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Im HANSA-Interview erläutert Jürgen Grabe, Vorsitzender des gemeinsamen Arbeits-ausschusses »Ufereinfassungen« der Hafentechnischen Gesellschaft (HTG) und der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik (DGGT), die Neuerungen des kommenden Empfehlungswerkes

Was macht der Arbeitsausschuss »Ufer­einfassungen«? Warum ist Ihre Arbeit so wichtig?

Jürgen Grabe: Unsere mehr als 20[ds_preview] Mitglieder sind Akteure in Bauindustrie, Ingenieurbüros, Häfen, Bundesanstalten und Universitäten. Insgesamt also eine breite Gruppe aus der Nordrange, denn auch die Häfen Antwerpen und Rotterdam zählen dazu. Gemeinsam geben wir Regeln und Empfehlungen für die Ufereinfassungen heraus, die in Binnen- und Seehäfen sowie an Wasserstraßen Anwendung finden. Die Empfehlungen werden von der EU notifiziert und von der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) als Regelwerk eingeführt. Unsere Empfehlungen werden beispielsweise auch bei Streitfällen vor Gericht zu rate gezogen.

Was ist die Empfehlung des Arbeitsausschusses »Ufereinfassungen« (EAU)?

Grabe: Bei der EAU handelt sich um ein rund 600 Seiten umfassendes Werk. Unser Ausschuss trifft sich drei bis viermal pro Jahr und diskutiert den Stand der Technik und Forschung. Die Ergebnisse fließen in die EAU ein. Alles was zwischen den Ausgaben passiert, wird ebenfalls publiziert und in gleicher Weise zur Diskussion gestellt. Pro Jahr veröffentlichen wir ein bis zwei technische Jahresberichte. In den ersten sechs Monaten sind die Entwürfe offen für Kritik, bei der nächsten Sitzung werden sie dann beschlossen oder abgeändert.

Was sind die Grundlagen dieser Empfehlungen?

Grabe: Alles basiert auf wissenschaftlichen und praktischen Erkenntnissen, das reicht von Studien und Forschungsarbeiten über Promotionen und Publikationen bis hin zu Versuchen in Unternehmen und Universitäten. Auch die Hafenunternehmen führen Versuche durch, als Beispiel ist hier eine Untersuchung zum Thema Pollerzug zu nennen, die bei der Hamburg Port Authority (HPA) gelaufen ist.

Wann kommt die neue EAU-Fassung raus? Ist auch eine Online-Veröffentlichung geplant?

Grabe: Die neueste Fassung der EAU in deutscher Sprache erscheint im November, einige Monate später folgt die englische. Zum Jahresende soll ein Pdf-Dokument zur Verfügung stehen sowie ein sogenanntes Epub, das zum Beispiel auf Kindle-Geräten gelesen werden kann. 2021 ist dann eine online-Version mit regelmäßigen Updates angedacht.

Was ist neu in der aktuellen Fassung der EAU?

Grabe: Wir haben die EAU neu strukturiert und inhaltlich gestrafft, Dopplungen und Widersprüche wurden beseitigt. Die sonst üblichen Empfehlungsnummern fallen weg. Als neues Kapitel ist das Thema Offshore-Basishäfen hinzugekommen. Hier geht es unter anderem darum, auf welche Kriterien bei der Planung geachtet werden sollte. Neu aufgenommen wurde auch die vertikale Tragfähigkeit von Trägern von Pfählen, insbesondere die der kombinierten Spundwände. Ebenfalls neu sind Empfehlungen zu RoRo-Anlegern und –anlegebrücken sowie zum Pollerzug. Aktualisiert und überarbeitet wurden die Themen Schiffsgrößen und Unterhaltung.

Welche Bedeutung hat die EAU für Deutschland, Europa und die ganze Welt?

Grabe: Wenn man Ufereinfassungen plant und den Betrieb bestmöglich organisieren möchte, ist die EAU ein wichtiges Werk, in dem man viele notwendige Informationen findet, beispielsweise Bemessungswerte und Lasten für Bauteile. Mit der EAU wird man schon im Studium konfrontiert. Wenn man beruflich in die Richtung Hafen- oder Küstenwasserbau gehen möchte, kommt man um dieses Standardwerk also nicht herum. Jeder Ingenieur, der in Deutschland tätig ist, zieht die EAU zu rate. Da die Niederlande und Belgien mit verschiedenen Häfen beteiligt sind, werden unsere Empfehlungen auch in diesen Ländern angewendet. Auch eine englische Fassung ist verfügbar, die auf der ganzen Welt genutzt wird. Während die EAU hierzulande durch die Wasserstraßen- und Schifffahrtsämter als Regelwerk eingeführt wird, wird sie in den anderen Ländern als wesentliches technisches Empfehlungswerk angesehen. Insgesamt ist die Tragweite also sehr hoch. Letztlich ist aber nach wie vor der Ingenieur für sein Handeln verantwortlich und in der Prüfpflicht.

Einige Ufereinfassungen wie Spundwände bestehen schon viele Jahre und müssen ersetzt werden. Welche Rolle spielen Tidenhub, höhere Stabilität wegen Suprastruktur (schwere Krane) und natürlich auch die wachsenden Schiffsgrößen und die damit verbundenen höheren Windlasten in den Empfehlungen?

Grabe: Die Anforderungen an die Häfen verändern sich stetig, deshalb müssen diese Themen ständig aktualisiert werden.

Welchen Stellenwert hat die Digitalisierung in der EAU?

Grabe: Von jedem Bauwerk wird heutzutage zunehmend ein digitales Modell, das sogenannte BIM (Building Information Modeling) angefertigt und in einer Cloud abgelegt, so dass es jedem Ingenieur zur Verfügung steht. Der Vorteil: Wenn dort etwas geändert wird, bekommen das alle mit. Es können also mehrere Personen gleichzeitig daran arbeiten und bleiben immer auf dem neuesten Stand. Innerhalb unseres Ausschusses haben wir überlegt, ein eigenes Kapitel zum BIM zu machen, uns letztlich aber dagegen entschieden, da es sich um eine Arbeitsmethode handelt. Die eigentlichen Inhalte bleiben daher unverändert.

Welche Themen werden Ihrer Meinung nach in der EAU in Zukunft an Bedeutung gewinnen?

Grabe: Meines Erachtens wird auf der Erhaltung der Bauwerke künftig ein noch stärkerer Fokus gelegt werden. Das schließt das Monitoring von Kaimauern ein. Es gilt, den Zustand zu überprüfen und erforderlichenfalls ein Sanierungskonzept zu entwerfen. Hierfür sehe ich einen verstärkten Bedarf an Forschung und Entwicklung. Der Einsatz von Drohnen kann hierbei unterstützen.

Seit vielen Jahren gibt es einen Workshop, in dem das Thema Ufereinfassungen behandelt wird. Warum macht es Sinn, dort hinzukommen?

Grabe: Der sogenannte Kaimauer-Workshop, der alle zwei bis drei Jahre stattfindet, hat eine lange Tradition. Dort kommen alle Akteure zusammen, die mit diesem Thema zu tun haben. Wichtig ist neben dem fachlichen Austausch der Network-Gedanke. In Vorträgen wird über Erfahrungen bei verschiedenen internationalen Projekten berichtet und es werden Forschungsergebnisse präsentiert. Auch Neuentwicklungen werden thematisiert. Im Rahmen des Workshops, der im November stattfindet, soll auch die neue EAU präsentiert werden, über die natürlich auch diskutiert werden wird. Der Kaimauer-Workshop wird immer sehr gut angenommen. Häfen der gesamten Nordrange sind ebenso vertreten wie Firmen, die sich mit Hafen- und Wasserbau beschäftigen. Ingenieurbüros und Universitäten zählen ebenfalls zum Teilnehmerkreis, gleiches gilt für Hafenbehörden, Bundesanstalten und Wasserstraßen- und Schifffahrtsämter.

Interview: Thomas Wägener