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Foto: Jonas Schütze
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Die alte »Nis Randers« ist nach Kroatien verkauft, nun wird der jüngste Seenotrettungskreuzer der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) nach dem berühmten Seenotretter aus dem Gedicht von Otto Ernst benannt. 

[ds_preview]Das teilt die DGzRS anlässlich des 158. Geburtstags des Dichters (7. Oktober 2020) mit. Das Spezialschiff ist die zweite Rettungseinheit dieses Namens in der Geschichte der DGzRS. Es soll im Herbst 2021 auf dem Darß in Dienst gestellt werden.

Nis Randers

Krachen und Heulen und berstende Nacht,
Dunkel und Flammen in rasender Jagd –
Ein Schrei durch die Brandung!

Und brennt der Himmel, so sieht man’s gut:
Ein Wrack auf der Sandbank! Noch wiegt es die Flut;
Gleich holt sich’s der Abgrund.

Nis Randers lugt – und ohne Hast
Spricht er: „Da hängt noch ein Mann im Mast;
Wir müssen ihn holen.“

Da fasst ihn die Mutter: „Du steigst mir nicht ein:
Dich will ich behalten, du bliebst mir allein,
Ich will’s, deine Mutter!

Dein Vater ging unter und Momme, mein Sohn;
Drei Jahre verschollen ist Uwe schon,
Mein Uwe, mein Uwe!“

Nis tritt auf die Brücke. Die Mutter ihm nach!
Er weist nach dem Wrack und spricht gemach:
„Und seine Mutter?“

Nun springt er ins Boot und mit ihm noch sechs:
Hohes, hartes Friesengewächs;
Schon sausen die Ruder.

Boot oben, Boot unten, ein Höllentanz!
Nun muß es zerschmettern …! Nein, es blieb ganz! …
Wie lange? Wie lange?

Mit feurigen Geißeln peitscht das Meer
Die menschenfressenden Rosse daher;
Sie schnauben und schäumen.

Wie hechelnde Hast sie zusammenzwingt!
Eins auf den Nacken des andern springt
Mit stampfenden Hufen!

Drei Wetter zusammen! Nun brennt die Welt!
Was da? – Ein Boot, das landwärts hält –
Sie sind es! Sie kommen! – –

Und Auge und Ohr ins Dunkel gespannt …
Still – ruft da nicht einer? – Er schreit’s durch die Hand:
„Sagt Mutter, ’s ist Uwe!“

Traditionell gibt die DGzRS den Namen einer neuen Rettungseinheit erst bei der Taufe bekannt. In wenigen Fällen machen die Seenotretter bewusst eine Ausnahme. »Der Name ›Nis Randers‹ steht wie kaum ein zweiter für die freiwillige, selbstlose Bereitschaft der Seenotretter zum gemeinschaftlichen, oft gefahrvollen Einsatz auf Nord- und Ostsee. Wir wünschen uns sehr, dass sich möglichst viele Menschen für diesen ganz besonderen Neubau engagieren«, begründet Gerhard Harder, ehrenamtlicher Vorsitzer der Seenotretter, die frühzeitige Bekanntgabe. Der Neubau wird, wie die gesamte Arbeit der DGzRS, ausschließlich durch Spenden finanziert.

Nr. 6 der 28-Meter-Klasse

Der neue Seenotrettungskreuzer »Nis Randers« (interne Bezeichnung SK 42) wird das sechste Schiff der 28-Meter-Klasse. Er wurde im März 2020 auf Kiel gelegt und ist für die Seenotretter auf dem Darß bestimmt. Die fünf anderen 24 Knoten schnellen und fast 4.000 PS starken Schiffe dieser Klasse sind auf Amrum, in Laboe, Cuxhaven, auf Borkum und – ab Jahreswechsel 2020/2021 – in Grömitz stationiert.

Den ersten Seenotrettungskreuzer mit Namen »Nis Randers« hatte die DGzRS 1990 zu ihrem 125-jährigen Bestehen in Dienst gestellt. Nicht zuletzt aufgrund seines Namens wurde er eine ihrer bekanntesten Rettungseinheiten. Bis Herbst 2018 war er an der Schleimündung stationiert und anschließend noch eine Zeitlang als Springer immer dort im Einsatz, wo andere Rettungseinheiten zum Beispiel aufgrund einer Werftzeit vertreten werden mussten. Nach fast 30 Einsatzjahren auf Nord- und Ostsee hatte die DGzRS das Schiff nach Kroatien verkauft.

Bekannte Ballade von Otto Ernst

Die bekannte Ballade von Otto Ernst (1863-1926) schildert die Rettung eines Schiffbrüchigen. Sie erschien 1901, als die Seenotretter noch in offenen Ruderrettungsbooten im Einsatz waren. Nis Randers gilt als Inbegriff des Seenotretters: Ungeachtet der Gefahr für das eigene Leben, retten er und seine Mannschaft einen Mann aus dem Mast eines im Gewittersturm gestrandeten Schiffes. Nis’ Mutter will ihn nicht hinausfahren lassen, weil schon ihr Mann und ihr Sohn Momme auf See geblieben sind und ihr Sohn Uwe verschollen ist. Nis antwortet knapp: »Und seine Mutter?« Die Seenotretter rudern hinaus, überstehen alle Gefahren – und retten den verschollenen Uwe.

Früh fand die Ballade Eingang in Schullesebücher. Viele Generationen lernten sie auswendig, auch in modernen Unterrichtswerken ist sie zu finden. Zusätzliche Bekanntheit erlangte der Stoff dank der rockigen Vertonung durch DGzRS-Bo(o)tschafter Achim Reichel 1978.