TrAM-modulares-Schiffsdesign-Fraunhofer-IEM-1
Quelle: Fraunhofer IEM
Print Friendly, PDF & Email

14 Projektpartner arbeiten im TrAM-Projekt zusammen, um ein emissionsfreies, schnell fahrendes Passagierschiff durch fortschrittliche modulare Produktion zu entwickeln. Dazu bedient man sich an Konzepten aus der Automobilindustrie.

»Der Versuch, die Sicht der Industrie auf modulare und stärker standardisierte [ds_preview]Schiffe zu ändern, war die größte Herausforderung«, sagen die Modulexperten Tobias Seidenberg und Christoph Jürgenhake vom Fraunhofer-Institut für Mechatronisches Systemdesign IEM.

Neben der Entwicklung und dem Bau einer Null-Emissions-Schnellfähre zielt das TrAM-Projekt darauf ab, noch nie dagewesene modulare Konstruktions- und Fertigungsmethoden für solche Schiffe zu entwickeln und diese sowohl kosten- als auch umwelttechnisch wettbewerbsfähig zu machen.

»Heutzutage werden Schiffe meist als Einzelstücke entworfen, auch wenn viele von ihnen nach fast genau denselben Spezifikationen gebaut werden. Wir untersuchen die Möglichkeiten zur Schaffung von Modulen, die in verschiedenen Anwendungsfällen wiederverwendet werden können. Durch die Kombination fortschrittlicher modularer Produktionsprinzipien mit Schiffsdesign- und Konstruktionsmethoden wird das TrAM-Projekt eine effizientere modulare Systemintegration entwickeln als die derzeit favorisierten funktionsorientierten Modularitätssysteme«, sagt Seidenberg.

Das deutsche Institut hat für Großkunden wie den Volkswagen-Konzern an modularen Architekturen für Autos gearbeitet und leitet die Arbeiten von TrAM zur Anpassung von Modularitätsmodellen aus der Automobil- und Luftfahrtindustrie an die Bedürfnisse der maritimen Industrie. Das vorgeschlagene modulare Konzept wird durch einen »Demonstrator« und zwei »Replikatoren« validiert und verfeinert. Bei dem Demonstrator wird es sich um eine Null-Emissions-Passagierfähre handeln, die ab Januar 2022 eine Multi-Stop-Pendlerstrecke in die norwegische Stadt Stavanger bedienen wird. Die Replikatoren werden für die Flüsse und Kanäle in London und Belgien entwickelt.

Funktion bestimmt Form

»Im Wesentlichen geht es bei dem Projekt darum, wie ein und dasselbe Schiff für verschiedene Zwecke gebaut werden kann – eine Schiffsfamilie für drei verschiedene Routen zu schaffen. Unser Ziel ist es, eine Modularisierungsmethodik zu entwickeln, die es allen drei Schiffen erlaubt, die gleichen Systeme und Schnittstellen innerhalb des Rumpfes und die gleichen groben Strukturen zu haben – vielleicht mit einer teilweise unterschiedlichen Rumpfform für jedes Schiff«, erläutert Jürgenhake. Er bringt mehrere Jahre Erfahrung in der Modularisierung von Airbus in das TrAM-Projekt ein.

Die Modularisierung werde oft mit der Anwendung des »Lego-Prinzips« bei Design und Konstruktion erklärt, doch der Fraunhofer-Ansatz uunterscheide sich deutlich davon, heißt es. »Während ein mechanischer Designer normalerweise eine geometrische Sichtweise hat und mit der Form beginnt, beginnen wir mit einer funktionalen Sichtweise – wir fragen, wo wir welche Funktionen einbetten können. Dann versuchen wir zu identifizieren, welche Funktionen zusammengehören, bevor wir daraus eine Art Form ableiten«, erklärt Jürgenhake.

TrAM-modulares-Schiffsdesign-Fraunhofer-IEM-2

Beispielsweise arbeiten die Fraunhofer-Experten mit Kollegen von der Strathclyde University in Schottland zusammen, um verschiedene Abschnitte des Rumpfes zu modularisieren, so dass der Rumpf leichter an jeden Anwendungsfall angepasst werden kann. »Aber der Kern der TrAM-Modularisierungsbemühungen besteht darin, das komplette Innere und die Schnittstellen des Schiffes als leicht anpassbaren Modulen anzulegen«, sagt Jürgenhake.

Ein Vorschlag beinhaltet eine modulare Brückenanordnung sowie eine modulare Stromversorgung, bei der alle Batterien und die Leistungselektronik auf der oberen Ebene des Schiffes statt im Inneren des Rumpfes untergebracht sind. Das soll für die künftige Nachrüstung von Vorteil sein und einen leichteren Batteriewechsel oder die Integration neuer Stromquellen wie Brennstoffzellen ermöglichen.

Etablierung einer neuen Denkweise

»Generell bestand die größte Herausforderung darin, die Transport- und maritime Industrie davon zu überzeugen, dass die Modularisierung ein guter Ansatz im Schiffsdesign ist, um ihnen die Augen für eine neue Denkweise zu öffnen«, sagt Jürgenhake. Sowohl er als auch Seidenberg glauben, dass die Modularisierung die Art und Weise, wie Schiffe bestellt werden, verändern kann und sollte. »Warum eine strenge Höchstgeschwindigkeit festlegen, wenn ein Schiff diese Geschwindigkeit nur 10-15 % der Zeit nutzt und trotzdem seinen Zeitplan einhält?«, fragt er.

Seidenberg glaubt, dass die Industrie mehr auf die Lebensdauerkosten schauen muss, so wie es die Luftfahrtindustrie tut. »Wir sind jetzt dabei, Schätzungen zu validieren, die zeigen, dass die Lebenszykluskosten eines billigeren, stärker standardisierten modularen Schiffes tatsächlich niedriger sein können als die eines individuell entworfenen Schiffes, das auf der gleichen Strecke verkehrt. Wenn unsere Zahlen korrekt sind, wird dies meiner Meinung nach ein Augenöffner sein«, sagt er.

Demonstratorschiff soll 2022 in Betrieb gehen

Während das Demonstratorschiff in die Phase des Feinentwurfs übergeht, hat das Fraunhofer IEM die Aufgabe, alle Ergebnisse zu dokumentieren. Die Forscher wollen auch eine Art Konfigurator-Werkzeug einbauen, das dem Schiffbauer die Methodik anhand von Beispielen aus den drei TrAM-Anwendungsfällen veranschaulicht und zeigt, was man durch die Modularisierung erreichen kann.

Mit dem Bau des Demonstratorschiffes wird Anfang 2021 begonnen. Die vollelektrische Schnellfähre soll am 1. Januar 2022 für Kolumbus in Stavanger in den kommerziellen Betrieb gehen.

TrAM steht für »Transport: Advanced and Modular«. Beteiligt sind Wärtsilä, Fjellstrand, Servogear, HSVA, University of Strathclyde, NTUA, NCE Maritime Cleantech, Fraunhofer IEM, Leirvik, Hydro Extruded Solutions, Rogaland County Council und Kolumbus, MBNA Thames Clippers und De Vlaamse Waterweg.