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Im Golf von Guinea nimmt die Anzahl der Piraten-Attacken wieder zu. Nicht alle Schiffe können die Angriffe abwehren. In den vergangenen Monaten wurden 115 Männer an Land verschleppt. Eine (wohl unvollständige) Bestandsaufnahme

Nach wie vor melden längst nicht alle Reedereien Piraten-Überfälle auf ihre Flotte an die zuständigen Stellen. Zu groß ist[ds_preview] bei Manchem die Sorge vor steigenden Versicherungsprämien oder Schadensersatzforderungen. Gleichzeitig haben die Behörden in Nigeria oder auch Benin und Äquatorial-Guinea bisweilen nur wenig Interese daran, Angriffe in ihren Gewässern kund zu tun. Man will nicht als unfähig oder eingeschränkt handlungsfähig in Bezug auf den Schutz der Schifffahrt dastehen. Das gilt selbstverständlich nicht für alle Reedereien und Behörden. Zudem machen Beobachter vor Ort oder maritime Branchendienste die Piraterie in der Region publik.

Aber dennoch: Die offiziellen Zahlen für die westafrikanische Gesässer dürften weiter von einer nicht unerheblichen Dunkelziffer begleitet sein.

Verantwortlich für die Vorfälle sind nach wie vor vor allem nigerianische Seeräuber und Kriminelle. Allerdings veschiebt sich deren Fokus zunehmend. Die Entführung von Seeleuten wird zum präferierten »Geschäftsmodell«, auch wenn die Übergänge nach wie vor fließend sind (HANSA 07/2020). Bis zu 80.000$ können an Lösegeld pro Seemann erpresst werden.

In der Vergangenheit war es vor allem um Ladungsdiebstahl und Schmuggel gegangen. Zudem weiten die Seeräuber auch ihr Operationsgebiet aus, mittlerweile steigt das Risiko auch in den Gewässern von Benin, Togo oder Äquatorial Guinea deutlich. Trotz einigen politischen Anstrengungen hakt es weiter an einer ganz entscheidenden Stelle: Es mangelt in den Golfländern an polizeilicher und militärischer Ausrüstung, an geschultem Personal. Nicht zuletzt ist die Korruption noch immer ein großes Problem.

Die Analysten des Branchendiensts Dryad bewerten die Situation im Golf von Guinea mittlerweile als sehr riskant für die Handelsschifffahrt. Zwar liegt die Zahl der Entführungsopfer in diesem Jahr noch unter der des Vorjahres: 2019 wurden 177 Männer verschleppt – großen Einfluss auf die Zahl nahmen seinerzeit Entführungen von 19 und 20 Seeleuten von jeweils einem Schiff. Allerdings ist der Trend beunruhigend. Es müsse von weiteren Angriffen in den kommenden Wochen ausgegangen werden, heißt es. Nicht zuletzt auch, weil sich kriminelle oder paramilitärische Gruppen von den jüngsten Erfolgen zu neuen Vorstößen ermutigt fühlen dürften. So war es in der Vergangenheit nicht selten zu beobachten.

Hier eine Auswahl der jüngsten Vorfälle seit September:

• Der letzte vor Redaktionsschluss bekannt gewordene Fall betraf den Bunkertanker »Stelios K« 40sm südlich von Lomé auf dem Weg nach Nigeria. Die Piraten blieben an Bord, was auf einen Plan zum Diebstahl der Ladung schließen ließ.

• Der Mehrzweckfrachter »AM Delta«, hierzulande als ehemalige »Eems Delta« bekannt, wurde südlich von Brass angegriffen. Es war der neunte Überfall im November, fünf Seeleute wurden in eines der Gefangenencamps an Land verschleppt. Dadurch stieg die Anzahl der entführten Seeleute im Golf von Guinea in 2020 auf 115, so die Zählweise von Dryad.

• Nur kurz zuvor war das Halbtaucher-Heavyliftschiff »Zhen Hua 7« Opfer eines Angriffs – dieses Mal nordwestlich der Insel Sao Tomé. 14 der 27 Seeleute wurden entführt.

• Der Chemikalientanker »Tor Alexandra« wird 162sm südlich von Cotonou in Benin attackiert. Die Crew soll sich in eine Zitadelle gerettet haben können.

• Rund 180 sm südlich von Lagos in Nigeria wollen Piraten den Tanker »Wesley« entern. Durch bordseitige »Sicherheitsmaßnahmen« sowie einige Ausweichmanöver des Kapitäns kann der Angriff abgewehrt werden.

• Vom LNG-Tanker »Methane Princess« werden vor Malabo in Äquatorialguinea kurz nach dem Abschluss von Ladeoperationen ein Crew-Mitglied entführt. Ein weiterer Seemann kann durch einen Sprung vom Piratenschiff flüchten. Die Marine des Landes kam zu spät.

• Südlich von Lomé in Togo attackieren Kriminelle den Tanker »PTI Nile«, die Besatzung rettete sich in den Schutzraum.

• Der Kapitän und ein Besatzungsmitglied des Seatrade-Kühlcontainerschiffs »Water Phoenix« werden nahe Lagos von Bord verschleppt.