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Die Konsolidierung in der Schlepperbranche ist noch nicht abgeschlossen.

Sowohl der Marktführer als auch ein Nischenanbieter sehen in der stark geforderten Branche Spielraum für mehr Zusammenschlüsse

Prominente Beispiele der aktuellen Marktbereinigung sind die Übernahme von Bugsier durch Fairplay oder der Zusammenschluss von Kotug und Smit. Doch[ds_preview] seit August 2019 ist auch der Name Kotug/Smit schon wieder Geschichte, das spanische Unternehmen Boluda hat die Reederei übernommen. Entstanden ist einer der größten Schlepperanbieter mit einer Flotte von mehr als 300 Einheiten weltweit. Die Schiffe sind in den größten europäischen Häfen im Einsatz. Insgesamt ist der spanische Player in 90 Häfen global vertreten, neben Europa in Süd- und Mittelamerika, in Afrika und im westlichen Indischen Ozean. Nummer eins der Branche vor Boluda ist die Maersk-Tochter Svitzer mit einer Flotte von 456 Schiffen in rund 100 Häfen auf der ganzen Welt. Auch der Vorstoß der Hamburger Reederei Fairplay in den Boluda-Heimatmarkt Spanien hatte Mitte März 2020 für Schlagzeilen gesorgt.

Kleinere Player haben es spätestens seit der Schifffahrtskrise und der damit einhergehenden Konsolidierung auf Kundenseite schwer, aber auch die größten stehen unter Druck von mehreren Seiten. Der Preisdruck in Europa zwinge die Reedereien, noch viel genauer auf ihre Portfolios, Auslastung und auf ihre Flexibilität zu achten, sagt Kasper Nilaus, Managing Director, Svitzer Europe. Neben dem kommerziellen Druck durch den starken Wettbewerb, treiben neue Umweltvorschriften die Betreiber zu Investitionen in neue, umweltfreundlichere Tonnage. Und als wäre das nicht genug, geht auch das Größenwachstum bei Frachtschiffen weiter, zuletzt eindrucksvoll mit der Ablieferung des ersten 24.000-TEU-Schiffs »HMM Algeciras« unter Beweis gestellt. Im aktuell herausfordernden Marktumfeld dann noch Geld für Investitionen in die Zukunft zusammenzukratzen, ist nicht einfach.

»Auch bei steigenden Ladungsvolumina erhöht sich die Anzahl der Anläufe kaum noch«

Michael Schaefer, J. Johannsen & Sohn

»Seit circa fünf Jahren tobt ein extremer und ruinöser Preiswettbewerb in allen großen Häfen. Raten haben sich halbiert, die Einnahmen pro Schlepper sind bei weitem nicht mehr ausreichend«, sagt Michael Schaefer, Managing Partner der Schleppreederei J. Johannsen & Sohn, der die Gemengelage als eine »dreifache Abwärtsspirale« beschreibt. Im Gegensatz zu Svitzer leitet er mit der Schleppreederei im Ostseeraum mit nur wenigen Schiffen einen Nischenanbieter. Die Lübecker hatten im Januar zusammen mit Hamburg Lines Men zudem den festmacherbetrieb Jade Dienst in Wilhelmshaven übernommen.

»Die zu schleppenden Einheiten wachsen in ihrer Größe stark, diese kommen seltener in immer weniger große Häfen. Auch bei steigenden Ladungsvolumina erhöht sich die Anzahl der Anläufe kaum noch. Es wird viel gefeedert, doch Feederschiffe nehmen kaum Schlepper. In Tidehäfen wie Hamburg kommen dann mehrere Schiffe gleichzeitig, da nicht mehr tideunabhängig gefahren werden kann. Durch die Konzentration der Verkehre müssen die Schleppreeder mehr Tonnage vorhalten, fahren aber insgesamt weniger Einsätze pro Schlepper«, berichtet Schaefer. Gleichzeitig benötigen die großen Schiffe stärkere Schlepper, so dass der Schleppreeder nicht nur die Kapazitäten erhöhen muss, sondern auch neue, stärkere Einheiten anschaffen und die noch nicht zu alten Einheiten austauschen muss. Die neuen, starken Schlepper kosten in der Anschaffung und im Unterhalt deutlich mehr.

»Wie es aussieht, leiden kleinere Reedereien mit kleinerer Flotte und geringerer Diversität an der geringeren Flexibilität und der mangelnden Fähigkeit, ältere Schiffe in Häfen mit weniger herausfordernden Aufgaben zu verlegen«, erklärt Nilaus. Damit erkläre sich der Trend zur Konsolidierung – weniger Betreiber, dafür mehr geographischer Reichweite und »Professionalität«, wie der Manager sagt.

Dabei hat es Svitzer als Tochterunternehmen des Maersk-Konzerns relativ gut, man profitiert von der Innovationskraft und der finanziellen Stabilität sowie von der schieren Größe der Reederei. Damit ist man gut gerüstet für das was noch kommen könnte: »Die Schlepperbranche operiert in einer sich rapide wandelnden Industrie und wir erwarten, dass sich der Trend in Richtung Konsolidierung und Kommerzialisierung nur noch weiter verstärken wird.« Für einige Akteure werde es das Beste sein, sich mit anderen zusammenzuschließen, um die Ressourcen dann besser nutzen zu können, um zu bestehen.

Denn Druck kommt auch von Kundenseite, wie Schaefer erklärt. So fragen die seit der letzten Konsolidierungsrunde weniger gewordenen Containerlinienreedereien derzeit nach Rahmenverträgen für ganz Europa. Dies könnten die kleinen, lokal aufgestellten Schleppreedereien nicht anbieten, daher komme es zwangsweise zu Aufkäufen und Fusionen. »Es blieben drei große Player und einige Nischenanbieter wie wir übrig«, so Schaefer. In kleineren Häfen beziehungsweise außerhalb der für den Schleppermarkt wichtigen Containerverkehre sehe es etwas besser aus. Allerdings habe das Hauptgeschäft mit Containerschiffen eine Sogwirkung in alle anderen Märkte.

Tatsächlich hält man auch bei den großen Akteuren wie Svitzer immer Ausschau nach Möglichkeiten, sich besser aufzustellen. »Nichts ist ausgeschlossen, wenn wir in die Zukunft der Branche blicken«, sagt Nilaus. Der Treiber blieben aber ausgeglichene Finanzen, nicht Wachstum um jeden Preis. »Wir schauen uns ständig global nach Gelegenheiten um, einschließlich Übernahmen.«

J. Johannsen bewegt sich in der Ostsee mit Schleppern von 40 bis 50t Pfahlzug in einer Nische, in der die Raten noch auskömmlich sind, wenn auch nicht hoch. Zwar entsteht Druck durch kleinere Schlepper, die aus dem Nordseeraum aus Häfen wie Hamburg oder Bremerhaven in die Ostsee »abwandern«, dennoch steht man nicht unter dem immensen Druck wie die Konkurrenten.

»Für einige Akteure wird es das Beste sein, sich mit anderen zusammenzuschließen, um Ressourcen besser zu nutzen«

Kasper Nilaus, Svitzer Europe

Schaefer geht davon aus, dass am Ende in den größeren Häfen noch zwei Unternehmen übrig bleiben. »Das Delta zwischen kleinen (nie gewachsenen, privaten) und großen Schleppreedern ist entsprechend gigantisch, so dass Kleine im Wettbewerb mit den Großen keine Möglichkeiten haben«. Dies ändere sich aber, wenn die Großen durch Monopolsituationen begännen, die immer noch nicht auskömmlichen Preise anzuheben. »Dann werden die wenigen Großkunden wieder nach lokalen Alternativen suchen. Wir und andere kleine Schleppreedereien warten auf den Tag, an dem das eintritt. Sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden und Großbritannien stehen einige Unternehmen einem gemeinsamen Markteintritt offen gegenüber«, sagt Schaefer.

Während also am Markt der Kampf um Anteile weitergeht, müssen die Reedereien technisch aufrüsten, weil die Ansprüche steigen. Alte Einheiten sind außer in Nischen kaum noch gefragt, mehr Pfahlzug, Umweltaspekte und Sicherheit spielen eine immer größere Rolle. Gleichzeitig beobachtet Schaefer einen Trend zu Spezialisierung der Einheiten. Seien früher noch viele Hafenschlepper so konstruiert worden, dass sie auch über See verschleppen oder Offshore-Assistenz anbieten konnten, kommt das heute kaum noch vor. »Von circa 30 Schlepperdesigns namhafter Konstrukteure sind maximal fünf noch geeignet für Seeverschleppungen. Spezielle Offshore-Designs wiederum können in keinen einzigen Hafen mehr eingesetzt werden. Wir setzen weiterhin gegen den Trend und fokussieren nicht auf Märkte. Für Nischenanbieter ist es zwingend erforderlich, alle möglichen Märkte zu bedienen und Synergien auszuschöpfen.« Denn solange man nicht genug Auslastung in den Häfen habe, müsse man die Schlepper gelegentlich auf Reisen schicken können.

Das ist also der von Nilaus beschriebene Spagat, den viele nur durch Größe und geographische Verbreitung schaffen. Eine gewisse Ausdehnung der Flotte ist aber auch beim Nischen-Akteur J. Johannsen »jederzeit möglich«, sagt Schaefer. »Wir würden dann je nach Bedarf bedingt durch ein stetig wachsendes Durchschnittsalter in der Flotte, auf Neubauten setzen.« Er warnt aber davor, nur auf modernste Schlepper zu vertrauen, auch wenn die Kundschaft danach ruft. Das könne ein Unternehmen in die Liquiditätsfalle bringen, sagt er mit Verweis auf die jüngste Boluda-Übernahme.