Print Friendly, PDF & Email

Die Ratenentwicklung in der Containerlinienschifffahrt besorgt die Spediteure so sehr, dass sie jetzt die Reedereien sogar für eine Gefährdung der wirtschaftlichen Erholung in Europa verantwortlich machen.

[ds_preview]Die vergangenen Tage und Wochen waren geprägt von positiven Meldungen aus der Containerlinienschifffahrt. Es geht unter anderem um deutlich gestiegene Gewinnmargen oder gut ausgelastete Flotten – mit entsprechenden Folgen für die schrumpfende Aufliegerflotte und zum Teil auch für den Chartermarkt. Die Ursachen liegen beispielsweise in der schnellen Erholung einiger asiatischer Wirtschaftsräume und der hohen Nachfrage in den USA. Die Entwicklung hat nicht wenige Beteiligte und Beobachter überrascht, noch im Mai gab es Spekulationen, wonach den Linien ein Verlust von bis zu 23 Mrd. $ bevorstehen könnte.

Bei den Kunden der Linien kommt deren verbesserte Situation allerdings nicht an – das meint zumindest der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV). Er wirft den Reedereien sogar vor, die Erholung der europäischen Wirtschaft zu gefährden.

Willem van der Schalk

»Die globale Pandemie hat die Folgen des bestehenden Ungleichgewichts in der Verfügbarkeit von Containern zwischen westlichen und asiatischen Häfen einerseits und des Kapazitätsabbaus in der Linienschifffahrt anderseits verschärft; mit schwerwiegenden Folgen nicht nur für deutsche Spediteure, sondern auch für deren Kunden«, heißt es in einem jetzt veröffentlichen Statement. Dabei sei die Zuverlässigkeit und Stabilität maritimer Lieferketten von entscheidender Bedeutung für die gesamte europäische Wirtschaft.

»Die Linienreedereien stellen schlichtweg keine ausreichenden Kapazitäten zur Verfügung«

Willem van der Schalk, Sprecher des Komitee Deutscher Seehafenspediteure im DSLV

Die Corona-Pandemie und einheitliches Verhalten würden das Marktangebot für Frachtraum und Containerkapazitäten dramatisch verändern, wodurch die Seefrachtraten steigen. »Die Linienreedereien stellen schlichtweg keine ausreichenden Kapazitäten zur Verfügung«, bemängelt Willem van der Schalk, Sprecher des Komitee Deutscher Seehafenspediteure im DSLV.

Die Kosten für die Speditionsbranche sind dem Verband zufolge beträchtlich: Sie entstehen durch Umbuchungen von Sendungen und stets neue Gebühren und Aufschläge (Surcharges) für Shipping-Garantien. »Als Folge von pandemie-bedingten Produktionsstopps und Werkschließungen türmen sich die Container in Amerika und stehen für anderen Destinationen nicht zur Verfügung. Frachtraten steigen und Wartezeiten werden immer länger. Verschiffungen können vor Chinese New Year im Februar 2021 fast nicht mehr gebucht werden. Am Ende droht dem Spediteur wegen fehlender Planbarkeit sogar Kundenverlust«, heißt es.

Gruppenfreistellung erneut im Fokus

EU Flagge

Nach Ansicht der Spediteure profitieren die Container-Linienreedereien bereits einseitig und zum Nachteil deutscher Speditionshäuser von besonderen rechtlichen Privilegien durch die europäische Gruppenfreistellungsverordnung für Konsortien, die von der Europäischen Kommission erneut verlängert wurde. Van der Schalk hält dies für »nicht zeitgemäß«. Sie würden den Reedereien Marktbeeinflussungen, z.B. durch sanktionsfreie Absprachen, erlauben.

»Die Container-Linienreedereien müssen den gegenwärtigen Zustand endlich beenden und zu Geschäftsgepflogenheiten zurückkehren, in denen sie nicht alleine Nutznießer sind und vertragliche Vereinbarungen wieder eingehalten werden«, fordert der Spediteur.

Schifffahrt fordert mehr Gelassenheit

In der Schifffahrt sorgt die harsche Kritik der Spediteure für Unverständnis. Die verhältnismäßig positive Entwicklung basiere auf einer Vielzahl von Gründen, auf die Reeder zum Teil nur begrenzten Einfluss hätten, etwa auch der nach wie vor niedrige Ölpreis für Bunkerungen, heißt es seitens des Verbands Hamburger und Bremer Schiffsmakler (VHBS) gegenüber der HANSA.

»Die starke Erholung der asiatischen Volkswirtschaften hat niemand, wirklich niemand, vorher gesehen. Und das die Container in den USA COVID-bedingt aufgrund des Mangels an Fahrern und Chassis feststecken, kann nicht den Reedereien angelastet werden«, sagt Geschäftsführer Alexander Geisler.

Geisler

Die Linien hätten zudem auf die gestiegene Nachfrage reagiert, wie ein Blick auf den steigenden Charter-Index New ConTex zeigt. Ein seitens der EU-Kommission angeschobenes Verbot von weiteren Ratensteigerungen zu verlangen, hält Geisler für einen »gewagten Schritt«. Preise würden sich nach wie vor auf Grundlage von Nachfrage und Angebot bilden. »Etwas mehr Gelassenheit« wäre seiner Ansicht nach angebracht. Zudem solle berücksichtigt werden, dass der Markt in den letzten Jahren an einem zu niedrigem Ratenniveau krankte. »So gesehen, knüpfen wir mit den aktuellen Fracht- und Charterraten endlich wieder an gesunde Niveaus an«, so der VHBS-Geschäftsführer.

Man solle sogar hoffen, dass der Trend noch etwas länger andauert, da die Mittel dringend benötigt würden: »Es gab genügend Jahre in der letzten Dekade, wo keine Gewinne eingefahren wurden. Und Gewinne machen ist auch etwas Gutes, denn ein Blick auf die weiterhin hohe Schuldenlast vieler Reedereien sowie die Höhe der benötigten Investitionen, um die Flotte an die kommenden Vorgaben zum Umwelt- und Klimaschutz anzupassen, zeigt, dass sie Geld verdienen müssen. Woher sollen die Mittel zur Bewältigung dieser Herausforderungen kommen, wenn nicht aus Gewinnen aus dem regulären Geschäftsbetrieb?«