Schiffen, die älter als 15 Jahre sind auf 23%. Knapp 9% haben sogar die 20-Jahres-Marke überschritten. Prinzipiell könnten in den einzelnen MPP-Größensegmenten bis zu 50% der Schiffe aus dem Dienst genommen werden. Viele Schiffe seien ineffizient und nicht für Regulierungen wie etwa für das Ballastwasser-Management ausgerüstet. Ein »Upgrade« reiche nicht, heißt es in einer aktuellen Analyse. Neubauten seien notwendig, die Situation günstig, auch weil die Preise niedrig seien, während der Secondhand-Markt anziehe, das Orderbuch hingegen klein sei.

DNV GL zählt derzeit 20 Schiffe im Orderbuch, davon jeweils acht 14.100-Tonner mit 800t Krankapazität und 12.500-Tonner mit 500 Krankapazität. Hinzu kommen jeweils zwei 12.500-Tonner mit 1.000t Hebekraft und DP2-System sowie 12.600-Tonner mit 800t-Krankapazität.

Auch beim Hamburger Makler Toepfer Transport sieht man großen Bedarf für eine Modernisierung der Flotte. Er zählt 13,5% der Tonnage über der Altersgrenze von 15 Jahren beziehungsweise mehr als 10,2% über der Marke von 20 Jahren. Kaum Neubauten und so gut wie keine Verschrottungen tragen ihr übriges bei. Angesichts der vielen gebrauchten Schiffe, die derzeit zum Verkauf stehen – nicht zuletzt, weil immer noch Bankenportfolios veräußert werden – und entsprechend guter Preise ist der Secondhand-Markt aber noch attraktiver als Neubau-Projekte, selbst wenn viele Verkäufe derzeit wegen der Corona-Krise auf Eis liegen.

Ladungen ändern sich

»Wir sehen durchaus Innovationspotenzial in der Flotte«, sagt Jost Bergmann, Business Director MPV bei DNV GL. Aus seiner Sicht hängt das auch damit zusammen, dass sich die Charakteristika der Ladung verändern. Nicht nur Komponenten für Windenergieanlagen werden größer, auch Bahn-Sektionen sind mittlerweile bis zu 110m lang.

Ladungseinheiten werden größer und schwerer, »mache Ladungen passen nicht mehr auf einen ›normalen‹ Heavylifter, zum Teil benötigt man andere Schiffstypen, wie zum Beispiel Deck Carrier«, so der Experte. Solche Schiffe werden teilweise jetzt schon eingesetzt, weil sie mitunter günstiger in der Anschaffung und im Betrieb sind. Einer der Carrier, der diesen Weg geht, ist United Heavy Lift aus Hamburg (siehe S. 26-27).

Bergmanns Erfahrungen belegen, dass Reeder unter anderem wegen den Entwicklungen in der Windlogistik heute zunehmend Schiffe mit einem größtmöglichen Laderaum wollen. Die Installation des Deckshauses im Vorschiffbereich sieht man bereits immer öfter. Auf diese Weise kann man überlange Ladung besser aufnehmen, ohne Einschränkungen für den Sichtstrahl. Zudem wollen Schiffseigner angesichts der größeren Ladungseinheiten zunehmend in der Lage sein, mit offenem Lukendeckeln zu fahren. DNV GL hat für diese Fälle eigens ein neues Klassezeichen entwickelt.

Trotz dem Flottenalter und dem Modernisierungsbedarf ist nach Ansicht der Experten aber nicht mit einem in der Realität sichtbaren Innovationsschub zu rechnen. »Die Zahl der grundlegenden Schiffsentwürfe wird nicht unbedingt stark wachsen. Die E-/F- und P-Typen dürften zunächst die klassischen Typen bleiben, allerdings werden sie weiterentwickelt. Besonders in den Ausstattungsdetails wird es eine größere Variation geben, etwa bei der Krankapazität oder der Möglichkeit, bestimmte Ladungen fahren zu können«, sagt Jan Rüde, Experte für MPP-Schiffe bei DNV GL.

Auch Yorck Niclas Prehm, erfahrener Analyst bei Toepfer Transport erwartet, dass es eine »enorme Vielseitigkeit« geben wird im Markt, nicht nur, aber auch in Bezug auf die Konfiguration des Laderaums, je nach Trade und Geschäftsmodell. Er erwartet Bereiche mit sehr stark spezialisierten Schiffen für bestimmte Trades, unter anderem große Einheiten mit Systemen zur dynamischen Positonierung (DP2) oder den Einsatz weiterer Deck Carrier, »ein relativ neues Phänomen in der MPP-Branche, stark ladungsbedingt«. Gleichzeitig würden auch die klassischen, vielseitigen »Arbeitspferde« benötigt.

Selbst die derzeit oft gescholtenen Linienschiffe, die seit Jahren extrem schwer gewinnbringend zu befrachten sind, hätten weiter ihre Berechtigung. Auch Neubauten mit über 30.000tdw sind mehr als wahrscheinlich. »Im Sinne der Energieeffizienz wird es ebenfalls Anpassungen an die bestehenden Designs geben. Auch beim oft diskutierten, vermeintlichen Gegensatz zwischen Krankapazität und Krangeschwindigkeit wird man eine große Bandbreite sehen«, so Prehm.

Tatsächlich ist es nicht nur die Branche selbst, von der verhältnismäßig wenig innovative Impulse kommen – Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Auch vonseiten der Design-Büros ist es relativ ruhig. Neue Typschiffe oder Entwürfe zu Fähren, Containerschiffen, selbst zu Bulkern gibt es immer wieder, sie werden gerne anlässlich großer Messen veröffentlicht. Für die MPP-Schifffahrt, deren Frachter und Geschäfte prinzipiell für ausgefallene Konzepte gut geeignet wären, gibt es hingegen wenig Neues.

Weniger Werften und Designer

Damit – und zwar trotz der prinzipiellen Notwendigkeit an Design-Anpassungen – hängt einer der Gründe zusammen, aus denen nach Ansicht von Rüde nicht unbedingt mit einer deutlich größeren Variation an Designs zu rechnen ist: »Es gibt immer weniger Werften, die solche Schiffe bauen. Zudem arbeiten die Werften oft mit bestimmten Design-Büros. Auch die Anzahl der Designer, die diese Schiffe im Fokus haben, ist erheblich geschrumpft, also auch die Anzahl der Designs.«

Andererseits gibt es jene Vielzahl von Stellschrauben, an denen Reeder bei den bestehenden Designs drehen können und das auch tun. Das betrifft die Länge und Größe von Laderäumen, Lukendeckel- und Boden-Konfigurationen, Kapazität für gefährliche Güter, bisweilen sogar RoRo-Rampen oder die Möglichkeit, in Tide-Häfen trocken fallen zu können – eine immer öfter nachgefragte Option ist der sogenannte NAABSA-Aspekt: »Not Always Afloat, But Safe Aground«.

Das gilt vor allem für das Segment der Coaster mit seiner recht alten Flotte, in der die Flexibilität ebenfalls eine immer größere Rolle spielt. »Bei Coastern sehen wir verschiedene Entwicklungen. Reeder versuchen, aktiver im Projektmarkt zu werden – etwa Briese Chartering aus Leer (siehe S. 24-25). Schiffe haben heute zunehmend Zwischendecks oder einen großen Laderaum für Projektladung«, bestätigt Rüde.

Bei der Klassifikationsgesellschaft DNV GL setzt man für MPP-Reeder auf die Analyse der spezifischen Anforderungen an das Schiff. »Reeder müssen sich im Vorfeld eines Neubaus mehr Gedanken machen. Startpunkt für die Entwicklung sind Analysen des erwarteten Fahrtpofils (Operating Profile) und die Entwicklung auf der Ladungsseite (Cargo Profile)«, sagt Bergmann.

Dieser Trend hat in den vergangenen Jahren angesichts der harten Marktbedingungen und der Suche nach Wettbewerbsvorteilen zugenommen.

Ob man mehr, vergleichsweise leichte Projektladung, rollende Ladung oder echte Schwergutstücke an Bord nimmt, kann einen großen Unterschied ausmachen. Zumal die Branche immer noch einen Konkurrenzdruck von Containerschiffen, RoRo-Frachtern oder Bulkern spürt, die ihre MPP-Aktivitäten ausgebaut haben, um selbst flexibler auftreten zu können.

Zu bedenken ist darüber hinaus, dass bei den derzeitigen Raten auch auskömmliche Ladung für die Rückreisen nötig ist, bisweilen mit Bulkladung oder Leercontainern. In besseren Zeiten wurde das auch schon mal in Ballast gemacht, heute sind Einnahmen nötig, um wenigstens die Bunker-Kosten wieder reinholen zu können – mit einem entsprechenden Bedarf an Flexibilität im Handling der Ladung.

Keiner hat eine Glaskugel

Die Kunst ist, den richtigen Kompromiss im Schiffsdesign zu finden.

Auch wenn Reeder nicht im Detail wissen können, wie der Markt und die Ladung künftig aussehen, sei ein Nutzungsprofil für ein Schiff eine gute Basis, ergänzt Rüde. »Es kann etwa für die Linienoptimierung genutzt werden: in der Vergangenheit hat man bei der Entwicklung auf maximale Geschwindigkeit und maximalen Tiefgang gesetzt. Das entspricht aber nicht immer der Realität. Das Nutzungsprofil betrifft nicht nur die Linien, sondern das Gesamtdesign des Schiffes, etwa auch die Hauptabmessungen und das Antriebskonzept. Auch die Stabilität gehört dazu. Ist die Stabilität auf einen Tiefgang optimiert, den man gar nicht fährt, bringt es nichts.

»Wir sehen, dass Schiffe flexibler werden. Aus dem »Cargo Profile« ergeben sich wichtige Design-Anforderungen«, so Bergmann. So könne ein Neubau so spezifiziert werden, das er im Betrieb alle Anforderungen des Betreibers hinsichtlich Ladefähigkeit und Ladeflexibilität erfüllt.

Auch das »Operating Profile« spielt eine wichtige Rolle, nach Ansicht des Experten ist es sogar einer der wichtigsten Faktoren für den Schiffsentwurf: »Wie oft ist ein Schiff mit welchem Tiefgang und welcher Geschwindigkeit unterwegs? Es beeinflusst die Wahl der Hauptabmessungen, die Form von Bug und Heck sowie der Schiffslinien, den Propeller, das Ruder sowie das Antriebskonzept des Schiffes.«

Die Klassifikationsgesellschaft arbeitet derzeit an einem Service »Route Specific Cargo Stowage« auf MPP-Schiffen. So soll Reedern mehr Flexibilität bei der Auswahl der Beschleunigungsparamater ermöglicht werden, basierend auf der Analyse des Wellensprektrums im Fahrtgebiet und den daraus resultierenden Beschleunigungswerten an Bord. Die Absicht ist, die Ladefähigkeit des Schiffes zu erhöhen, etwa indem Ladungen höher im Schiff gefahren werden können.

Gerade in der MPP-Branche ist die Krankapazität der Schiffe immer wieder Gegenstand intensiver Debatten. Der höheren Hebekraft stehen dabei die geringere Flexibilität und die höheren Kosten gegenüber. Das zeigt sich in der Entwicklung der vergangenen Jahre. Zwar gibt es durchaus einen Trend zu stärkeren Kranen, wie diese vereinfachte Entwicklung der »klassischen« Typen von DNV GL zeigt:

• 2000 bis 2010: 12.700tdw F-Typ, 2 x 120/150/180-t-Krane, 3 Laderäume, 1.480m2 Decksfläche, 25 t Verbrauch pro Tag

• 2013 bis 2022: 12.500tdw F500, 2 x 250t, 2 Räume, 2.160m2, 16t/d

• 2019 bis 2021: 12.600tdw, F8000f, 2 x 400t, 1 Raum, 2.600m2, 11,4t/d

Allerdings, so Rüde, »anders als man hätte erwarten können, ist die Krankapazität in den letzten Jahren nicht so stark gewachsen. Für die großen 1.000-t-Krane gibt es weniger Ladung, sie sind teuer und für den Normalbetrieb zu langsam. Daher verzichten viele darauf, um ein möglichst flexibles und preiswertes Schiff zu bekommen. Das heißt ja nicht, dass man schwere Gewichte nicht laden kann – man nutzt dafür Hafengeschirr oder Rollen.«

Es wird sich zeigen, ob all die möglichen und nötigen Anpassungen in die Tat umgesetzt werden. Letztlich hängt alles daran, dass die Reeder und Carrier wieder in neue Schiffe investieren. Dies wird trotz dem Modernisierungsdruck aber angesichts der Marktlage nicht unbedingt wahrscheinlicher. Es gibt durchaus einige Kandidaten für Neubauten, doch auch diese Projekte sind derzeit gestoppt, heißt es in Marktkreisen. »Neben der Corona-Pandemie ist der größte Störfaktor der Ölpreis«, sagt Toepfer-Analyst Prehm. Der niedrige Wert verhindert Investitionen in die Öl- & Gas-Industrie, entsprechend negativ sind die Aussichten für die MPP-Branche. Der Druck werde in rund sechs Monaten noch zunehmen.

Zumindest in ökologischen Fragen geht an einer Modernisierung allerdings zumidest kein Weg vorbei, »IMO 2020« steht, die Rufe nach alternativen Kraftstoffen verhallen nicht. In der MPP-Branche werden LNG & Co. zwar auch diskutiert, wie Rüde bestätigt. Allerdings sind kleine und zum Teil abgelegene Häfen ein wichtiges Charakteristikum für den Markt – Standorte also, an denen eine ausreichende Bunker-Infrastruktur für »grünere« Kraftstoffe noch auf sich warten lassen wird.


Michael Meyer