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Die Verkehrsexperten der OECD haben staatliche Unterstützungspakete untersucht, die der Schifffahrt in der Coronakrise helfen sollen. Die Hilfe erfolgt in verschiedenen Formen, ist jedoch in der Regel an keine Bedingungen geknüpft. Ein Umdenken wird gefordert.

[ds_preview]Mindestens 13 Länder haben in den letzten Monaten staatliche Unterstützung für den Schifffahrtssektor eingeführt, wie aus einer vorläufigen Bestandsaufnahme durch das OECD-Gremium International Transport Forum (ITF) hervorgeht. Diese Bestandsaufnahme könnte Allerdings den Umfang der staatlichen Unterstützung für die Schifffahrt unterbewerten, da es derzeit keine systematische Datenerhebung über staatliche Beihilfen für den Seeverkehrssektor gebe, heißt es gleich einschränkend in dem nun erschienenen Bericht »Lessons from Covid-19 State Support for Maritime Shipping«. Selbst die Datenbank der Europäischen Union über staatliche Beihilfen enthält nicht alle bekannten Unterstützungsmaßnahmen für die Schifffahrtsindustrie, obwohl die EU-Mitgliedstaaten staatliche Beihilfen bekannt geben müssen.

Die staatliche Unterstützung zur Milderung der Auswirkungen von Covid-19 auf die Schifffahrt ist zum großen Teil auf Fähr- und Kreuzfahrtreedereien ausgerichtet. Dies sind die Ziele von mehr als der Hälfte der bekannten Hilfspakete (9 von 17). Fährgesellschaften erhalten staatliche Unterstützung in Estland, Finnland, Griechenland, Italien, Schweden und im Vereinigten Königreich – Länder, in denen Fähren ein wichtiges Mittel der internationalen oder nationalen Konnektivität darstellen.

Kreuzfahrtgesellschaften profitieren von Beihilfen im UK, in Frankreich, Hongkong und möglicherweise in naher Zukunft auch in Deutschland. Frankreich, Südkorea und Taiwan unterstützen ebenfalls ihre Containerschifffahrtsunternehmen. Unterstützungspakete in anderen Ländern zielen auf den gesamten Sektor und nicht auf ein bestimmtes Segment ab.

Lessons from Covid 19 State Support for Maritime Shipping OECD ITF 2

Die Form der staatlichen Covid-19-Beihilfen für Reedereien ist unterschiedlich. Einige Regelungen entschädigen die Betreiber für Einnahmeausfälle, die ihnen durch die Stilllegung von Schiffen, z.B. aufgrund von Grenzschließungen, entstehen. Dies ist der Ansatz, der insbesondere bei Fähren verfolgt wird. Die Entschädigung kann direkte Zuschüsse (wie in Estland) oder Steuerbefreiungen (wie in Schweden) umfassen. Die Programme unterscheiden sich in ihrem Umfang erheblich. So erlaubt die estnische Regelung beispielsweise eine Entschädigung von bis zu 80 % der Einnahmeverluste von vier Fährgesellschaften (Gewährung von 20 Mio. €), während die schwedische Regelung 9,5 Mio. € für zehn Fährgesellschaften vorsieht, um lohnbezogene Kosten auszugleichen, die schätzungsweise 10 bis 20 % ihrer entgangenen Einnahmen ausmachen. Die meisten Liquiditätshilfen werden großen Reedereien mit einem hohen Anteil an Schulden zur Verfügung gestellt, die vor dem Covid-19 erworben wurden. Verschiedene Länder haben zudem vorübergehend die Hafengebühren gesenkt (z.B. Singapur und Hongkong).

Staatshilfen nahezu ohne Auflagen

In den Beihilferegelungen werden in der Regel Schutzvorkehrungen getroffen, um zu verhindern, dass die Unternehmen überkompensiert werden. Abgesehen davon machen die Regierungen jedoch nur selten Auflagen, die darauf abzielen, andere Ziele der öffentlichen Politik zu erreichen als das unmittelbare Ziel, die wirtschaftlichen Verluste für den Schifffahrtssektor aufgrund von Covid-19 zu mindern.

Als Ausnahme wird Finnland genannt. Die finnische Regierung erlegt den Empfängern der Hilfe drei Bedingungen auf: Erstens müssen sie Produkte befördern, die »für die Versorgungssicherheit als wesentlich erachtet werden«; zweitens müssen sie eine ausreichend große Transportkapazität aufweisen, definiert als die Möglichkeit, mindestens 5.000 t pro Woche zu bewegen. Drittens müssen sie regelmäßige Verkehrsdienste anbieten, definiert als Dienste, die mehrmals pro Woche für verderbliche Güter und mindestens einmal pro Monat für langlebigere Güter betrieben werden. Eine weitere Ausnahme ist Deutschland, das einen Teil seines Unterstützungspakets für den Seeverkehr sauberen Schiffen und maritimen Innovationen vorbehalten hat.

Die fehlende Verbindung zwischen den Covid-19-Subventionen und weiter gefassten politischen Zielen ist Teil eines größeren Phänomens. Staatliche Beihilfen für den Seeverkehrssektor unterliegen dem ITF-Bericht zufolge im Allgemeinen nur begrenzten Bedingungen. Wie in der Luftfahrt enthält die große Mehrheit der Unterstützungsmaßnahmen für die Schifffahrt keine Bedingungen in Bezug auf wirtschaftliche, soziale oder ökologische Ziele. Die meisten Länder berichten nicht einmal über die Auswirkungen ihrer staatlichen Beihilfen für den Seeverkehr.

In der Europäischen Union erheben 22 Länder von Schifffahrtsunternehmen eine Tonnagesteuer – ein sektorspezifisches und großzügiges Steuersystem, das die Körperschaftssteuer ersetzen kann. Doch nur Norwegen und Portugal haben eine Tonnagesteuerregelung, die Anreize zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit von Schiffen beinhaltet, und nur das Vereinigte Königreich verlangt von den begünstigten Reedereien die Ausbildung von Seeleuten.

Das Fehlen von Bedingungen für die erhaltene Unterstützung gilt auch für andere Schifffahrtsregularien. Die Europäische Union stellt Linienreedereien von der EU-Wettbewerbsverordnung, der so genannten Gruppenfreistellungsverordnung für Konsortien, frei. Diese legt fest, dass das gesamte Transportsystem von der Freistellung profitieren soll, aber in der Praxis hat die Europäische Kommission ihren Anwendungsbereich auf die Top-Reduktionen für Kunden beschränkt, anstatt weitergehende Ziele wie Anbindung, Zuverlässigkeit und ausreichend regelmäßige Dienste zu verfolgen.

Staatliche Beihilfen und Besteuerung

»Die Schifffahrtsindustrie profitiert von Steuerbefreiungen in sehr großem Umfang«, so der Breicht. Ein erheblicher Anteil der Schifffahrtsunternehmen der Welt ist in Steueroasen angesiedelt. Die meisten Schiffe fahren unter »Billigflaggen« (offene Register), die eine günstige steuerliche Behandlung bieten. Viele Länder haben großzügige schifffahrtsspezifische Steuerbefreiungen oder Regelungen wie die Tonnagesteuer.

Die vier größten Kreuzfahrtunternehmen der Welt erwirtschafteten in den Jahren 2015-19 einen Gewinn von 26 Mrd. $. Im gleichen Zeitraum zahlten sie nur 32 Mio. $ an Steuern. Dies entspricht einem effektiven Steuersatz von etwas mehr als 0,1 %. Drei dieser Unternehmen haben zwar ihren Hauptsitz in den USA, sind jedoch in Panama, Liberia und auf den Bermudas eingetragen, so dass sie sich nicht für eine Unterstützung durch die US-Bundesbehörden im Rahmen des CARES-Gesetzes qualifizieren.

Die Europäische Kommission sandte ein ähnliches Signal aus, als sie empfahl, dass die Mitgliedsstaaten Unternehmen mit Verbindungen zu Ländern, die auf der EU-Liste der nicht kooperativen Steuergebiete stehen, keine finanzielle Unterstützung gewähren sollten. Diese politischen Interventionen haben nach OECD-Angaben dazu geführt, dass staatliche Beihilfen für Kreuzfahrtunternehmen nicht sichtbar sind. Liquiditätshilfen für Schifffahrtslinien kamen demnach von Zentralbanken (z.B. im Vereinigten Königreich) und nationalen Entwicklungsbanken (in Frankreich), obwohl die Empfänger umfangreiche Verbindungen zu Schiffsregistern in Ländern auf der EU-Liste haben.

Der Fährverkehrssektor hat andere Probleme. Fährgesellschaften sehen sich selten einem globalen Wettbewerb gegenüber, der oft die wichtigste Rechtfertigung für staatliche Unterstützung ist, wie z.B. in den EU-Leitlinien für staatliche Beihilfen im Seeverkehr von 2004 dargelegt. Ganz allgemein hat die EU neben der Genehmigung der staatlichen Beihilfen für den Seeverkehr nach Covid-19 die regulären staatlichen Beihilferegelungen für den Seeverkehr weiter ausgebaut. Daher hat sie die in einem kürzlich erschienenen ITF-Bericht über Subventionen im Seeverkehr analysierten Defizite (Steuerwettbewerb , Marktverzerrung und Erweiterung des Anwendungsbereichs) nicht abgebaut.

Schattensubventionen in der Containerschifffahrt

Die Covid-19-Krise hat auch das Aufkommen von »Schattensubventionen« in der Containerschifffahrt mit sich gebracht. Schattensubventionen sind Übertragungen von den Verbrauchern auf die Produzenten, die sich aus den Wettbewerbsbeschränkungen der Schifffahrtsregulierung ergeben. Angesichts des Rückgangs der Nachfrage nach dem Containerverkehr haben die wichtigsten Containerschifffahrtsunternehmen gemeinsam Schiffskapazitäten durch Annullierung geplanter Fahrten abgebaut. Zwischen Februar und Juni 2020 wurden ca. 20 bis 30 % der Containerschiffskapazität auf den wichtigsten Handelsrouten stillgelegt. Die künstlich geschaffene Knappheit trieb den Preis für die Verschiffung von Containerschiffen in die Höhe. Besonders stark stiegen die Frachtraten im transpazifischen Fahrtgebiet, aber auch viele andere Routen verzeichneten trotz dem Rückgang des containerisierten Handelsvolumens Zuwächse.

Aufgrund dieser bemerkenswerten Verschiebungen bei den Frachtraten erzielten die Containerschifffahrtsunternehmen in der ersten Hälfte des Jahres 2020 große Gewinne. Die Gewinnmarge der zehn wichtigsten Containerschifffahrtsunternehmen betrug im zweiten Quartal 2020 8,5 %, laut Alphaliner die höchste seit dem dritten Quartal 2010. Diese Gewinne könnten als eine von den Verbrauchern bezahlte Schattensubvention angesehen werden, meinen die ITF-Experten. Dadurch, dass es den Reedereien gelungen sei, den Preis über sein Niveau, das er unter Wettbewerbsbedingungen hätte, hätten sie gegen das Wohl der Konsumenten gehandelt.

Lessons from Covid 19 State Support for Maritime Shipping OECD ITF 1

Diese Schattensubvention kommt in einigen Fällen zu der staatlichen Unterstützung hinzu: Mindestens vier der wichtigsten Containerschifffahrtsunternehmen haben ebenfalls von der Covid-19-Beihilfe profitiert. Diese Entwicklung gibt den Wettbewerbsbehörden Anlass zur Sorge. Chinesische Behörden haben vor kurzem die Reedereien um Erklärungen gebeten und gefordert, dass sie Dienste im transpazifischen Fahrtgebiet wieder ausbauen. In den Vereinigten Staaten hat die Federal Maritime Commission ebenfalls angekündigt, die Abfahrtstreichungsstrategie der Reedereien zu untersuchen. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichts hatte die Europäische Kommission (noch) keine Maßnahmen ergriffen.

Staatliche Beteiligung an Reedereien

Die Covid-19-Beihilfepakete für den Seeverkehr werfen auch Fragen zur staatlichen Beteiligung an Reedereien auf. Hierfür gibt es weltweit unterschiedliche Ansätze. In den meisten OECD-Ländern bestand in den letzten Jahrzehnten die Tendenz, die staatliche Beteiligung an der Privatisierung von Unternehmen und dem Verkauf von Staatsanteilen zu verringern. In verschiedenen aufstrebenden Volkswirtschaften, vor allem in Asien, sind die Regierungen nach wie vor aktiv am Geschäft der Seeschifffahrt beteiligt, und die Unternehmen befinden sich häufig in Staatsbesitz und dienen staatlichen Zielen. In der Praxis handelt es sich bei mehreren Segmenten der Schifffahrtsindustrie inzwischen um Hybridsektoren.

Sechs der zehn großen Containerschifffahrtsunternehmen haben Regierungen als Anteilseigner. Dies ist zum Beispiel der Fall bei der in Deutschland ansässigen Hapag-Lloyd durch die Stadt Hamburg und bei der in Frankreich ansässigen CMA CGM. Im Falle der CMA CGM hat der Staat einen Sitz im Verwaltungsrat des Unternehmens und ein Veto gegen bestimmte strategische Entscheidungen. Eine Reihe von Regierungen hält sogar Mehrheitsbeteiligungen an sogenannten »nationalen« Containerschifffahrtsunternehmen – dies ist der Fall in China, Korea und Taiwan. In all diesen Ländern gibt es häufig Verflechtungen zwischen Staat und Containerschifffahrt, unabhängig davon, ob die staatliche Beteiligung größer oder kleiner ist.

Politische Implikationen

Staatliche Beihilfen für den maritimen Sektor während der Covid-19-Pandemie mildern die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise auf den Schifffahrtssektor. Aus dem Bericht leitet das ITF eine Reihe von Erkenntnissen ab, die als »Ausgangspunkt für eine Überprüfung des politischen Rahmens für die Seeschifffahrt« dienen sollen. SO schlägt das OECD-Gremium vor:

  • »Intensivierung der Überwachung des Wettbewerbs: Der Grad der Konsolidierung und Zusammenarbeit in Segmenten der Schifffahrtsindustrie ermöglicht eine wirksame Kollusion zur Verringerung des Wettbewerbs. Die jüngsten gemeinsamen Bemühungen der Containerlinien, durch eine koordinierte Strategie von Abfahrtsstreichungen Kapazitäten abzubauen, wirft viele Fragen auf, die für die Wettbewerbsbehörden von Belang sind und eine Untersuchung verdienen. Die Linienschifffahrt erfordert eine kontinuierliche Überwachung und Korrekturmaßnahmen, wenn unangemessenes Verhalten auftritt. Die den Linienreedereien durch die Gruppenfreistellungsverordnung für Konsortien der EU eingeräumte Freiheit, Kapazitäten gemeinsam zu verwalten und Informationen auszutauschen, ist eine Basis für Missbrauch.«
  • »Anwendungsbereich der Wettbewerbspolitik im Seeverkehr ausweiten: Die Wettbewerbspolitik im Seeverkehr war oft eng auf den Preis für die Kunden ausgerichtet. Sie sollte auch die Marktmacht gegenüber den Anbietern und eine breitere Palette von Indikatoren in Bezug auf Servicequalität, Konnektivität und Umweltleistung berücksichtigen. Eine kürzlich von der Europäischen Kommission angekündigte Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen zur Ökologisierung der Wettbewerbspolitik und der staatlichen Beihilfen sollte genutzt werden, um mit der Ökologisierung der EU-Leitlinien für staatliche Beihilfen im Seeverkehr, der Tonnagesteuer und der Gruppenfreistellungsverordnung für Konsortien zu beginnen. Eine Alternative zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der Wettbewerbspolitik im Seeverkehr bestünde darin, die Beschränkungen für die staatliche Beteiligung an Unternehmen zu lockern und weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen für staatliche Beihilfen im Seeverkehr zu schaffen.«
  • »Schaffung weltweit gleicher Wettbewerbsbedingungen für staatliche Beihilfen im Seeverkehr: Die Einbeziehung des Seeverkehrs in die Säule 2 des Global Anti-Base Erosion Proposal (»GloBE«) der G20/OECD würde dazu beitragen, ein universell anwendbares Regelwerk und vergleichbare Bedingungen für den Sektor zu schaffen. Der Vorschlag sieht eine Mindeststeuer für multinationale Unternehmen vor, die die Anreize zur Steuervermeidung beseitigen und den Boden für den globalen Steuerwettbewerb bereiten würde. Falls die Schifffahrtsindustrie nicht in GloBE einbezogen werden sollte, sollten internationale Verhandlungen über Subventionen und Steuerbefreiungen im Seeverkehr aufgenommen werden. Auf regionaler Ebene könnten aktivere Initiativen zur Steuerkonvergenz eingeleitet werden. Innerhalb der EU könnten die Leitlinien für staatliche Beihilfen im Seeverkehr in Bezug auf die maximal zulässigen Subventionen und Steuerbefreiungen klarer gefasst und strenger angewandt werden.«
  • »Bekämpfung von Marktverzerrungen infolge staatlicher Beihilfen für den Seeverkehrssektor: Die Wettbewerbsbehörden sollten es vermeiden, Entscheidungen zu treffen, die zu Marktverzerrungen führen, wie dies bei der Genehmigung von Tonnagesteuerregelungen für den Ladungsumschlag in Häfen durch die Europäische Kommission der Fall war. Dies hat zu unangemessenen Vorteilen für vertikal integrierte Schifffahrtskonzerne geführt und sollte korrigiert werden.«
  • »Staatliche Beihilfen für den Seeverkehr auf strategische Lieferketten konzentrieren: Staatliche Beihilfen für den Seeverkehr haben in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen. Häufig wurde die Ausweitung von Beihilfen nicht durch objektive Bewertungen des potenziellen Nutzens für den Anbieter vorangetrieben. Das finnische Covid-19-Paket ist ein Beispiel dafür, wie staatliche Beihilfen mit dem politischen Ziel der Versorgungssicherheit verknüpft werden können.«