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Wie viele deutsche Werften hat auch Nobiskrug in Rendsburg das Auf und Ab im Schiffbau erlebt. Mehr als 750 Schiffe wurden in 115 Jahren gebaut. Erst Segelschiffe, dann Kümos und Fähren. Für Gegenwart und Zukunft aber stehen Mega-Yachten.

Eines der spektakulärsten Schiffe, die je die Nobiskrug-Werft in Rendsburg verlassen hat, liegt derzeit im Eis der Arktis fest[ds_preview]. Der Forschungseisbrecher »Polarstern« ist in doppelter Hinsicht ein Zeugnis der Schiffbaukunst aus Deutschland. Nicht nur, weil das Schiff immer wieder extreme Bedingungen meistert, sondern auch, weil es seine Lebensdauer eigentlich längst überschritten hat. 2015 hätte die 1982 abgelieferte »Polarstern« ausgemustert werden sollen. Weil aber immer noch ein Nachfolger fehlt, tut sie weiter ihren Dienst. Mit der »Polarstern«, damals gemeinsam gebaut mit den Howaldtswerken in Kiel, wurde nur eines von vielen Kapiteln in der wechselvollen Geschichte der Werft geschrieben. Weitaus jünger und noch spektakulärer ist die »Sailing Yacht A«. Mit einer Länge von knapp 143 m ist sie die größte Segelyacht der Welt, der russische Milliardär Andrei Melnitschenko soll rund 400 Mio. € für das beeindruckende Schiff gezahlt haben. Mittlerweile blickt Nobiskrug seit ihrer Gründung auf 115 Jahre Schiffbau direkt am Nord-Ostsee-Kanal und den Bau von inzwischen mehr als 750 Schiffen zurück. Wie alles begann 1905 wurde die heutige Werft von gegründet. Doch eigentlich beginnt ihre Geschichte schon 1895, als der Nord-Ostsee-Kanal eröffnet wurde. In Rendsburg, an der Flussmündung der Eider, entstand zu jener Zeit ein Reparatur- und Neubaubetrieb für den Wasserbau. Zehn Jahre erfolgte am 17. Juni 1905 mit dem Eintrag ins örtliche Handelsregister unter der Leitung von Otto Storck der Start als Werftbetrieb. Erster Neubau war ein Baggerschiff für dänische Eigner. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurden rund 70 Einheiten gebaut, vornehmlich Pontons und Leichter. Während des Krieges produzierte man auch Hilfsschiffe und Minenabwehrfahrzeuge für die Kaiserliche Marine. Nach dem Krieg wurden Fracht-Dampfschiffe und Trawler an deutsche Reeder verkauft. Berühmt waren die Anfang der 1930er-Jahre gebauten zehn Drei-Mast-Schonern des Typs »Ich Verdiene«. Im Zweiten Weltkrieg baute Nobiskrug erneut Hilfsschiffe, diesmal für die Kriegsmarine und die Luftwaffe, darunter auch Schlepper und Tanker. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste, wie im ganzen Land, auch bei Nobiskrug ein Neustart erfolgen. Es wurden Küstenmotorschiffe und Stückgutfrachter wie die 93 m lange »Bleichen« gebaut, heute ein Museumsschiff im Hamburger Hafen. Es folgten das Marine-Schulschiff »Deutschland«, etliche Ostsee-Fähren, dazu Asphalttanker, RoRo-Schiffe sowie 14 konventionelle Frachter des Typs »Rendsburg« als Liberty-Ersatzschiffe für verschiedene Reedereien. Nach der Ausrüstung des Eisbrechers »Polarstern« wurde 1986 bei Nobiskrug das damalige ZDF-Traumschiff »Berlin« umgebaut und verlängert. Ende der Unabhängigkeit Im Juni 1980 feierte die Werft im alten Glanz ihr 75-jähriges Bestehen (HANSA 10/1980). Absehbar aber war der Schiffbauboom der 1970er-Jahre zu Ende, Nobiskrug baute wieder verstärkt Küstenmotorschiffe und erste Container-Feederschiffe. Ein hohes Risiko bei den Projekten verbunden mit einer eher »dünnen« Kapitaldecke führten Mitte der 1980er-Jahre zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten und schließlich zum Konkurs der Werft. Die fast ein Jahrhundert dauernde Unabhängigkeit von Nobiskrug endete mit der Übernahme durch die Ho­waldtswerke Deutsche Werft (HDW). Acht Jahre später wurden beide Werften zu ThyssenKrupp Marine Systems fusioniert. Rendsburg war nur vor allem eine Reparatur- und Instandsetzungswerft, ab Ende der 1990er-Jahre wurden zudem Sektionen an die Muttergesellschaft HDW nach Kiel geliefert. Bau-Nr. 757 leitete dann eine neue Ära ein –die 92 m lange »Tatoosh« war die erste Mega-Yacht in der Unternehmensgeschichte von Nobiskrug. Seitdem hat sich die traditionsreiche Werft dem Bau von modernen Luxusschiffen verschrieben, wozu nach der Jahrtausendwende auch einige Flusskreuzfahrtschiffe für Premicon (München) gehörten. Es folgte 2010 ein weiterer Eigentümer-Wechsel, nachdem zunächst Abu Dhabi Mar die Werft in Rendsburg wie auch die heutige German Naval Yards (ehemals HDW Gaarden) von ThyssenKrupp übernahm. Heute gehören beide Standorte ebenso wie die Reparaturwerft Lindenau in Kiel (seit 2013) zur Privinvest Group im Besitz der französisch-libanesischen Unternehmerfamilie Safa. Yachten nach Maß Nobiskrug setzt inzwischen auf maßgefertigte Superyachten. Dabei kann die Werft eine Baugröße von 60 m bis 426 m – die maximale Größe der verfügbaren Trockendocks – abdecken. Einige der Entwürfe sind preisgekrönt, neben der »Sailing Yacht A« zählte zuletzt auch die Hybrid-Superyacht »Artefact« dazu. Bei der Ablieferung der »Triple Seven« (2006) setzte Nobiskrug erstmals Formteile aus Verbundwerkstoffen ein, die den üblichen Aluminiumaufbau ersetzten. Dieser lässt sich in jede beliebige Form und Größe formen, spart Gewicht und Zeit beim Bau und erleichtert die Wartung während des Einsatzes der Yacht. Es folgte 2008 die 74 m lange »Siren«, die als erste Superyacht weltweit mit einer hydraulisch klappbaren Hubschrauberplattform ausgestattet war, die auch als Sonnendeck, Tanzfläche oder Bühne genutzt werden kann. Die Seitenterrasse des Eigners war eine weitere Innovation ihrer Zeit – heute ein Standard. Mit den Superyachten »Jamaica Bay« und »Sycara V« folgten weitere Highlights. Die »Sycara V« hatte damals die größte Tendergarage, die jemals auf einer Superyacht eingebaut wurde. 2013 wurde die 74 m lange »Odessa II« abgeliefert. Abgesehen davon, dass sie eine perfekte Superyacht für verschiedene Unterhaltungsaktivitäten ist, verfügt sie über ein innovatives Wassernebelsystem, das in allen Schwimmstangen auf allen Außendecks installiert ist und für eine kühle Brise für Gäste an sonnigen Orten sorgt. Daneben verwandelt sich die Hubschrauberplattform in eine beleuchtete Bühne, die Yacht verfügt über ausgeklügelte Lautsprechersysteme und einen Speiseaufzug von der Pantry auf das Hauptdeck. Das wohl mit Abstand bekannteste Projekt der jüngeren Geschichte ist die 143 m lange und rund 400 Mio. € teure Superyacht »Sailing YachtA« (12.600 GT). Sie ist mit acht Decks eine der größten und fortschrittlichsten Superyachten der Welt mit einzigartigen Merkmalen wie Unterwasser-Beobachtungskapsel, diesel-elektrischem Hybridantrieb und modernsten Navigationssystemen. Der Hauptmast thront 100 m über der Wasserlinie und ist damit die höchste alleinstehende, belastete Verbundstruktur weltweit. Es folgte in diesem Jahr die hochtechnologische 80-m-Superyacht »Artefact« als erster nach den neuen IMO Tier III-Vorschriften gebauter Neubau. Das Design gilt als perfekte Verbindung von Kunst und Wissenschaft. Zwei weitere Yachten wie die »Black Shark« sind gerade im Bau. Ei neuer Auftrag für eine weitere Superyacht mit mehr als 100 m Länge wurde im September 2019 verkündet. Trotz einem guten Auftragseingang hat Nobiskrug auch zuletzt mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Im vergangenen Jahr hat der Eigner Privinvest eine Restrukturierung der Werftengruppe eingeleitet, die noch nicht abgeschlossen ist. Gleich zweimal binnen kurzer Zeit wurde der Geschäftsführer ausgewechselt. Und in der Coronakrise mussten alle Standorte in Kurzarbeit. Nobiskrugs Geschäftsführer Johan Valentijn ist dennoch optimistisch: »Heute stehen wir zusammen und feiern dieses bedeutsame 115-jährige Jubiläum.« Dies sei vor allem »unsere geschätzten Mitarbeitern sowie den treuen Kunden, Partnern und Lieferanten zu danken.


Krischan Förster