EU, Europäische Union, Schifffahrt und Politik in der EU
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EU-Spediteure und Terminalbetreiber fordern von der Europäischen Kommission, die »Spillover-Effekte« der Tonnagesteuer zu beenden. Konkret geht es beispielsweise um die Konkurrenz zwischen integrierten und unabhängigen Terminalbetreibern. Die Reeder sehen das ganz anders.

Der Spediteursverband CLECAT und die Hafenvereinigung FEPORT fordern im Namen europäischer Spediteure, Hafenunternehmen und Terminals[ds_preview] die Europäische Kommission auf, Marktverzerrungen in der EU zu vermeiden und die Aktivitäten, die für eine günstige steuerliche Behandlung im Rahmen der Tonnagesteuerregelungen in Frage kommen, zu entflechten.

Lamia Kerdjoudj-Belkaid, Generalsekretärin von FEPORT: »Das den Reedereien gewährte Privileg, in den Genuss einer steuerlichen Vorzugsbehandlung für ihre Umschlagaktivitäten zu kommen, verzerrt den Wettbewerb zwischen integrierten und unabhängigen Terminals. Wir glauben, dass es die Rolle der Kommission ist, die Regeln zu klären, um das Risiko einer Wettbewerbsverzerrung zu vermeiden und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten. Dies ist besonders wichtig, wenn Ausnahmen von den allgemeinen Regeln für staatliche Beihilfen einem Sektor zugute kommen, wie dies beim Seeverkehr der Fall ist.«

»Anreize für Carrier Haulage tatt für Merchant Haulage nicht akzeptabel«

Nicolette van der Jagt, Generaldirektorin von CLECAT fügt hinzu: »Es gibt nun klare Fälle, in denen vertikal stärker integrierte Spediteure von Steuerregelungen profitieren können, die Anreize für Carrier Haulage (Haus-zu-Haus-Beförderung durch den Spediteur) statt für Merchant Haulage (bei der Haus-zu-Haus-Beförderung durch den Verlader oder Spediteur) bieten, was für uns natürlich nicht akzeptabel ist.«

Der Aufruf folgt auf die Entscheidung der Europäischen Kommission von letzter Woche, mit der sie die staatlichen Beihilfen für die italienische Seeverkehrswirtschaft genehmigt hat. Die besondere Steuerregelung wird nicht nur auf die Haupteinnahmen einer Schifffahrtsgesellschaft aus Schifffahrtsaktivitäten wie Güter- und Passagiertransport angewandt, sondern auch auf bestimmte Nebeneinnahmen, die eng mit den Schifffahrtsaktivitäten verbunden sind.

»Ernsthafte Zweifel an der Methodik der Kommission«

In einem Schreiben an die EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager fordern die Verbände, die Regeln für staatliche Beihilfen zu klären, um die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten. Die Verbände sind der Meinung, dass die Kommission sicherstellen sollte, dass Dienstleistungen, die auch von anderen Parteien in der maritimen Logistikkette angeboten werden, vom Anwendungsbereich der Tonnagesteuer ausgenommen werden und dass entsprechende Entscheidungen geändert werden.

Während die Kommission festgestellt hat, dass sie »sicherstellt, dass es kein Übergreifen der günstigen steuerlichen Behandlung von Schifffahrtsunternehmen auf andere, nicht mit dem Seeverkehr zusammenhängende Sektoren gibt«, haben beide Verbände ernsthafte Zweifel an der Methodik der Kommission bei der Bewertung der Risiken eines Übergreifens auf ihre Sektoren. Sie fordern die Kommission daher auf, den Empfehlungen des ITF-OECD-Berichts über »Subventionen für den Seeverkehr« zu folgen, um die EU-Leitlinien für staatliche Beihilfen im Seeverkehr zu ändern und die Tätigkeiten, die für eine günstige steuerliche Behandlung im Rahmen von Tonnagesteuerregelungen in Frage kommen, zu entflechten. Die angesprochene Studie hatte die Subventionspraxis als aus Steuerzahlersicht nutzlos befunden.

Aus Reedersicht  »bleibt das Thema in hohem Maße theoretisch«

Der europäische Reederverband ECSA sieht keinen Grund für den Antrag der anderen Verbände. Die Reeder wollen die angebliche Wettbewerbsverzerrung, die sich aus der Anwendung der Tonnagesteuer auf Nebentätigkeiten ergibt, nicht erkennen. Das Tonnagesteuersystem sei wesentlicher Bedeutung, um europäischen Schiffseignern gleiche Wettbewerbsbedingungen gegenüber Nicht-EU-Konkurrenten zu bieten und Büroarbeitsplätze in Europa zu sichern. Die Verankerung der Beschäftigung in Europa führe auch zu positiven Auswirkungen auf andere Teile des europäischen maritimen und logistischen Clusters in Form zusätzlichen Umsatzes und zusätzlicher Arbeitsplätze.

»Der von der Europäischen Kommission verfolgte Ansatz für Nebenaktivitäten wird seit vielen Jahren angewandt. Die ECSA ist sich keiner Wettbewerbsverzerrung mit Akteuren in anderen Teilen der Logistikkette bewusst«, so der Reederverband.

Die ECSA hat FEPORT und CLECAT zu einer weiteren Diskussion zu dem Thema eingeladen. Eine erste Gesprächsrunde vor mehr als einem halben Jahr habe keine eindeutigen Fälle von Wettbewerbsverzerrung zu Tage gebracht. »Für ECSA bleibt das Thema in hohem Maße theoretisch«, heißt es.