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Der Nordwesten ist weiter zweitwichtigste Region für den Reedereistandort Deutschland. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen prägen das Bild. Die Schiffseigner wünschen sich mehr politische Unterstützung und sind dabei durchaus selbstbewusst

Das letzte Jahrzehnt war für die Reedereien nicht unbedingt eine leichte Zeit. Die Lehmann-Krise, die Weltwirtschaftskrise, handels- und geopolitische[ds_preview] Dispute und zuletzt die Corona-Pandemie sorgten auch in der nordwestdeutschen Schifffahrt für einige Unruhe. Man kennt die Entwicklung: Diverse Reedereien mussten aufgeben oder wurden übernommen, weil der Geldhahn zugedreht wurde oder zum Teil auch, weil in der Vorkrisenzeit über die Verhältnissen gewirtschaftet wurde.

Auch in der niedersächsischen Branche hinterließen die Jahre Spuren. Oliver Zimmer vom Reederverein Unterelbe, Daniel Grensemann vom Reederverein Ems-Dollart und Bernd Sibum von der Interessengemeinschaft Harener Reeder bestätigen in einem gemeinsamen Statement, dass sich die Mitgliederzahlen der drei Vereine stetig reduziert haben: »Unsere Mitglieder hatten und haben mit den finanziellen Rahmenbedingungen zu kämpfen, viele haben an Substanz verloren. Weil viele Reedereien in Insolvenz gegangen sind oder in finanzielle Schieflage gerieten, mussten viele Schiffe verkauft werden.«

Wachstum nicht realistisch

Mit Blick auf die kommenden Jahre wäre es aus ihrer Sicht ein Erfolg, wenn die Struktur der Vereine und die Anzahl der bereederten Schiffe erhalten werden könnte. »Ein Wachstum wäre wünschenswert, erscheint aus heutiger Sicht jedoch nicht realistisch«, so die drei Vertreter.

Viele kleinere Reedereien hätten den Betrieb eingestellt oder würden das in den nächsten Jahren tun, weil sie keine Perspektive mehr für sich und ihre Söhne und Töchter sähen. Dies hänge auch mit der notwendigen Anzahl der Schiffe zusammen, um eine Reederei wirtschaftlich führen zu können. Allerdings, so die Manager weiter: »Die noch vorhandenen Reedereien sind durch so viele Höhen und Tiefen gegangen, dass die Weichen für die Zukunft entsprechend gestellt sein dürften. Es haben auch viele Familienbetriebe den Generationswechsel erfolgreich geschafft und es steht damit eine neue Generation von Reedern auf der Brücke, welche die Traditionen und Werte der älteren Generation fortführen, dabei aber auch mit dem nötigen Werkzeug im Gepäck den neuen Anforderungen gerecht werden zu können.«

Vorteil »technisches Knowhow«

Die Region hat in ihren Augen nach wie vor sehr große Bedeutung für den Schifffahrtsstandort Deutschland. Trotz den verschiedenen Krisen habe man die Position als zweitgrößter Reedereistandort nach Hamburg behaupten können.

Zu den bekanntesten Namen mit größeren Flotten gehören beispielsweise die Briese-Gruppe aus Leer mit über 100 Schiffen – die MPP-Tochter BBC ist nach wie vor Weltmarktführer –, die Reederei Foroohari aus Stade mit rund 20 Frachtern oder HS Schiffahrt aus Haren an der Ems mit über 30 Schiffen.

Eine Betrachtung der niedersächsischen Flotte macht allerdings auch den Unterschied zu anderen Regionen deutlich: Während laut Zimmer, Grensemann und Sibum rund 80% der Reedereien im Nordwesten ansässig sind, kontrollieren sie »nur« rund ein Drittel der Tonnage. Die klein- und mittelständische Struktur hat nach Ansicht der Vereine aber einen Vorteil. Dadurch könne man schnell und flexibel reagieren. »Wir »kennen« unsere Schiffe noch; das macht sich insbesondere in der hohen Qualität der technischen Bereederung bemerkbar. Wir sind sehr aufgeschlossen gegenüber innovativen Systemen und arbeiten daher intensiv mit Hochschulen und Instituten im Land Niedersachsen, wie dem Maritimen Kompetenzzentrum in Leer zusammen«, heißt es. 

»Es wäre hilfreich, wenn sich mehr Reedereien dem VDR anschließen würden, der aufgrund seiner internationalen Vernetzung alternativlos ist«

Ganz oben auf der Agenda der Reeder steht zwar nach wie vor auch der Zugang zu Fremdkapital und dem dafür erforderlichen Eigenkapital, dies ist von »substanzieller Bedeutung«. Wichtiges Thema ist jedoch auch der Strukturwandel in der Schifffahrt – sprich die Regulierung, der Klimaschutz und die Digitalisierung. Ganz aktuell spielt auch die Corona-Pandemie eine Rolle, etwa im Hinblick auf den erschwerten Besatzungswechsel.

Angesichts der vielen Herausforderungen hakt es nach Meinung der Reeder vor allem an einer Stelle: »Wir fühlen unsere Interessen nicht ausreichend durch die Politik vertreten.« Da man international agiere, sei dies im Sinne der Wettbewerbsgleichheit besonders wichtig: »Wir haben jedoch den Eindruck, dass diese Unterstützung im Verhältnis zu unserem Stellenwert nicht ausreichend ist.« Das wichtigste Transportmittel für eine Exportnation wie Deutschland sei das Schiff. »Die Politik scheint sich dieser Bedeutung aber nicht immer bewusst zu sein. Wichtig für uns ist der Erhalt der Konkurrenzfähigkeit im internationalen Wettbewerb. Das setzt aber voraus, dass es keine nationalen oder EU-Alleingänge insbesondere im Umweltbereich und in der rechtlichen Behandlung der maritimen Unternehmen geben darf«, monieren die Vereine.

In die Erwartung für die Zukunft ist ein gutes Stück Ernüchterung eingezogen: Dass die Politik diese Unterstützung in ausreichendem Maße gewährt, halten Grensemann, Sibum und Zimmer als »leider nicht für sehr realistisch«. Nach ihrem Eindruck fehlt häufig das Verständnis für den Stellenwert der Schifffahrt, insbesondere in den hochindustrialisierten südlichen Bundesländern.

Doch nicht nur die Politik nehmen die Vereine in die Pflicht, auch die Unternehmen. So sei der Verband Deutscher Reeder (VDR) ein wichtiges Bindeglied zur Politik auf Bundes- und EU-Ebene. »Er vertritt unsere Interessen im Rahmen seiner Möglichkeiten gut. Es wäre jedoch hilfreich, wenn sich mehr Reedereien dem VDR anschließen würden, der aus unserer Sicht aufgrund seiner internationalen Vernetzung alternativlos ist. Entscheidend ist natürlich auch hier das Engagement der Mitglieder in den jeweiligen Gremien.«