Tanker Detail Symbolbild
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Die Lage für das mit Sanktionen belegte Venezuela verschärft sich zusehends. Die veränderte Haltung der griechischen Reederschaft, die sich ansonsten stark für offene Märkte einsetzt, ist ein schwerer Schlag für das Land.

Die Ölförderung in dem südamerikanischen Land hat nach aktuellen Zahlen einen Tiefpunkt[ds_preview] erreicht. Bloomberg hatte zuletzt eine Produktion von nur 374.000 Barrel pro Tag gemeldet, damit erreicht Venezuela nur gut 10 % der Menge, die das Land vor 55 Jahren ausgestoßen hat.

Als Erdölproduzent und -exporteur sei Venezuela eher unbedeutend geworden, dennoch könne das Land aufgrund der Versuche des Regimes von Nicolas Maduro, die US-Sanktionen zu umgehen und Rohöl aus dem Land zu verschiffen, immer noch einen überdimensionalen Einfluss auf den Tankermarkt ausüben, sagt nun der US-Tankerbroker Poten & Partners. »Diese Versuche haben zu Sanktionen gegen chinesische, russische und – in jüngster Zeit – griechische Reedereien geführt. Aufgrund der globalen Reichweite des US-Finanzministeriums und der Bedeutung des US-Finanzsystems haben diese Sanktionen die Reedereien recht wirksam davon abgehalten, Geschäfte mit Venezuela zu machen«, so Poten.

Oelproduzenten Langzeitausblick BO Statistical Review 2020

Der Druck der USA scheint also zu wirken, denn die Unternehmen haben sich alle direkt oder indirekt von künftigen Geschäften mit Venezuela zurückgezogen. Auch der Verband der griechischen Reeder hat sich eingeschaltet und seine Mitglieder aufgefordert, bis zu einem Regimewechsel keine Geschäfte mit Venezuela zu tätigen. »Die veränderte Haltung der griechischen Reedergemeinschaft, die bekanntermaßen unabhängig ist und sich stark für offene Märkte einsetzt, ist ein Schlag für Venezuela«, erklärt der Broker.

Seit 2017 sind die Rohölexporte Venezuelas tendenziell rückläufig. Im Juli desselben Jahres wurde angesichts eines Boykotts der Opposition und der internationalen Verurteilung eine umstrittene verfassungsgebende Versammlung gewählt. Im Mai 2018 gewann Maduro die Wiederwahl zum Präsidenten, die von der Opposition angefochten wurde und weithin als gefälscht galt. Im Januar 2019 erklärte sich der Oppositionsführer Juan Guaido zum Interimspräsidenten. Die Sanktionen der EU, vor allem aber der Vereinigten Staaten, wurden in der Folge deutlich verschärft. Die zweite wichtige Entwicklung war das US-amerikanische Importverbot für Öl und Waren aus Venezuela.

Viele Jahre lang waren die USA einer der wichtigsten Kunden des Landes, was jedoch im Januar 2019 abrupt beendet wurde. China und Indien übernahmen die führende Rolle als Importeure von venezolanischem Rohöl, obwohl die Gesamtmengen weiter zurückgingen. Indien hat nach Angaben von Poten seit April dieses Jahres kein Rohöl mehr aus Venezuela importiert. China stellte seine Direktkäufe im September 2019 ein, wurde aber beschuldigt, immer noch venezolanisches Rohöl zu kaufen, indem es Schiff-zu-Schiff-Transfers in den Gewässern um Singapur und Malaysia nutzte.

»Katz-und-Maus-Spiel bis zu egimewechsel in Caracas oder Washington«

»Eine wachsende Zahl von Exportladungen aus Venezuela führt keinen Bestimmungsort mehr, was es schwieriger macht, zu erkennen, wo das Rohöl schließlich landet. Dies ist ein Katz-und-Maus-Spiel, das wahrscheinlich bis zu einem Regimewechsel in Caracas oder Washington weitergehen wird. In der Zwischenzeit ist es für Tankschiffseigner des Beste, Venezuela zu meiden«, so Poten & Partners.

Venezuela gehörte 1960 zu den fünf Gründungsmitgliedern der OPEC (die anderen waren Iran, Irak, Kuwait und Saudi-Arabien), und 1965 förderte das Land durchschnittlich 3,5 Mb/d. Damit war Venezuela damals der drittgrößte Ölproduzent der Welt, nach den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, aber vor Saudi-Arabien (Grafik 1). Das sollte keine große Überraschung sein, da Venezuela laut der BP Statistical Review über die größten Rohölreserven der Welt verfügt.

Mit 303 Mrd. Barrel übersteigt es die Reserven von Nr. 2 Saudi-Arabien (297 Mrd. Barrel). Obwohl Venezuela seine Position als Produzent nicht halten konnte, blieb es eine sehr wichtige Rohölquelle. Noch im Jahr 2009 lag die durchschnittliche Tagesproduktion über 3 Mb/d. Allerdings haben jahrelange Misswirtschaft, grassierende Korruption und – in den letzten Jahren – immer schärfere Sanktionen ihren Tribut gefordert.