»Cap Polonio«: Von Krieg, Einstein und Rekorden

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Am 25. März 1914 lief die »Cap Polonio« bei Blohm + Voss vom Stapel. Während einer Probefahrt wurde der Dampfer jedoch[ds_preview] im Sommer 1914 vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges überrascht und lag in der Folge für einige Monate auf. Im Februar 1915 wurde das Schiff dann als Hilfskreuzer »Vineta« fertiggestellt. Doch wie es das Schicksal wollte, kam es aufgrund seiner zu geringen Geschwindigkeit nie zum Kampfeinsatz.

Nach Kriegsende verfügten die Bestimmungen des Versailler Vertrages unter anderem, dass alle deutschen Seeschiffe über 1.600 BRT an die Siegermächte abgeliefert werden mussten. Davon war natürlich auch die »Cap Polonio« betroffen und ging ab April 1919 für ein paar Jahre nach England. Erst das Reedereiabfindungsgesetz von 1921 legte zwei Jahre später den Grundstein für den Wiederaufbau der deutschen Seeschifffahrt. Dadurch hatte die Reederei Hamburg Süd die Möglichkeit »ihr« Schiff in England zurückzukaufen.

Ab Juli 1921 folgte bei der Hamburger Bauwerft schließlich eine Generalüberholung. An Stelle der Kohlenfeuerung wurde eine moderne Ölverbrennungsanlage eingebaut. Nach ihrer erneuten Fertigstellung verfügte die »Cap Polonio« über eine Maschinenleistung von 20.000 PS und eine Inneneinrichtung, die in Sachen Komfort neue Standards setzte.

Im September 1922 holte sie schließlich unter Kapitän Ernst Rolin ihre Jungfernreise nach Südamerika nach. Sie war zu dieser Zeit das größte Schiff der deutschen Handelsflotte und zugleich das Flaggschiff der Hamburg Süd auf der Südatlantik-Route.

Das Schiff erfreute sich in den Folgejahren bei Passagieren aus aller Welt großer Beliebtheit und Wertschätzung, ihr Auftauchen in den Häfen Südamerikas sorgte regelmäßig für Begeisterung. Zu den prominenten Passagieren der »Cap Polonio« zählte im März 1925 sogar Albert Einstein.

Zusätzlich zum Liniendienst über den Atlantik wurden an Bord des Schiffes auch Kreuzfahrten von Buenos Aires nach Feuerland und in die Magellan-Straße angeboten. Hierdurch wurde einem zahlungskräftigen vor allem südamerikanischen Publikum ein völlig neues Gebiet der Seetouristik angeboten.

Das Jahr 1927 markierte einen Wendepunkt in der Geschichte des weltberühmten Schiffes, denn mit der »Cap Arcona« lief ein noch größeres, moderneres und luxuriöseres Schiff der Hamburg Süd vom Stapel. Aber es kam noch ärger. In Folge der Weltwirtschaftskrise musste die »Cap Polonio« 1931 aufgelegt werden. Als Schlussakkord wurde sie schließlich am 21. Juni 1935 an die Firma M. Stern AG in Essen zum Abbruch verkauft.

Doch damit war nicht aller Tage Abend: Denn noch heute können große Teile des prachtvollen Interieurs des Schiffes, namentlich die Einrichtung des Speisesaals der 1. Klasse mit originalen Wandvertäfelungen, Tapeten, Lampen und Möbeln im »Hotel Cap Polonio« in Pinneberg bewundert werden. Dort versprühen sie eindrucksvoll den Charme der goldenen 1920er Jahre.


Gerrit A. Menzel – Internationales Maritimes Museum ­Hamburg