Andre Wortmann, PwC
Andre Wortmann (Foto: PwC)
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Die Reedereien haben die erste Covid-19-Welle gemeistert, allerdings zeigt die aktuelle PwC-Reederstudie 2020: Die Pandemie könnte im weiteren Verlauf die Geschäftsprozesse noch erheblich beeinträchtigen während Finanzierung und Umweltthemen als Herausforderungen bestehen bleiben.

[ds_preview]Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben die maritime Wirtschaft hart getroffen. Dennoch konnten die deutschen Reeder die Lieferketten weitgehend aufrechterhalten. Für den Jahresverlauf erwartet die Mehrzahl der in diesem Jahr befragten Entscheider aus 95 Reedereien erhebliche Beeinträchtigungen ihrer Geschäftsprozesse in Folge der Pandemie. Das geht aus der PwC-Reederstudie 2020 der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers hervor.

Der Veränderungsdruck in der Branche werde deswegen wahrscheinlich weiter steigen, heißt es. Die Mehrheit der befragten Reeder erwartet nämlich, dass mehr Unternehmen sich zusammenschließen werden, um die Auswirkungen dieser Krise und anderer Herausforderungen zu bewältigen. Viele Entscheider vermuten zudem, dass die Mehrzahl der Reedereien nur mit staatlicher Hilfe die Auswirkungen der Krise meistern können wird.

Die Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld und Coronasoforthilfen halfen zahlreichen Reedereien, die ersten Krisenmonate zu überstehen. Einige Reedereien mussten aber auch Personal entlassen bzw. erwarten solche Maßnahmen.

Mehr zur PwC-Reederstudie lesen sie im Magazin. In der Dezemberausgabe der HANSA erwartet Sie ein Themenschwerpunkt zum Reedereistandort Deutschland.

»Die Herausforderungen der ersten Pandemie-Welle haben die Reedereien noch gut bewältigt. Zwar mussten vereinzelt Schiffe in Quarantäne gehen, insgesamt haben die Lieferketten aber gehalten. Jetzt stellt sich die Frage, ob der beobachtete Erholungstrend in den Fracht- und Charterraten sich weiter fortsetzt oder maßgeblich durch Nachholeffekte getrieben war«, sagt André Wortmann, Leiter des Maritimen Kompetenzzentrums bei PwC Deutschland. »Weiter steigende COVID-19-Fallzahlen und damit einhergehende Einschränkungen in zahlreichen Ländern weltweit werden die Reedereien erneut vor Herausforderungen stellen.«

Digitalisierung hilft in der Krise

Die Reedereien hatten im ersten Halbjahr 2020 zahlreiche operative Herausforderungen zu bewältigen. Nahezu 70 Reedereien gaben an, große Probleme mit dem Crewwechsel gehabt zu haben. Zudem führte die Mehrzahl der Reedereien regelmäßig Coronatests bei ihren Besatzungen durch, einzelne Reedereien mussten ganze Schiffe unter Quarantäne stellen. Zahlreiche Reedereien gaben an, dass es zu zeitlichen Verzögerungen in der Löschung und Zollabfertigung der Schiffe kam.

Zur Bewältigung dieser Herausforderungen hat nach Einschätzung der befragten Entscheider die bereits in der Vergangenheit beschleunigte Digitalisierung beigetragen. 91 % der Befragten gehen davon aus, dass die Corona-Pandemie diesen Trend weiter vorantreibt. Die verstärkte Digitalisierung wird als eine offensive Reaktion auf die Krise gesehen. Es wird jedoch erwartet, dass weiterhin die großen Reedereien der Treiber der Digitalisierung sein werden.

»Auch wenn viele Reedereien ihre landseitigen Geschäftsaktivitäten relativ rasch ins Homeoffice verlegen konnten, zeigt die Pandemie auf, wie hoch der weitere Digitalisierungsbedarf in der Schifffahrt ist. Hierbei kommt es neben der Digitalisierung von Prozessen innerhalb der Unternehmen selbst auch auf eine weitere digitale Verzahnung von unterschiedlichen Stakeholdern der Lieferkette an, um weitere Effizienzen zu heben«, führt Burkhard Sommer, stellvertretender Leiter des Maritimen Kompetenzzentrums, aus.

Pandemie könnte Handelsströme nachhaltig verändern

Beim Blick in die Zukunft gehen die Entscheider mehrheitlich davon aus, dass Kurzstreckenverkehre wieder zunehmen werden und so regionale Verkehre an Bedeutung gewinnen. Es ist jedoch umstritten, ob es sich bei der erwarteten Regionalisierung um ein Strohfeuer oder eine nachhaltige Entwicklung handelt. 46 % der Entscheider glauben, dass sich der Trend nach dem Ende der Coronakrise wieder umkehrt. Diese Einschätzung ist vor allem bei Entscheidern größerer Reedereien verbreitet, während Entscheider aus kleineren Reedereien eher mit einer nachhaltigeren Regionalisierung und Verschiebung von Handelsströmen rechnen.

Die Wachstumsperspektiven bis 2025 beurteilen die Reeder insgesamt verhalten. Mit einem Anstieg des weltweiten Frachtaufkommens rechnen 52 % der Entscheider, vor einem Jahr gaben dies noch 67 % zu Protokoll. Der Anteil der pessimistischen Beobachter ist demgegenüber gestiegen: Einen (weiteren) Rückgang des Frachtaufkommens sehen aktuell 12 %, vor einem Jahr waren es 7 %.

»Eine Verschiebung von Handelsströmen würde nicht zwangsläufig mit einem Rückgang der Transportvolumina einhergehen. Es ist aber nicht auszuschließen, dass von einer Verlagerung auf Kurz- und Mittelstrecken eher der Straßen- und Schienengütertransport profitieren würde – zu Lasten der Seeschifffahrt. Dennoch kann diese Entwicklung eine Chance für die Reedereien darstellen, die ihren Schwerpunkt im Kurzstreckentransport haben«, erläutert Wortmann.

Die Verkehrsinfrastruktur wird von der Mehrzahl der Führungskräfte als ausreichend bewertet, um auch ein höheres Ladungsaufkommen abzuwickeln. Dennoch ist nahezu jeder Dritte unzufrieden mit der derzeitigen Infrastruktur. Der stärkste Investitionsbedarf wird im überregionalen Schienennetz sowie den Straßen und Brücken im Hafenbereich gesehen. Weiterhin sollte auch mehr Geld in überregionale Straßen, Binnenschifffahrtswege und Schleusen fließen.

Klimaschutz und Finanzierung weiter auf der Agenda

Ungeachtet der aktuellen Probleme durch die Coronakrise behalten andere Themen die Priorität auf der strategischen Agenda der befragten Reedereien. Die größten Herausforderungen auf Sicht der kommenden zehn Jahre sind nach Ansicht der Reeder weiterhin Finanzierungsfragen (85 %) sowie die Umrüstung der Flotten, um Klimaschutz und Umweltauflagen gerecht zu werden (82 %). Mit Abstand auf dem dritten Rang folgt die Digitalisierung (58 %). Eine Wiederholung der Coronakrise halten demgegenüber nur wenige Reeder für wahrscheinlich: Die Vorbereitung auf weitere Pandemien sehen nur 14 % als drängendes strategisches Thema an.

»Die derzeitige Krise darf den Blick nicht dafür verstellen, dass die grundsätzlichen Herausforderungen der Reedereien weiter bestehen bleiben. Dazu zählt ganz maßgeblich die Finanzierung von neuen Schiffen wie auch die Ausrüstung bestehender Schiffe mit umweltfreundlicher Technologie, um bestehenden und zukünftigen Umweltauflagen gerecht zu werden«, sagt Sommer.