Print Friendly, PDF & Email

Die Handelsorganisation der Vereinten Nationen UNCTAD sieht durch die Corona-Pandemie eine Beschleunigung in der Transformation der weltweiten Wertschöpfungs- und Handelsketten. Das könnte auch Auswirkungen auf die Schifffahrt haben.

[ds_preview]Die Pandemie habe »tiefgreifende Verwerfungen in der Funktionsweise globaler Wertschöpfungsketten verstärkt und die Fragilität eines Modells offenbart, das sich durch hohe Interdependenzen zwischen führenden Unternehmen und Lieferanten aus mehreren Kontinenten auszeichnet«, heißt es in einer neu veröffentlichten Analyse.

Sollte sich die Entwicklung verstetigen – wie von vielen Beobachtern ohnehin erwartet – dürften sich Produktionsstätten verlagern und der Bedarf an seeseitigen Transporten ändern. Zumindest könnte – Stichwort Nearshoring – die Nachfrage nach Nachfrage für Langstreckentransporte zu Gunsten kürzerer Wege sinken.

Unsicherheit = Verlagerung?

Die anhaltende Unsicherheit im Zusammenhang mit der Verlagerung des Epizentrums der Pandemie von Region zu Region und die parallele Instabilität, die sich auf die Produktionskosten auswirkt, erschweren die Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit auf globaler Ebene und veranlassen derzeit viele Firmen, ihre Produktionsaktivitäten zu reduzieren oder einzustellen. Das ist der eine kritische Punkt in der Krise. Allerdings sieht man auf den Schifffahrtsmärkten, dass der Warentransport in der Krise nicht prinzipiell schrumpft.

Bedeutender ist die Verlagerung von Produktionsaktivitäten, die schon vor Corona zu beobachten war, nun nach Ansicht der UNCTAD aber verstärkt werden könnte. »Aus der Sicht eines Unternehmens erschließt die Industrie 4.0, insbesondere die Automatisierung, neue arbeitssparende Technologien, die möglicherweise die Abhängigkeit von gering qualifizierten Arbeitskräften in der Fertigung verringern und damit die Vorteile des Offshoring verringern könnten«, so der Report.

Produktion nähert sich Verbrauchermarkt

Wertschöpfungsketten fallen entsprechend regionaler aus und nähern sich den Verbrauchermärkten, aus Kostengründen muss nicht zwangsläufig in entfernten Regionen produziert werden. Zumal die ehemals »günstigen« Produktionsstandorte gar nicht mehr so »günstig« sind wie vor einigen Jahren oder Jahrzehnten. Infolge des Wirtschaftsaufschwungs in Ländern wie China sind auch in solchen Regionen die Löhne gestiegen.

Die Auseinandersetzung mit Covid-19 könnte einige dieser Trends beschleunigen, meinen die Analysten bei den Vereinten Nationen: »Sowohl die Automatisierung als auch das Reshoring ermöglichen eine flexiblere Anpassung an die sich ändernde Nachfrage und mindern so die Risiken der Unternehmen im Falle einer Pandemie oder anderer externer Schocks.«

Exportverbote & Co.

Darüber hinaus sei es denkbar, dass durch die Pandemie verursachte Unterbrechungen der Versorgungskette und des Reiseverkehrs die wirtschaftliche Integration untergraben werden und autarkere Wirtschaftssysteme entstehen. Zumindest, heißt es weiter, in strategischen Sektoren wie medizinische Ausrüstung und Arzneimittel oder der Produktion  für den Zusammenbau hoch entwickelter Maschinen, deren Endproduktion nach wie vor in Hochlohnländern erfolgt – alles nicht ganz unwichtige Ladungsarten für die Schifffahrt.

Diese Tendenz spiegele sich in der wachsenden Zahl vorübergehender Exportverbote und -beschränkungen für kritische Güter wider, die von zahlreichen Ländern nach dem Ausbruch der Seuche erlassen wurden. »Es überrascht daher nicht, dass die meisten Analysten sich darin einig sind, dass die gegenwärtige Pandemie Verlagerungs- und Umschichtungstendenzen verstärken wird.«