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Die in Bremen ansässigen Speditions- und Logistikfirmen sind bislang gut durch die Corona-Krise gekommen. Vor allem das Seefrachtgeschäft erweist sich als wichtiges Standbein.

[ds_preview]Einer Blitzumfrage des Vereins Bremer Spediteure zufolge liegen die Bruttospeditionserlöse – Umsatz abzüglich Frachten, Umschlagsentgelte, Zölle und Einfuhrumsatzsteuer – der Mitgliedsfirmen in der Seefracht dieses Jahr nur knapp unter Vorjahresniveau. Bei der Exportabfertigung beträgt der Rückgang laut Umfrage nur 1%, beim Import 3%. »Das ist eine erfreuliche Stabilität in der Seefracht«, kommentierte der Geschäftsführer des Vereins, Robert Völkl. In der Luftfracht gebe es zwar deutlichere Erlöseinbußen von 16% (Export) und 8% (Import), »die halten sich aber auch in Grenzen«, konstatierte Völkl.

Weniger Azubis

Oliver Oestreich
Oliver Oestreich bei einer Video-Schalte (Foto: Hollmann)

Einen merklichen Rückgang weist die Zahl der neuen Ausbildungsverträge in der Bremer Spedition auf. Statt 235 wie im Vorjahr begannen dieses Jahr nur 186 junge Leute ihre Speditionslehre in Bremen. Grund dafür sei aber nicht eine mangelnde Ausbildungsbereitschaft im Gewerbe, sondern eine verringerte Anzahl von Bewerbern. Aus dem Bremer Umland habe es deutlich weniger Interessenten gegeben, weil es dort aufgrund der Rückkehr zu G9 dieses Jahr keinen Abiturjahrgang gab. Zahlreiche Ausbildungsplätze in Bremen seien deshalb unbesetzt geblieben, »die Bremer Spediteure wollen aber weiter ausbilden«, unterstrich Völkl.

Herausforderungen auf See

Trotz der erfreulichen Umsatzentwicklung sind die Dienstleister mit den operativen Bedingungen in dem Geschäft alles andere als zufrieden. Die aktuelle Lage in der Seehafenspedition sei geprägt von »unzureichenden Schiffskapazitäten, blank Sailings und damit einhergehend von Engpässen bei Containern in den Häfen und im Hinterland«, erklärte Oliver Oestreich, Vorsitzender des Vereins Bremer Spediteure und Mitglied der Geschäftsführung bei Lexzau, Scharbau (Leschaco).

Sven Schoon
Sven Schoon bei einer Video-Schalte (Foto: Hollmann)

Sven Schoon, Vorstandsmitglied und geschäftsführender Gesellschafter von ETS Transport & Logistics, beklagte, dass es angesichts der Container- und Platzengpässe »keine Verlässlichkeit mehr bei den Frachtraten« gebe. »Wir arbeiten heute mit Tagesraten. Dem Kunden wird die Pistole auf die Brust gesetzt. Das sind zum Teil sehr bittere Gespräche mit langjährigen Kunden.« Schoon geht nicht davon aus, dass sich die Preis- und Kapazitätssituation in absehbarer Zeit verbessert. »Als nächstes kommen die Weihnachtsfeiertage, Chinese New Year, Ostern. Wir stellen uns darauf ein, dass es die nächsten Monate so weitergeht.«

Mehrzweck- statt Containerschiffe

Hellmers
Carsten Hellmers bei einer Video-Schalte (Foto: Hollmannn)

Dass die Kapazitäten in der Seefracht von und nach Europa so knapp geworden sind, liegt eher an einer Begrenzung der Schiffskapazitäten durch die Carrier und dem Abzug von Containern für die lukrativeren Transpazifikverkehre – nicht an einem generellen Ladungsboom in Europa. Darauf wiesen Carsten Hellmers, Geschäftsführer und Inhaber von Alexander Global Logistics (AGL), und Ralf Miehe, Niederlassungsleiter von Kühne + Nagel in Bremen, hin. »Die Lage ist von Produkt zu Produkt völlig unterschiedlich. Im Automotive-Bereich hat es Dellen gegeben, aber bei Textilien werden hohe Mengen eingeführt, wie wir sie vorher noch nicht gesehen haben«, erläuterte Miehe.

»Die Mengen haben insgesamt nicht so stark zugenommen. Es sind Kapazitätsreduzierungen der Carrier gewesen, die diese extreme Situation hervorgebracht haben«, sagte Hellmers, dessen Unternehmen AGL stark auf Papier- und Zellstofftransporte spezialisiert ist. Wegen der Containerknappheit hatte das Unternehmen bereits im Frühjahr Exportware für den Nahen Osten und Asien mit Mehrzweckschiffen statt im Container befördern lassen. „Jetzt sind wir erneut an einem Punkt, wo wir den Kunden so etwas anbieten“, so Hellmers. (mph)