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Der Prämientrend zeigt bei den Seekasko-Verlängerungen weiter nach oben. Das Coronavirus sorgt für steigende Kosten und Geschäftsausfälle.

Der Versicherungsmarkt folgt seinen eigenen Gesetzen. So auch bei den jüngsten Prolongationen für Seekaskodeckungen per 1. April. Rücksicht auf ihre[ds_preview] schwierige wirtschaftliche Situation können die Reedereien von den Versicherern nur eingeschränkt erwarten. Stattdessen sorgt das knappere Angebot an Risikokapazität weiter für mächtig Aufwärtsdruck bei den Prämien.

Vorzeigekunden mit lang bestehenden Versichererbeziehungen und geringen Schadenverläufen können noch am ehesten auf eine Verlängerungen zu unveränderten Konditionen hoffen. Sobald die Verläufe aber auch nur leicht angespannt seien – auf jeden Fall bei 60% bis 70% Schadenquote – würden deutliche Prämienerhöhungen sowie Anhebungen der Selbstbehalte gefordert, berichten Versicherungsmakler gegenüber der HANSA. Beitragserhöhungen von 10 bis 20% seien dann keine Seltenheit.

Verhandlungen zögen sich in Fällen länger hin, und zwar unabhängig von Kontaktsperren und der Verlagerung von Arbeit ins Home Office. »Da wird nochmal und nochmal eine Schleife gedreht«, berichtet ein Makler. Die steigenden Versicherungsprämien trieben die Betriebskosten der Schiffe inzwischen so massiv nach oben, dass sich Charteraufträge für zahlreiche kleine Tramp-Reeder gar nicht mehr lohnten. »Die Lage ist angespannt. Viele kleine Kunden sagen, sie kriegen das nicht mehr hin.«

Noch dramatischer werde es, wenn sich die Versicherer mit den immer häufiger vernehmbaren Forderungen nach »Aggregatfranchisen« durchsetzten, warnt ein Vermittler. Dabei hätten die Schiffsgesellschaften erst nach einem festgelegten Gesamtschadensbetrag (z.B. 500.000 $ oder 1 Mio. $) Erstattungsansprüche gegenüber Versicherern. »So etwas ließ sich über viele Jahre vermeiden und war nur im englischen Markt vereinzelt zu erkennen. Jetzt wird es auch hier mehr und mehr zum Thema.«

Teure Schiffe werden teuer

Hauptkriterien bei den Prolongationen sind neben den Schadenverläufen vor allem der Schiffstyp und der Versicherungswert. Zum Beispiel seien große Containerschiffe bei Versicherern derzeit schwieriger zu platzieren als moderne Tanker, wie ein Hamburger Makler ausführt. Handele es sich dazu noch um besonders teure Schiffe mit hohem Versicherungswert, sei das Risiko einer Prämienerhöhung noch größer. Die Kapazitätsengpässe auf Versichererseite kämen dann voll zum Tragen. »Dann müssen Folgeversicherer mit in die Deckung geholt werden, die noch teurer als die Führungsversicherer sind.« Um überhaupt 100% der Deckung zusammenbekommen zu können, sei jetzt häufiger zu beobachten, dass Co-Makler mit eingespannt würden, ist zu hören.

Unterdessen setzt sich die Verlagerung des Geschäfts aus dem englischen Markt in den skandinavischen und auch in den deutschen Markt fort, wird berichtet. »Der Lloyd’s-Markt ist für Seekasko kaum mehr existent«, stellt ein anderer Hamburger Makler fest. Die meisten Versicherer, die sich wegen horrender Verluste kürzlich aus der Seekaskosparte verabschiedet oder zurückgezeichnet haben, waren bei Lloyd’s of London aktiv. Auch an den »Hubs« in Singapur und Dubai machten mehr und mehr Gesellschaften einen Bogen um das Geschäft. »Wenn wir die Skandinavier heute nicht hätten, gäbe es riesige Probleme.«

Für die steigenden Schäden und Geschäftsausfälle in Zusammenhang mit dem Coronavirus können die Reedereien nur sehr eingeschränkt auf Kompensation seitens der Versicherer hoffen. Da es in den meisten Fällen um Haftung gegenüber Dritten geht (Kosten für medizinischen Behandlung, Desinfektion, Betriebskosten während der Quarantäne), würden sich Ansprüche am ehesten an die P&I Clubs richten. Bislang gibt es aber nur wenig Schiffe mit bestätigten oder vermuteten Infektionen an Bord.

Mit gigantischen Einzelschäden ist aus Sicht von Suzanne Byrne, Group Head of Claims bei West of England, kaum zu rechnen. »Ich würde annehmen, dass es schlimmstenfalls um Hunderttausende Dollar und nicht um Millionen geht.«

Für Verzögerungen und Wartezeiten aufgrund von Hafenschließungen oder Quarantänemaßnahmen dürften in den meisten Fällen die Charterer aufkommen. Bei entsprechenden Deckungen treten dabei Delay-Insurer wie der Strike Club/Standard oder Nordic Marine Insurance ein. »Für die P&I Clubs wird es keinen automatischen Anstieg der Schäden geben. Wahrscheinlich treten hier und da Claims durch Covid-19 auf, aber dafür gibt es aufgrund der geringeren Schifffahrtsaktivität weniger andere Claims«, sagt ein Insider.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie hätten aber indirekt Konsequenzen für die P&I Club, z. B. durch Prämienrückerstattungen für Schiffe, die mangels Nachfrage aufgelegt werden. Auch dürfte der Ruf der P&I-Mitglieder nach Kapitalausschüttungen seitens der Clubs lauter werden.
Michael Hollmann