Kurs halten in der Krise

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Corona hält die Weltwirtschaft und somit auch die maritimen Industrien in Atem. Steigende Fallzahlen in fast allen Ländern sind mehr[ds_preview] als nur ein Alarmzeichen dafür, dass sich die Folgen noch weiter verschlimmern könnten. Eine überraschende Ausnahme bildet ausgerechnet die im vergangenen Jahrzehnt chronisch krisengeschüttelte Schifffahrt.

Die Märkte sind weiter volatil, keine Frage. Das zeigen die jüngsten Abstürze bei Bulkern und Tankern. Den Containerverkehr aber hat Corona, anders als in den vielen Jahren seit der Lehman-Pleite 2008, nur kurz auf Talfahrt geschickt. Seit Mai haben alle wichtigen Indizes zu einem steilen Höhenflug angesetzt und liegen weit über den Vor-Corona-Werten des vergangenen Jahres. Die Linien, allen voran die Hamburger Hapag-Lloyd, verdienen dank ihrem disziplinierten Kapazitätsmanagement so gut wie lange nicht mehr und zahlen inzwischen mehr als auskömmliche Raten an ihre Tonnage-Provider. Selbst der saisonale Dip in der »Golden Week« in China ist ausgeblieben.

Also, alles gut? Längst nicht. Die guten Quartalszahlen übertünchen anhaltende Probleme. An Bord vieler Schiffe herrscht nach wie vor Notstand, weil häufig der Besatzungswechsel schwierig bleibt und ein international abgestimmtes Vorgehen immer noch fehlt. Die neu entflammte Pandemie dürfte die Situation eher noch verschärfen.

Das im Vergleich zu den Vorjahren extrem dünn gewordene Orderbuch mag als Erfolg in Krisenzeiten gelten, wird bei weiter ausbleibenden Aufträgen aber nicht nur für die Werften und Zulieferer zu einem ernsten, für manche wahrscheinlich sogar zu einem existenziellen Problem. Auch viele Schiffseignern, abgesehen von den großen Linienreedereien, die in eine Erneuerung ihrer Flotte investieren müssten, läuft so langsam die Zeit davon.

Schon vor der Verbreitung des Covid19-Virus war die Schiffsfinanzierung weitestgehend ausgetrocknet, allemal in Deutschland. Wer, anders als die Großen der Branche, keinen Zugang zu chinesischen Leasing-Häusern hat, findet derzeit kaum noch Investoren. Hier und da springen »alternative lender« ein, das eine oder andere Projekt wurde über eine der neuen digitalen Plattformen finanziert. Die große Lücke, die durch den kompletten oder teilweisen Rückzug der klassischen Banken und vieler inzwischen gefrusteter Private-Equity-Gesellschaften entstanden ist, klafft weit.

Dabei braucht es prall gefüllte Kassen, um die Weltflotte »grüner« und effizienter aufzustellen. Auch von dieser Herausforderung hat Corona (und der niedrige Bunkerpreis) ein wenig abgelenkt. Nach einigen Einzelinitiativen von Branchengrößen wie Maersk oder Kühne + Nagel, die sich konkrete Nachhaltigkeitsziele auf die Fahne geschrieben haben, braucht es jetzt einen für alle Akteure verbindlichen Ansatz – und er wird kommen. Die jüngste Initiative großer Verlader gibt die Richtung vor, demnächst wird die IMO verbindliche Vorgaben folgen lassen.

Die Corona-Pandemie hat für eine weitere Untiefe gesorgt, die umschifft werden muss. Ungeachtet der Krise aber gilt für die Schifffahrt beim Klimaschutz: Kurs halten. Denn das ist alternativlos.

Viel Spaß beim Lesen wünscht


Krischan Förster